Der Westen von Dresden lockt mit einem Schloss und mit Industriekultur. Hier hat August der Starke gefeiert, es wurden Dampflokomotiven entworfen und Dampfschiffe gebaut. Napoleons Truppen waren hier und später die KPD. Die Nazis, die Sowjets und die Treuhand. Ein Ort im ewigen Wandel – und im Sommer gibt es eine tolle Schankwirtschaft!
Ein besonderes Erlebnis ist es, sich dem Schloss Übigau über den Elbuferweg anzunähern. Dafür parken Sie Ihren Reisebus am besten auf dem Besucherparkplatz des Ballhauses Watzke. Dort gab es schon im späten 18. Jahrhundert eine Bauernschenke und auch heute können Sie dort Bier verköstigen, Schweinshaxe speisen oder an einer Brauhausführung teilnehmen. Darüber informieren Sie sich am besten mit unserem Artikel über die Leipziger Straße in Dresden. Heute soll der Ort lediglich als Ausgangspunkt dienen, um sich auf die Spuren von Kettendampfschiffen, Dampflokomotiven und Werftkränen zu begeben. Aber der Reihe nach. Wir folgen dem in Dresden Pieschen beginnenden Elbuferweg in südwestlicher Richtung und lassen unseren Blick über den Fluss schweifen, der sich an dieser Stelle in einer großen Schleife um das sogenannte Ostragehege windet. Fast wie eine Insel wirkt das ehemalige Auwaldareal, auf dem heute die Messe Dresden steht und das nach Süden hin durch einen Binnenschifffahrtshafen begrenzt wird.
Industriedenkmal am Schloss Übigau
Wenn die Elbwiese langsam schmal wird und die steinernen Hochwasserschutzmauern beginnen, sind wir in Dresden Alt-Mickten angekommen. Es begrüßt uns am Ufer die Lindenschänke; leider muss das traditionsreiche Gasthaus zum Jahresende 2022 schließen. Der Uferweg, der sich hier weiter fortsetzt, ist nicht unbedingt barrierefrei zu nennen. Über schwere Steinplatten hinweg geht es zwischen Uferböschung und Hochwasserschutzmauer weiter flussabwärts. Vor Jahrhunderten wurde hier in Gegenrichtung noch getreidelt; das bedeutet, es wurden Elbschiffe von Hand und mit Pferden flussaufwärts manövriert. Das wurde erst überflüssig, als sich in der Stadt der Künste, Ingenieure und Architekten die Kettenschifffahrt durchsetzte. Dabei wurden zahlreiche Transportschiffe hintereinander entlang einer in der Elbe verlegten Eisenkette von einem dampfbetriebenen Schlepper flussauf- und flussabgezogen. Waghalsige Binnenschifffahrtsmanöver vor 150 Jahren. Und tatsächlich kommt hier auch das Schloss Übigau ins Spiel. Das wurde nämlich von einer 1877 gegründeten Binnenwerft übernommen. Die Deutsche Elbschifffahrtsgesellschaft hieß passenderweise einfach Kette. Aus dieser Zeit stammt auch der große Drehkran, den wir schon von Weitem sehen und der heute als gepflegtes Industriedenkmal in recht guter Verfassung wirkt.
Schloss Übigau – alles unter Dampf!
Arbeiten wir uns weiter in der Zeit zurück. Der aufmerksame Besucher entdeckt vielleicht beim Gang entlang der Mauern des schönen alten Stadtteils Altübigau eine Infotafel, die nicht nur auf die Kettendampfschifffahrt verweist, sondern auch auf die erste außerhalb von Großbritannien erbaute Dampflokomotive. Die Saxonia wurde 1836 hier gebaut und entwickelt, als das Schloss noch zur Maschinenbauanstalt Übigau gehörte. Die Angelsachsen haben bekanntlich die Dampfmaschine erfunden und schon 1765 verhalf ihr James Watt zu einem richtigen Durchbruch. Aber auch auf dem Festland Europas wurde nicht geschlafen. Und so dauerte es nicht lange und da fuhr neben der Dampflock Saxonia auch ein Personendampfschiff die Elbe hoch und runter. Dieser Tradition verdankt Dresden vielleicht auch heute noch seine Liebe zu historischen Schaufelraddampfern. Eine Fahrt damit ist es sicherlich wert, den Reisebus ausnahmsweise auch mal eine Weile stehen zu lassen.
