Im hohen Norden gibt es seltsame Vögel zu beobachten, die Löffel und Säbel mit sich herumtragen. Mit einem Fernglas können Sie am quirligen Leben von Kiebitzen und Wiesenpiepern teilhaben. Oder Sie lauschen einfach dem Schnattern der Zugvögel im Herbst. Im Katinger Watt in Nordfriesland hat jede Jahreszeit ihre Besonderheit. Schleswig-Holstein hinter dem Deich erleben können Sie am besten bei einem Ausflug mit dem Reisebus auf die Halbinsel Eiderstedt.
Laut schnattert es von draußen. Wir versuchen durch die Schlitze der Beobachtungshütte zu spähen und sind erfolgreich: Graugänse ziehen in großer Formation über den Himmel. Das hat die Eiderenten aufgeschreckt, die nun ebenfalls aufgeregt zum Himmel schauen. Die fühlen sich natürlich schon wegen ihrer Namensverwandtschaft hier auf der Halbinsel Eiderstedt in Nordfriesland sehr heimisch. Wurde das Land hier nach den Enten benannt oder die Enten nach dem Land?, geht es uns kurz durch den Kopf. Wie auch immer, die hervorragend schwimmende Meeresente tummelt sich eigentlich vor den Küsten Skandinaviens oder in arktischen Gebieten, kommt aber in kleinen Populationen auch an der Nordseeküste vor. Auch ein paar Limikolen (so der Oberbegriff für eine ganze Gruppe im Watt vorkommender Watvögel) stelzen herum und präsentieren ihre schicken roten Schenkel. Strandläufer und Schnepfenvögel gehören dazu, oft mit markanten Schnabelformen und langen Beinen, mit denen man auch ansprechend durch das niedrige Wasser stolzieren kann. Es ist aufregend und gar nicht so ruhig, wie wir uns das vorgestellt haben bei der Vogelbeobachtung. Es ist einiges los im Watt; vielleicht haben wir eine gute Uhrzeit erwischt, es ist bereits leichte Abenddämmerung.
Das Katinger Watt und seine Entstehung
Jetzt haben wir uns direkt ins Getümmel gestürzt, möchte man meinen. Aber in Wirklichkeit geht es natürlich durchaus ruhig zu im Vogelschutzgebiet Katinger Watt. Es ist ein Naturraum, der seine Existenz einem Bauwerk zu verdanken hat, das Geschichte geschrieben hat und gleich nebenan liegt: Das Eidersperrwerk, welches den Wasseraustausch zwischen Eider und Nordsee reguliert (Stichwort: Sturmflutschutz!), wurde in den 70-er Jahren errichtet. Das hat das Ökosystem, welches wir heute bei unserm Ausflug in den großräumigen schleswig-holsteinischen Nationalpark Wattenmeer besuchen, erst ermöglicht. Allerdings ist das ein wenig zu positiv ausgedrückt. Erst einmal hat der Bau die Strömungsbedingungen und Überflutungszeiten im Hinterland (also in dem Teil, der über Jahrhunderte nur unzureichend vor den Fluten geschützt war) stark verändert. Die für die Region typischen Salzwiesen sind sehr geschrumpft, das Watt fiel trocken und die nun noch immer teilweise feuchten Marschgebiete müssen künstlich durch Flutungen geschwemmt werden, damit nicht letztlich überall hinterm Deich Wald entsteht. Inzwischen teilt sich die Region in ein Drittel Waldgebiet, ein Drittel landwirtschaftlich genutzte Fläche und ein Drittel für das Marschland typische Feuchtwiesen auf. Es gehört zur Gemeinde Tönning, die weiter landeinwärts an der Eider liegt.
