Wissen Sie, wie man eine Windmühle transportiert? Oder wie man einen Wehrturm kurzerhand um zwei Drittel seiner Größe einkürzt? Antworten bringt unsere Busreise in das Thüringer Becken zwischen dem Eichsfelder Land, dem Harz, dem ostthüringischen Schiefergebirge und dem Thüringer Wald.
Gut 20 Kilometer westlich von Erfurt liegt Ballstädt, eine nicht einmal 1000 Seelen fassende Gemeinde, die eine denkmalgeschützte technische Sehenswürdigkeit aufzuweisen hat. Natürlich gibt es zahlreiche Bockwindmühlen in Thüringen, aber so schön gelegen am Fuße der Fahner Höhe ist die Bockwindmühle Ballstädt doch etwas Besonderes. Außerdem stand sie nicht immer hier. Sie wurde 1834 in Niedersachsen gebaut und erst 1933 an ihren heutigen Standort gebracht. Ob auf Schienen, mit Pferdefuhrwerken oder vom Winde verweht konnte nicht sicher in Erfahrung gebracht werden. Aber für gewöhnlich wurde in damaligen Zeiten ein solcher Mühlentyp in seine Einzelteile zerlegt und auf Fuhrwerken zum Zielort transportiert. Besonderes Augenmerk lag dabei auf dem Transport der Mühlsteine, die ein enormes Gewicht auf die Waage bringen können. Bis zum 100-jährigen Bestehen am jetzigen Standort in Thüringen sind es zwar noch ein paar Jahre hin, dennoch erfreut sich die Bockwindmühle Ballstädt schon jetzt einer großen touristischen Beliebtheit. Auch wir empfehlen sie für einen Ausflug mit dem Reisebus. Zumal sie nicht nur traditionell am Deutschen Mühlentag (am Pfingstmontag) und am Tag des offenen Denkmals (jeweils der zweite Sonntag im September) zu besichtigen ist, sondern für Gruppen ab 10 Personen auf auch Anfrage. Natürlich eignet sich dafür insbesondere das Wochenende, wenn von April bis Oktober von 13.30 Uhr bis 18.00 Uhr das unmittelbar benachbarte Café in der Mühle Ballstädt geöffnet hat. Hier bekommen Sie guten Kaffee und leckeren Kuchen. Es ist nicht die einzige ehemalige Mühle, denn hier fließt die Tonna entlang. Sie ist ein schmaler Bach, der auch schon an der Bockwindmühle vorbeikommt und weiter nördlich noch eine ehemalige Ölmühle und das Dorf Burgtonna passiert, bevor sie 10 Kilometer weiter nördlich in die wesentlich breitere Unstrut mündet. Die kommt aus dem Saale-Unstrut-Gebiet, zu dem es sich lohnt, mal für eine Verköstigung von Weißweinen zu reisen. Aber das ist für unseren heutigen Ausflug mit dem Reisebus doch ein wenig zu weit.
Das Rittergut Ballstädt
Wenn Sie mit dem Reisebus ins Thüringer Becken zur Ballstädter Mühle kommen, interessiert es Sie sicherlich auch wie das etwa einen Kilometer südlich gelegene Ballstädt ausschaut. Dahin können Sie ziemlich barrierefrei über einen geraden Feldweg gelangen. Eine Sehenswürdigkeit des Ortes, der ein Wassermühlrad im Wappen führt, ist die St. Petri Kirche. Sie ist zwar noch nicht ganz so alt wie Ballstädt selbst (Ersterwähnung im Jahr 1143), aber doch reichen ihre Anfänge bis in das späte 15. Jahrhundert zurück. Seit 1855 ist die quaderförmige Kirche mit sehr spitz zulaufendem Dach mit einer Turmuhr versehen. Damit wurde dem Ort der Takt vorgegeben – für die Landwirtschaft, die dem existierenden Rittergut zuarbeitete, ebenso wie für die zahlreichen Kirchgänge, die insbesondere auf dem Lande üblich waren. Das Rittergut, das 1945 enteignet wurde und unter der Führung der LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft der Deutschen Demokratischen Republik) zunehmens verfiel, wurde letztlich abgerissen. Auf den Grundmauern wurden später einige Gebäude wieder errichtet. So das ehemalige Taubenhaus im Fachwerkstil. Aber lassen Sie sich nicht täuschen, das Gebäude ist keine zwanzig Jahre alt. Schön anzuschauen ist es dennoch mit seinem angelegten rekonstruierten Teich und dem parkähnlichen kleinen Gelände. Es liegt nahe der Kirche Sankt Petri und ist unbedingt einen Blick wert, wenn Sie sich die Ortschaft anschauen.
