Feuerwerke, wie sie die Barockzeit geliebt hätte, eine Adlige, die in ihrem Wunschgarten stirbt und eine Wasserfontäne, die alle europäischen Rekorde bricht. Geschichten aus der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover können fantastisch sein. Ein Besuch in den prächtigen Herrenhäuser Gärten.
Es war ein starker Regen, der im Juni 1714 in Hannover Herrenhausen niederging. Dennoch wollte sich die inzwischen über 80-jährige Sophie ihren täglichen Rundgang durch das von ihr geliebte und geprägte barocke Gartenparadies nicht nehmen lassen. Zeitlebens hat die im niederländischen Den Haag geborene Kurfürstin Sophie von Hannover (1630-1714) sehr an der Welt gehangen, die sie sich zu Lebzeiten rund um das Residenzschloss geschaffen hatte. Ihr Mann war der erste Kurfürst von Kurhannover und als solche lebten die beiden seit dem späten 17. Jahrhundert auf Schloss Herrenhausen. Der Kurfürst war schon 1698 verstorben, aber die nur ein Jahr jüngere Sophie war zäh, obwohl oder gerade weil auch ihr im Leben viele Schicksalsschläge widerfahren sind. Sie musste Schloss Osnabrück verlassen, auf dem sie zuvor gelebt und sich heimisch gefühlt hatte; im selben Jahr verlor sie Bruder und Schwester. Doch sie entwickelte sich zu neuer Blüte; belesen, künstlerisch interessiert und mit den besten Kontakten nahm sie sich dem Kleinod an, welches wir heute die Herrenhäuser Gärten nennen. In dessem bedeutendsten Refugium, dem Großen Garten, stürzte sie in hohem Alter bei ihrem gewohnheitsmäßigen Rundgang und kam zu Tode. Sie verstarb inmitten des Gartens, für den sie gelebt hat. Ob sie bei ihren letzten Atemzügen auf ihre Jugendzeit in Den Haag zurückblickte oder auf andere Stationen ihres abwechslungsreichen Lebens, wissen wir nicht. Aber wir danken ihr für ihr Vermächtnis. Eindrücke ihrer Frankreich- und Italienreisen verarbeitete sie bei der Gestaltung der Herrenhäuser Gärten. Sie traf die Entscheidungen für den Bau von künstlichen Grotten, Brücken und Fontänen.
Die Herrenhäuser Gärten haben ihr Schloss zurück
Der Große Garten, der sich in seiner Ausdehnung zu Sophies Lebzeiten enorm vergrößerte und der sich in seiner Erscheinung immer mehr auch einem niederländischen Barockgarten annäherte, hat auch heute von seiner Symmetrie, Herrlichkeit und Faszination noch nichts verloren. Dies ist auch der Tatsache geschuldet, dass die Herrenhäuser Gärten ein, zwei Jahrhunderte ein wenig vor sich hin dümpelten. Dadurch entging die Gartenanlage zeitgeistigen Umgestaltungen und wurde lediglich von Zeit zu Zeit rekonstruiert. Das ist verworrenen Familien- und Machtkonstellationen zu verdanken, über die Sie bei einem Besuch auf Schloss Herrenhausen mehr erfahren können. Doch Achtung: Das klassizistische Schloss ist lange nicht so alt, wie es auf den ersten Blick wirkt. In der auto- und reisebusfreundlichen Stadt Hannover spielt die Stiftung einer großen deutschen Automarke eine entscheidende Rolle. In den Jahren 2011 bis 2013 wurde mit dessen Geld die Fassade des im Zweiten Weltkrieg völlig zerstörten Herrenhäuser Schlosses rekonstruiert, im Innern des durchaus etwas monumental wirkenden Baus sind Tagungsräume und ein Museum untergebracht, in welchem Sie sich über die Geschichte der Herrenhäuser Gärten und die Persönlichkeiten der Epochen informieren können. Hier begegnen Sie auch der guten alten Gartenliebhaberin Sophie wieder. Man entschied sich beim Wiederaufbau übrigens gegen die barocke Gebäudevariante aus dem 17. Jahrhundert, sondern orientierte sich am gut 80 Jahre zuvor zerbombten klassizistischem Bau.
