Die alte Universitätsstadt Frankfurt (Oder), der wichtigste Grenzübergangspunkt nach Polen, ist die viertgrößte Stadt in Brandenburg. An der Kreuzung wichtiger Fernhandelsstraßen entstand um 1226 eine Kaufmannssiedlung. 1253 erhielt Vrankenforde das Stadtrecht. Von 1430 bis 1515 war Frankfurt (Oder) Mitglied der Hanse.
Man muss es wohl so deutlich sagen: von Berlin-Mitte ist man in einer Stunde dreißig Minuten in Frankfurt (Oder). Von Berlin aus scheint die Stadt weit weg – eben an der Oder, am Rand, am Ende der Welt. Dabei ist ein Ausflug durchaus spannend. Vom Busbahnhof ist man zu Fuß in 10 Minuten im Stadtzentrum.
Europapark Ziegenwerder
Man kann auch direkt einen kleinen Abstecher an einen Seitenarm der Oder auf die Insel Ziegenwerder machen. Hier wurden früher die Ziegen der Oderfischer geweidet. Im 19. und 20. Jahrhundert war das Eiland Flußbad für die Frankfurter. Heute gelangt man über eine imposante, interessant aussehende Brücke aus Holz und Stahl herüber. Der Park wurde 2003 neu gestaltet und heißt heute Europagarten, hat eine Promenade, Blumenrabatten, Restaurants und ein Panoramakino. Saisonale Veranstaltungen ziehen Besucher an. Außerdem ist die Insel heute Vogelschutzgebiet und man kann unverbaute Blicke auf die Oder – markiert mit einem hübschen schwarz-rot-gelben Grenzpfahl – genießen. Für Kinder aus Mauer-Zeiten, für Kinder des Kalten Krieges kann solch ein Anblick jedes Mal eine neue Erfahrung sein. Vielleicht gewinnt man ein Stück innerer Freiheit zurück.
Ein Besuch bei Heinrich von Kleist
Weiter Richtung Stadtzentrum, das man nicht verfehlen kann, gelangt man zum Kleist-Museum. Seit 2013 flankiert ein moderner, lichtdurchfluteter Museumsneubau das spätbarocke Gebäude. Das Museum für den 1777 geborenen Dichter Heinrich von Kleist hat bundesweite und auch internationale Ausstrahlung. Hier wird im großen Bogen und auf neue Weise versucht, dem Dichter und Theatermann nahe zu kommen. Die Dauerausstellung „Rätsel. Kämpfe. Brüche.“ ist für jeden kultur- und literaturinteressierten Menschen unbedingt einen Besuch wert!
Im Sommer, wenn es draußen heiß ist, empfängt einen im Neubau eine angenehme Kühle. Der Besucher betritt einen abgedunkelten Raum, eine Installation, die ein Labyrinth aus schwarzen Metallstäben markiert. Dazwischen bewegt man sich – und je nach dem Punkt, den man streift, hört man plötzlich Sätze aus einem Kleist-Stück, wie „Die Familie Schroffenstein“, „Das Erdbeben in Chili“, „Penthesilea“, „Die Marquise von O.“. Natürlich professionell von Schauspielern gesprochen. Diese Sätze treffen sensibilisiert durch die Situation die Besucherin direkt. Man befindet sich quasi in einem Theaterstück, hat sinnliche Eindrücke. Auch der Fußboden unter einem ist uneben, hebt sich, senkt sich. Mehrere Sinne, hören, sehen, tasten sind angesprochen und gefordert. Es ist toll! Ich bin – das verrate ich Ihnen jetzt – wirklich schon viel herumgekommen, aber so etwas gibt es nur in Frankfurt an der Oder!
Geht man einen Raum weiter, so wird Kleist erneut auf andere Weise nahe gebracht:
Durch seine Manuskripte. Will man in denen blättern, muss man sich weiße Baumwollhandschuhe anziehen, die am Eingang ausliegen. Dieser Umzug, diese Verkleidung ist bereits ein sinnliches Erlebnis. Man bekommt eine andere Aufmerksamkeit. Nun kann man in Texten auf verschiedenen Pulten blättern. Die Texte, auf Plastik gedruckt, eingeschweißt, sichergestellt, zeigen die Handschrift Kleists. Diese „Originale“ wirken sehr authentisch. Fast so, als ob der Mensch noch da ist, direkt an diesen Seiten feilt und denkt. Hier finden sich Manuskripte zu Themen, die mit den Werken Kleists zu tun haben: SPRACHE. SCHWEIGEN. ZUFALL. GEWALT. RECHT. So kann man noch eine Weile oder länger, je nachdem wie viel Zeit man mitbringt, in den Welten Kleists wandeln. Ich empfehle viel davon mitzubringen.
Im Altbau ist des Weiteren eine Ausstellung zu Kleists Leben und Umfeld anzusehen. Das barocke Haus des Kleist-Museums wird auch als Standesamt in Frankfurt (Oder) benutzt.