Wo feierten August der Starke und seine Mätresse Gräfin Cosel ausgelassene Winzerfeste? Wo gibt es die steilsten Winzertreppen und besten Hanglagen? Alle die Antworten finden wir in Radebeul.
Wir besuchen das Sächsische Weinbaumuseum im Lustschloss und wir steigen hinauf zum Spitzhaus mit seinem fulminanten Ausblick.
Die Zeit vergeht immer langsam, wenn man durch Weinberge schlendert. Vielleicht ist man gerade auf dem Weg zu einem Restaurant oder einer Besenwirtschaft, in der ein Glas Spätburgunder gereicht wird. Schließlich gibt es sogar Rotwein an der Elbe. Oder es ist die Vorfreude auf einen leichten Weißwein mit Flammkuchen und sächsischer Küche. Jedenfalls führt uns unser heutiger Ausflug mit dem Reisebus in eines der Zentren des Weingenusses, nach Radebeul bei Dresden. Wir besuchen das Sächsische Weinbaumuseum auf Hoflößnitz und erklimmen die im frühen 18. Jahrhundert vom Dresdener Barockarchitekten Matthäus Pöppelmann (1662-1736) entworfene und zwei Jahrzehnte später umgesetzte Jahrestreppe. Vorbei am Bismarckturm gelangen wir zum bekannten Spitzhaus. Das kupfergedeckte Gebäude mit Zeltdachbau ist weithin ins Elbtal sichtbar und thront über den rebenbewachsenen Hängen von Radebeul. Das ehemalige Ferienheim einer Feinstrumpffabrik (zu DDR-Zeiten wurden die fürstlichen und königlichen Perlen oft der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt) sieht natürlich absolut nicht nach einer Unterkunft für erholungsbedürftige Werksarbeiter aus. Ein Bau, der zunächst von einem Verehrer der Gräfin Cosel (1680-1765) geschenkt worden war (diese gab es als Mätresse von August dem Starken sogleich an diesen weiter), strahlt natürlich von Eleganz und einer Architektur, wie sie damals zu Hofe üblich war. Der Wandel der Zeit machte aus einem kleinen quadratischen Weinberghaus im Spätrenaissancestil ein von Rundbogenfenstern geprägtes Baudenkmal mit Anbauten und dem charakteristischen Türmchen, das an eine Kapelle erinnert. Da es tatsächlich der Schlosskapelle der Moritzburg ähnelt, ist der Architekt vermutlich Wolf Caspar von Klengel (1630-1691). Auch den Hausmannsturm des Residenzschlosses in Dresden hat er in ähnlichem Stil abändern und erhöhen lassen.
Das Spitzhaus wird zum Ausflugslokal
Dass hier oben über den Elbhängen von Radebeul überhaupt ein Restaurant mit großer Aussichtsterrasse entstehen konnte, ist eigentlich einer Katastrophe zu verdanken. Die Reblaus war Ende des 19. Jahrhunderts eine große Plage in Radebeul. Das hatte so gravierende Auswirkungen, dass der Sächsische Hof vor dem Weinanbau kapitulierte und das Spitzhaus im Jahr 1889 versteigerte. Mit Schankerlaubnis für ein Ausflugslokal wurde einem florierenden Geschäft der Weg geebnet. Es war nur eine Frage der Zeit, bis weiter investiert und gebaut wurde. Die Gebäudeflügel mit den Erkertürmchen entstanden, auch eine verglaste Veranda wurde gebaut. Sozusagen der Vorläufer des heutigen großen Freisitzes, der mittwochs bis sonntags gastronomisch für Sie aufwartet. Natürlich können Sie auch als größere Gruppe reservieren. Wenn Sie in den Abendstunden kommen, hat es ein ganz besonders fürstliches Flair, wenn man hinunter in die Weinhänge und in die flirrenden Lichter des nicht allzu fernen Dresden schaut.
Der schönste Weg zum Spitzhaus führt über die Spitzhaustreppe
Aber bevor wir zum Spitzhaus gelangen, steht der steile lange Anstieg vom 100 Meter talwärts gelegenem Hoflößnitz bevor. Die Jahrestreppe hat inzwischen allerdings 397 Stufen und nicht wie ursprünglich geplant 365. Alle sieben Stufen gibt es entsprechend den Wochentagen einen Absatz und eine Möglichkeit zum Durchschnaufen. Barrierefrei ist der Spaß leider nicht zu haben; dennoch können wir uns glücklich schätzen, dass wir nicht wie die Teilnehmer des jährlich stattfindenden Treppenmarathons sage und schreibe einhundert Mal die Treppen hinauf und wieder herunter müssen. Nicht umsonst heißt dieser Sisyphossport Sächsischer Mount Everest Spitzhaustreppenlauf. 8.848 Höhenmeter gilt es zu bewältigen, will man die Leistungsschau bestehen. Wir genießen stattdessen die Ruhe, den Blick auf die Reben und die Fernsicht. Teilweise ist hier Meißner Granit verbaut und der Weg führt entlang des Weingutes Goldener Wagen. Schon August der Starke (1670-1733) hat hier höfische Winzerfeste veranstaltet. Auf Höhe des Spitzhauses gibt es auch noch einen Bismarckturm. Ein kleines Monument aus Stein, von dem es zahlreiche in Deutschland gibt.