Die Herrenhäuser Gärten und eine Fontäne, die alle Rekorde bricht
Nachdem die Stadt Hannover die Herrenhäuser Gärten im Jahr 1936 erworben hatte, ging es zunächst aufwärts. Der Krieg zerstörte zwar vieles, aber es ließ sich dennoch an die bedeutende Geschichte der gestalteten Parkanlage anknüpfen. Ein Schaugarten wurde gepflanzt und der Nutzgarten, welcher bei seiner Gründung einst eine bedeutende Rolle gespielt hatte, war nun nicht mehr gewünscht. Ein Irrgarten wurde angelegt; also ein von hohen Hecken gebildetes symmetrischen Labyrinth. Allerdings ist nicht klar, ob ein solcher Irrgarten auch schon zu Zeiten von Kurfürstin Sophie von Hannover existiert hat. Ein Augenmerk lag auch auf den Brunnen und Fontänen, die seinerzeit wirklich Geschichte geschrieben hatten. Die große Fontäne im südlichen Areal des Großen Gartens geht auf das Jahr 1700 zurück und dank eines Pumphauses in Kombination mit der Wasserkraft der durch Hannover fließenden Leine war es schon wenige Jahre nach Sophies Tod möglich, das feuchte Nass bis in Höhen von 35 Meter zu katapultieren. Das war damals europäischer Rekord an einem Hofe. Heutzutage steigt das Wasser aus der Düse sogar auf damals unerreichbare Höhen von 80 Metern auf. Wenn dann an einem warmen Sommertag der Wind durch die Anlage bläst, peitschen die Nebel der großen Fontäne quer durch den Großen Garten und zarte Regenbögen brechen sich in dem optisch wirksamen Wasserspiel. Einfach zauberhaft. Und ein schönes Fotomotiv außerdem!
Kunst in den Herrenhäuser Gärten
Der Große Garten war durch das Wirken von Kurfürstin Sophie von Hannover bereits im Jahr 1710 in seiner schönsten Blüte und auch kulturell auf höchstem Niveau. Auch eine künstlich angelegte Grotte gab es damals schon. In den letzten Jahrzehnten wurde sie künstlerisch umgestaltet. Viele kennen die grotesk bunten und formverzerrten Gestalten der französischen Künstlerin Niki de Saint Phalle (1930-2002). Die Bildhauerin und Malerin gestaltete in der Grotte Plastiken und Mosaike aus Gläsern und Spiegeln. Zur Zeit von Sophie waren die Herrenhäuser Gärten in etwa so groß wie die Hannoversche Altstadt. Gerade mal 10.000 Menschen lebten damals in der Stadt; heute hat die Landeshauptstadt von Niedersachsen weit über eine halbe Million Einwohner. Damals lag der Große Garten noch weit vor den Toren Hannovers; entlang des ehemaligen Überflutungsgebiets (Hannover liegt an der Leine) entstand der kostenfrei begehbare Georgengarten. Er verband einst das Schloss Herrenhausen über die Herrenhäuser Allee mit Hannover. Im Georgengarten ist das Wilhelm-Busch-Museum einen Ausflug wert. Der Georgengarten selbst ist über drei Brücken, welche über den sogenannten Graft führen, mit dem Großen Garten verbunden. Der Graft ist ein Wassergraben, der bereits bei Entstehung der barocken Gartenanlage angelegt wurde.
Ein Aquarium auf dem Gelände der Herrenhäuser Gärten
Bevor wir nun auf den eigentlichen Höhepunkt zu sprechen kommen, den Sie bei einer geplanten Busreise zu den Herrenhäuser Gärten erleben können, lassen wir uns zunächst noch auf die andere Seite der Herrenhäuser Straße treiben. Es geht ganz leicht hinauf, weshalb das dort angelegte Gelände wohl Berggarten heißt. Es ist ein großer botanischer Garten mit Wegen über ein Außengelände und gut sortierten Gewächshäusern. Wer Kontinente, Vegetationszonen und Pflanzenarten miteinander vergleichen möchte, kommt hier voll auf seine Kosten. Unmittelbar daneben grenzt das ehemalige Regenwaldhaus an. Es war allein nicht wirtschaftlich und wurde vor einigen Jahren zu einem großen Aquarium unter dem Namen Sealife umgestaltet. Das Tolle ist nun, dass das ehemalige tropische Haus mit fantastischen Gewächsen und kleinen Wasserfällen wie verschmolzen wirkt mit dem gigantischen Wasserbecken, welches durch einen spektakulären Unterwassertunnel begutachtet werden kann. Dann treiben direkt vor einem, über einem und um einen herum bunte Fische, Rochen, ein Hai und sogar eine Riesenschildkröte. Ein Erlebnis für Jung und Alt könnte man sagen; der gemächliche Große Garten einerseits, das abenteuerliche Sealife andererseits. Ob Sie dafür besser zwei Reisen nach Hannover organisieren oder beides an einem Tag unterbringen, bleibt Ihnen überlassen. Vielleicht kommen Sie aber ohnehin bald wieder zu den Herrenhäuser Gärten in Hannover, wenn ein wirkliches Spektakel auf Sie wartet.