Die Fahner Höhe – bewaldeter Inselberg bei Ballstädt
Wenn Sie gut zu Fuß sind, können Sie von der Bockwindmühle Ballstädt aus gemeinsam mit dem Westwind in Richtung Osten halten; ein sanfter Anstieg bringt Sie in den Wald. Er ist Teil eines Höhenzuges aus Muschelkalk; ein Inselberg, der sich leicht über das Thüringer Becken erhebt. Anders als im Ort, in dem viele Bäume in den letzten Jahrzehnten gefällt wurden, um Bauholz und Brennholz zu gewinnen, laufen Sie hier durch einen ausgedehnten Forst, die sogenannte Fahner Höhe. Das insgesamt über 20 Quadratkilometer große Gebiet lädt insbesondere im Sommer zu erfrischenden Spaziergängen ein; das dichte Blätterdach der Eichen und Buchen bietet eine angenehme Kühle. Wanderwege durchkreuzen das Areal, Schwertlilien und Eisenhut wachsen hier. Es ist mitunter feucht, da die Westwinde nasse Wolken mitbringen, die sich am Hang abregnen. Abwechslungsreich ist es in jedem Fall hier oben, auch einen Gratweg gibt es, der die Fahner Höhe auf einer Länge von etwa 8 Kilometern durchmisst.
Die Bienstädter Warte am Rande der Fahner Höhe
Wir wollen Ihnen nicht vorenthalten, dass es auf der anderen Seite der Fahner Höhe in Richtung Erfurt eine weitere Sehenswürdigkeit zu besichtigen gibt. Dafür sollten Sie sich mit dem Reisebus allerdings an den südöstlichen Rand des Forstes begeben. Über die Landstraße L 1044 erreichen Sie die Ortschaft Bienstädt. Am Waldrand gibt es eigens einen Parkplatz für die Bienstädter Warte. Wenn Sie hier aussteigen, begegnen Ihnen als Erstes wieder Fotovoltaikanlagen. Die Kraft der Sonne ergänzt hier erneut die historische Wind- und Wasserkraft. Passend übrigens, da sich der Name Ballstädt vom germanischen Gott des Sonnenlichtes ableitet, von Balder. Aber deswegen sind wir nicht hier – wir suchen die Bienstädter Warte. Der ursprünglich 18 Meter hohe Turm war Teil der äußersten Befestigungsanlage der Stadt Erfurt. Heute ist er nur noch 6 Meter hoch, aber er schmiegt sich gelungen in die ihn umgebende Landschaft ein und erinnert mit seiner über 600-jährigen Geschichte an die Beständigkeit und das Vergehen zugleich. Im Wehrturm (einst waren es 16 Stück) gab es damals eine Wohnung für den Turmwart. Zurechtgestutzt wurde das Bauwerk, weil nach einem Brand im 18. Jahrhundert im nahegelegenen Bienstädt die Baumaterialien für den Wiederaufbau knapp wurden. Da langte man zu, wo es eben ging – ein Geschenk für die Besucher aus nah und fern, dass ein Teil der geschichtsträchtigen Warte erhalten blieb.
Hinweise
Ballstädt liegt zwischen Gotha und Bad Langensalza an der B247
Die Bockwindmühle Ballstädt liegt am Mühlenweg 5 in 99869 Ballstädt Nessetal
Für Gruppenführungen können Sie sich an den Förderverein Bockwindmühle Ballstädt e.V. wenden. Ihn erreichen Sie unter der Telefonnummer 0170-7328447 Alternativ können Sie eine E-Mail an wbreithaupt@gmx.de senden.
Das Café bei der Bockwindmühle Ballstädt erreichen Sie unter der Telefonnummer 036255 989593 Die Postadresse lautet ebenfalls: Mühlenweg 5 in 99869 Ballstädt Nessetal
Die Sankt Petri Kirche finden Sie in der Rittergasse 24-27 in 99869 Ballstädt Nessetal; daneben finden Sie das ehemalige Rittergut mit dem wiedererrichteten Taubenhaus auch Fachwerk
Die Bienstädter Warte finden Sie am Waldesrand nördlich von Bienstädt an der L 1044 in 99100 Bienstädt
Lesenswert
Die Kleine Mühlenkunde bietet im Taschenbuchformat einen Überblick Über Deutsche Technikgeschichte vom Reibstein bis zur Industriemühle. Erhältlich für 20 € und informativ.