Vogelbeobachtung im Katinger Watt
Es gibt mindestens zwei Orte im 1500 Hektar großen Katinger Watt, die es zu besuchen lohnt. Und die haben natürlich mit Vogelbeobachtung zu tun. Zum einen gibt es in der Nähe des NABU Naturzentrums Katinger Watt einen Pfad, der über Wiesen in wenigen Minuten zu einigen Holzhütten führt. Das sind professionelle Vogelbeobachtungsposten mit schmalen hölzernen Luken, die aufgeschoben werden, um mit Ferngläsern und Kameras herauszuschauen. Dabei soll die Störung der Vogelwelt möglichst gering gehalten werden. Schon der Weg über die Wiesen ist teilweise eingedeicht; das hat hier nicht nur mit Überflutungsschutz zu tun, sondern macht unsichtbar. Hinter den mannshohen Deichen kann man zu den Beobachtungshütten im Katinger Watt laufen, ohne von den Vögeln auf den Gewässern bemerkt zu werden; zumindest wenn Sie sich bei diesem kleinen Naturspaziergang ruhig verhalten. Es sind drei Hütten an der Zahl, die alle in verschiedene Himmelsrichtungen und auf somit andere Flächen des umgebenden Sees ausgerichtet sind, der sich hier direkt hinter Deich und Landstraße gebildet hat.
Der Aussichtsturm im Katinger Watt
Zu einem weiteren lohnenswerten Ziel im Katinger Watt gelangen Sie am besten, wenn Sie sich etwa zwei Kilometer nördlich des Parkplatzes am Eidersperrwerk an der Landstraße L305 rauswerfen lassen. Hier besteht ebenfalls eine Möglichkeit zum Parken, aber eben nicht für einen Reisebus. Den können Sie dann ganz bequem beim gerade erwähnten Parkplatz am Eidersperrwerk abstellen. Währenddessen können sich die Ausflügler über eine weitestgehend trockene Wiese auf den Weg zu einem Aussichtsturm machen. Der liegt nur wenige hundert Meter von der Landstraße entfernt und von ihm aus lässt es sich über die Eidermündung, auf das Eidersperrwerk, das Meer und das Katinger Watt schauen. Wann bekommt man schon mal so viele verschiedene Perspektiven von einem Aussichtsturm geboten? Und mit besonderem Glück können Sie vielleicht sogar einen Seeadler beobachten; auch von denen leben noch einige wenige Paare hier in der Gegend. Ansonsten gibt es je nach Saison ziehende Gänse zu bestaunen oder ortsansässige Wat- und Wiesenvögel zu beobachten. Letztere lieben dieses offene Brachland mit Zugang zu feuchten Wiesen. Durch Mähen von Schafen und Menschenhand wird dieser Naturraum so erhalten, dass er optimale Bedingungen für die hier alteingesessenen Vogelarten bietet. Als zusätzliche Ausgleichflächen (beim Bau des Eidersperrwerkes) wurde sogar auf der anderen Seite der Eidermündung das Dithmarscher Eiderwatt ebenfalls unter Naturschutz gestellt.
Die Vegetation im Katinger Watt – Anpassungen an kraftzehrende Umstände
Erwähnung finden soll hier kurz auch die Pflanzenwelt. Aufgrund der zunehmend weniger salzhaltigen Landschaft gedeihen hier inzwischen Orchideenarten, die mit ihrer Zartheit und ihren Blütenfarben begeistern. Als Knabenkraut werden sie landläufig auch bezeichnet. Es gibt Weiß-, Rot- und Wundklee, Ackerschachtelhalme, Malven und Pflanzen mit schönem Namen wie Klappertopf und Natternkopf. Im sogenannten Brackwasser, also dem Mischwasser aus dem Süßwasser der Eidermündung und dem salzigen Meereswasser, gibt es besonders angepasste Vegetation. Da Brackwasser einen Salzgehalt von 0,1% bis 1% hat, ist die Gefahr groß, dass das Brackwasser den Pflanzen ihr Wasser entzieht. Bei einem Prozess, den man Osmose nennt, zieht es das Wasser auch gegen große Widerstände (beispielsweise durch eine Zellmembran hindurch) zum Ort der höheren Teilchenkonzentration; in unserem Fall dorthin, wo die Salzkonzentration höher ist. Daher brauchen Pflanzen, die in einer solchen Umgebung leben wollen, bestimmte Tricks. Beispielsweise lagern sie selbst Salze ein in dickfleischigen alten Blättern; damit haben sie bessere Karten im Tauziehen um das Lebenselixier Wasser. Der Stranddreizack verwendet diese Methode. Oder die Salzregulation erfolgt über spezielle Salzdrüsen auf der Blattoberseite wie beim Schlickgras. Das alles kostet die Vegetation viel Kraft; das ist ein Grund, warum sie oft langsam wächst und dadurch auch besonders schützenswert ist. Über diese Spezialisierungen können Sie auch einiges im NABU Naturzentrum Katinger Watt erfahren. Während der Saison von April bis Oktober hat es täglich von 11.00 Uhr bis 17.00 Uhr geöffnet. Aber auch in den anderen Monaten des Jahres können Sie sich als Reisegruppe nach telefonischer Vereinbarung einen Termin geben lassen, an dem das Ausstellungsgebäude für Sie geöffnet wird und Sie viel Wissenswertes über das Katinger Watt erfahren.