Die Geschichte von Schloss Übigau
Begonnen haben Schlösser allerdings selten als Planungsbüros und Fabriken. Sie sollten stets dem Lustwandeln der Reichen und Mächtigen dienen. Das waren im Sachsen des 18. Jahrhunderts alle Personen, die im weitesten Sinne zum kurfürstlichen Hof von August dem Starken gehörten. Dieser erwarb das in den zwanziger Jahren des 18. Jahrhunderts in Rekordzeit von nur zwei Jahren erbaute Schloss Übigau und wollte noch weitreichende Veränderungen umsetzen. Durch einen der Meister der Dresdener Barockarchitektur: durch Zacharias Longuelune. Dazu kam es nicht mehr. Ähnlich wie beim Bau des Japanischen Palais zwischen Marienbrücke und Augustusbrücke sollten einige Werke unvollendet bleiben. Was aber noch zu Lebzeiten funktionierte, war der fürstliche Gondelbetrieb zu Wasser. Vom Schloss Übigau ging es zum Haltepunkt Japanisches Palais, dann weiter zur Dresdener Altstadt mit ihrem Residenzschloss und ihren vielen barocken Palästen. Von dort wurde der Hofstaat dann zum Wasserpalais am Schloss Pillnitz gebracht – auch Letzteres ist unbedingt einen eigenen Ausflug mit dem Reisebus wert; liegt es doch einige Kilometer stromaufwärts von Dresden. Das Schloss Übigau diente vor allem als Treffpunkt für Feste und als Jagdschloss, wenn von hier aus in die Dresdener Heide geritten wurde. Zum Ende des 18. Jahrhunderts ging auch diese Epoche vorbei. Spätestens durch die Soldaten Napoleons 1813 wurde das Schloss seines Glanzes beraubt. Vieles wurde geplündert oder zerstört.
Getrunken wird immer – auch auf Schloss Übigau!
Wir haben für Sie noch eine schöne Kontinuität von Schloss Übigau herausgearbeitet. Und falls Sie in den Sommermonaten in Dresden Altübigau vorbeischauen sollten, verstehen Sie sofort den Zusammenhang. Parallel zum seit 2019 betriebenen Sommertheater im Schlossgarten gibt es nämlich eine Sommerwirtschaft. Bier und Brezel mit Blick auf die Elbe könnte man das Konzept zusammenfassen. Und dass das nicht das Schlechteste ist, wusste man bereits vor fast 250 Jahren. Im Jahr 2023 gibt es das Jubiläum, welches an das Jahr 1773 erinnert. Nachdem der kurfürstliche Hof dem Schloss langsam den Rücken zuwendete (es wurde immer weniger genutzt) eröffneten pfiffige Hofgärtner eine Schankwirtschaft im Schlossgarten. Zur Zeit der Völkerschlacht war natürlich Schluss damit, aber auch von 1886-1921 wurde hier erneut die Schloßschänke Übigau betrieben – abermals zur großen Freude der Anwohner. Auch heute noch ein beschaulicher Ort, wenn man die in direkter Umgebung des Schloss Übigau entstandenen Industriebauten ignoriert und sich in das fast pittoreske Altübigau begibt. Dass auch heute wieder eine Sommerwirtschaft das Besucherherz höher schlagen lässt, ist alles andere als selbstverständlich. Schließlich hat auch das Schloss Übigau einen wilden Galopp durch das 20. Jahrhundert hinter sich gebracht. Arbeitersport und KPD-Treff in den 30er Jahren, Enteignung durch die Nationalsozialisten, Bombardierung Dresdens, erneute Enteignung, Umnutzung als Volkseigener Betrieb Dampfkesselbau Übigau und schließlich Leerstand, Treuhand, leere Versprechungen, verworfene Pläne, Kämpfe für den Erhalt. Am vorläufigen Ende dieser Geschichte sind wir nun angelangt. Und so können wir diesen reizenden Ort an der Elbe bei einem Besuch in Dresden erleben und sind sehr gespannt, wie die Entwicklung weitergeht!
Hinweise
Das Elbschloss Übigau finden Sie an der Rethelstraße 47 in 01139 Dresden. Sie können sich auch im Vorfeld an die E-Mailadresse www.elbschloss-uebigau.de wenden, wenn Sie erfahren möchten, ob der Biergarten gerade geöffnet hat oder wann der nächste Theaterabend ansteht. Tickets bei dem von der Comödie Dresden betriebenen Spielstätte bekommen Sie unter der Reservierungsnummer 0351-866410
Der Busparkplatz am Ballhaus Watzke finden Sie in der Kötzschenbroder Str. 1. Am besten Sie verbinden den Aufenthalt gleich mit einem gutbürgerlichen Essen in der Traditionsgaststätte.
Lesenswert
Vom Autor Jürgen Nauman stammt das Bändchen Ein historischer Spaziergang zwischen Alt-Mickten und Übigau. Daran haben Sie bestimmt Ihre Freude auf dem Ausflug. Es bietet noch zahlreiche weitere interessante Fakten und Geschichten zur Industriekultur und ergänzt unseren Artikel ganz hervorragend.