Feuerwerk der Superlative in den Herrenhäuser Gärten
Das Spektakel, zu dem wir Ihnen eine Reise nach Hannover in die Herrenhäuser Gärten empfehlen, findet fünf Mal während eines Sommers statt. Und vielleicht war ja die Rekordleistung der großen Fontänen aus dem Großen Garten einst Inspiration für das bunte und glanzvolle Fest, welches wir Ihnen ans Herz legen möchten. Es sind die internationalen Feuerwerkswettbewerbe, die Hannoveraner, Zugezogene und Touristen begeistern. So wie die Springbrunnen während des Tages ihr Wasser in die Höhe schießen, so jagen kurz nach Dämmerung die Raketen einzeln oder in großen Gruppen fulminant dem dunkler werdenden Himmel entgegen. Dazu wird natürlich auch Musik gespielt; und wir versprechen, es ist nicht die oft gewohnte Händelsche Wassermusik, die normalerweise gegeben wird, wenn Brunnen auf Farben, wenn Wasser auf Licht trifft. Im Jahr 2024 werden Malaysia, Estland, Indien, Litauen und die Slowakei gegeneinander antreten. Und wir versichern Ihnen, jedes Land wird der Veranstaltung seine eigene Choreografie, seine eigenen Farben und somit seinen eigenen Stempel aus Licht aufdrücken. Jetzt müssen Sie sich nur noch entscheiden, zu welchem der Feste Sie anreisen; oder Sie machen es doch wie wir, kommen in der Neben- oder Wintersaison und lassen sich auf die dann sehr viel ruhigere Atmosphäre der Herrenhäuser Gärten ein.
Hinweise
Die Herrenhäuser Gärten liegen an der Herrenhäuser Straße 5 in 30419 Hannover. Wenn Sie Kontakt mit dem dazugehörigen Museum aufnehmen möchten, können Sie das unter der Rufnummer 0511-16849383. Auch die Internetseite informiert über die unregelmäßig stattfindenden Führungen.
Das Museum zu den Herrenhäuser Gärten hat in den Monaten April bis Oktober täglich von 11.00 Uhr bis 18.00 Uhr geöffnet; in der restlichen Zeit des Jahres donnerstags bis sonntags von 11.00 Uhr bis 16.00 Uhr. Die Schließzeiten des Großen Gartens ändern sich von Monat zu Monat. Von Mai bis August ist am längsten geöffnet: jeweils bis 20.00 Uhr. Ansonsten in der Regel ungefähr bis Sonnenuntergang; in den Wintermonaten wird um 16.30 Uhr geschlossen. An Weihnachten und am letzten Tag des Jahres sind die Gärten geschlossen; dafür laden sie am Neujahrstag zwischen 11.00 Uhr und 16.00 Uhr zu einem Neujahrsspaziergang ein.
Der Eintritt für den Großen Garten beträgt in den Sommermonaten 8 € (ermäßigt 7 €), in der Wintersaison 6 € (ermäßigt 5 €). Gruppen ab 15 Personen zahlen im Sommer 7 € pro Person und im Winter 5 € pro Person. Der Busparkplatz ist für die Reisegruppe übrigens kostenfrei (anders als für PKW) und heißt Besucherparkplatz am Georgengarten / Großen Garten.
Richtig sparen können Sie als Teilnehmer einer Reisebusgruppe, wenn Sie sich neben dem Besuch der Herrenhäuser Gärten auch für einen Besuch im Regenwald-Aquarium Sealife entscheiden. Die Kombitickets kosten für Gruppenreisende (ab 10 Personen) ganzjährig 14,50 €.
Gastronomisch geht es in der Schlossküche Herrenhausen auf dem Gelände des Großen Gartens etwas nobler zu als im familienfreundlichen Snackbereich von Sealife.
Lesenswert
Ein aufwendig bebildertes Taschenbuch zum Preis von 19,90 € ist Herrenhäuser Gärten: Großer Garten. Hier haben sich ein Fotograf und eine Fachjournalistin für den Bereich Garten, Natur und Lebensart zusammengetan. Das gemeinsame Ergebnis ist eine schöne Erinnerung an den Ausflug; oder die ideale Vorbereitung.