Vor dem Aufstieg zu Spitzhaus wartet das Sächsische Weinbaumuseum auf Hoflößnitz
Weiter unten im Tal liegt der Ausgangspunkt unserer kleinen Tour. Hoflößnitz ist der ehemalige kurfürstliche Landsitz des Wettiner Adelsgeschlechtes, deren Erbfolge auf dem Fürstenzug in der Dresdener Altstadt verewigt ist. Auf 850 Jahre Weinbautradition blickt dieser Ort zurück. Nicht ohne Stolz zeigt sich hier das Sächsische Weinbaumuseum, welches Sie auch im Rahmen einer Führung mit oder ohne Weinverköstigung erleben können. Dafür wenden Sie sich direkt mit einer E-Mail an info@hofloessnitz.de oder rufen einfach unter der Dresdener Rufnummer 0351-8398333 durch. Die Führungen, bei denen Ihnen auch das gesamte Gelände und das Gebäudeensemble mit ehemaligem Weinpressehaus gezeigt werden, können täglich zu den Öffnungszeiten des Museums (Di-So 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr) vereinbart werden. Fest gesetzt sind öffentliche Führungen an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen um 11.00 Uhr. Auch ohne Führung macht es eine Freude, das ehemalige Berg- und Lusthaus zu erkunden. Es gibt alte Kaminöfen, historische Deckengemälde und Fundstücke aus höfischen Zeiten zu entdecken, als farbenfrohe und wilde Winzerfeste hier zu Gange waren. Feiern konnte man schließlich auch bereits im 18. Jahrhundert. Die lange Geschichte des Weinbaus in Sachsen wird Ihnen hier ebenfalls vermittelt, bis hin zur sogenannten Reblauskatastrophe, die ein tiefer Einschnitt zum Ende des 19. Jahrhunderts bedeutete. Auch wenn damals die technischen Mittel fehlten (Insektizide), so ist es doch schön zu sehen, dass hier auf Hoflößnitz heute dennoch ganz auf ökologischen Weinanbau gesetzt wird. Das verhilft zu tollen Jahrgängen von Weißburgunder, Riesling und Müller-Thurgau. Aber auch weitere klingende Weißweine wie Souvignier Gris oder Cabernet Blanc sind zu haben. Beispielsweise in der hofeigenen Vinothek, an die sich auch ein Freisitz im Hof anschließt. Hier können Sie sich vor dem Aufstieg zum Spitzhaus über die Spitzhaustreppe ausreichend stärken. Aber Vorsicht, jedes Stück Kuchen und jeder Happen von der Winzerplatte mit Käse muss auch die Stufen hinaufbefördert werden. Wenn Sie sich entscheiden, lieber beim Spitzhaus zu beginnen und am Bismarckturm vorbei die Spitzhaustreppe hinab zu steigen, dann können Sie sich oben vom Reisebus absetzen lassen. Unten kann er dann in der näheren Umgebung von Hoflößnitz einen Stellplatz finden. Beispielsweise, wie könnte es anders sein, an der Weinbergstraße. Wir wünschen Ihnen einen tollen Aufenthalt in einer Welt, die sich hier manchmal vom 18. Jahrhundert bis heute wenig verändert zu haben scheint!
Hinweise
Das Spitzhaus hat die Adresse: Spitzhausstraße 36, 01445 Radebeul
Reservierungen für das Restaurant oder die Terrasse am Spitzhaus per E-Mail an restaurant@spitzhaus-radebeul.de bzw. unter der Rufnummer 0351-8309305
Das Weingut und Sächsisches Weinbaumuseum Hoflößnitz hat die Adresse:
Stiftung Hoflößnitz
Knohllweg 37
01445 Radebeul / Sachsen
E-Mail: info@hofloessnitz.de
Lesenswert
Zur Vorfreude oder als Erinnerung empfehlen wir das Buch Zauberhaftes Radebeul: Silhouetten der Wein-, Villen- und Gartenstadt aus dem Jahr 2018 – auf dem Titelbild zeigt es das Spitzhaus in voller Pracht