Die Vogelwelt im Katinger Watt – ein vielfältiges Miteinander
Und wenn Sie wirklich zur Vogelbeobachtung ins Katinger Watt gekommen sind, dann verraten wir Ihnen noch, dass es neben der Löffelente mit ihrer zum Löffeln praktischen Schnabelform und der schon erwähnten Eiderente noch weitere Entenarten zu beobachten gibt: Reiherenten, Tafelenten, Krickenten und die Enten mit den lautmalerischen Namen Pfeifente und Knäkente leben hier. Aber natürlich gibt es auch zahlreiche Rallenarten. Die bekannten Blässhühner gehören dazu, die es lieben, in riesigen Gruppen zusammen zu sein. Aber auch eher zurückgezogene Einzelgänger leben im Katinger Watt. Oft können sie nicht besonders gut fliegen und für Ruhephasen verstecken sie sich gerne zwischen dichter Vegetation. Es gibt Lerchen, Kiebitze und Wiesenpieper. Auch die Rohrsängerarten mögen den Übergang von Wasser zu Feuchtwiese. Ein ganzer Kosmos an Vögeln bevölkert das Katinger Watt. In einer Welt zwischen Fluss und Meer fühlen sich auch die Möwen wohl, deren Rufen ebenso vertraut ist wie das Schnattern der Graugänse und Nilgänse. Und wenn Sie sich nicht ganz so sehr für Vögel interessieren, können Sie bei unserem heutigen Ausflug dennoch wunderbar die Ruhe und Natur genießen. Oder Sie lassen sich in der Watten Meerbar nieder; die liegt mitten im Naturschutzgebiet Katinger Watt, ist aber mit einem etwa halbstündigen Spaziergang vom Busparkplatz am Eidersperrwerk gut zu erreichen. Belohnt werden Sie mit Forellenfilet, Lachs oder Friesischer Zwiebelsuppe. Auf dem Weg dorthin kommen Sie außerdem noch am Fischbistro Katinger Watt vorbei; das liegt direkt an der Landstraße, von der aus Sie in Richtung Watten Meerbar abbiegen können. Sie haben also die freie Auswahl. Die frische Meeresluft sollte Ihnen auf jeden Fall Appetit gemacht haben, auch wenn wir uns heute vor allem der Welt hinter dem Deich gewidmet haben.
Hinweise
Das Katinger Watt liegt am südlichen Ende der Halbinsel Eiderstedt. Hier mündet die Eider in die Nordsee und wird dabei vom Eidersperrwerk reguliert. Von der A23 aus Richtung Hamburg kommend nehmen Sie am besten die Ausfahrt Heide-West und fahren dann über Wöhrden, Wesselburen, Wesselburenkoog und das Eidersperrwerk bis zum Katinger Watt. Das NABU Naturzentrum hat die Adresse Katingsiel, 25832 Tönning.
Das NABU Naturzentrum Katinger Watt ist unter der Rufnummer 04862-8004 und über die E-Mail-Adresse katinger.watt@nabu-sh.de erreichbar. Auf diesem Weg können Sie auch Besuchstermine außerhalb der Saison von April bis Oktober vereinbaren.
Die Watten Meerbar liegt am Katinger Watt 3 in 25832 Tönning. Tischreservierungen erfolgen per E-Mail über moin@wattenmeerbar.de oder über die Telefonnummer 0151-53243245.
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Ein vogelkundliches Bestimmungsbuch mitzunehmen kann nicht verkehrt sein; schließlich ist einiges los in Nordfriesland hinterm Deich.