Warum ist die Großtrappe fast ausgestorben? Versteckt sie sich an der Grenze zwischen Sachsen-Anhalt und Brandenburg? Und warum sagt sie nichts? Auf in die Natur, zu Gutshöfen, Schlössern, Wiesen und Feldern. Wir reisen in den Fiener Bruch – ein ehemaliges Urstromtal aus der Eiszeit.
Er ist ein ruhiger Vogel. Er ruft kaum, das Männchen (8-15 kg schwer) kommuniziert mit dem deutlich leichteren und unscheinbareren Weibchen mit seinem prächtigen Gefieder. Man nimmt ihn höchstens wahr, wenn er vor einem wegläuft. Großtrappen, die zu den größten mitteleuropäischen Vogelarten gehören, sind nämlich sensibel und haben eine große Fluchtdistanz; das bedeutet, wenn Fressfeinde oder Menschen sich ihm nähern, dann nimmt er früh Reißaus. Das heißt, mit der ganzen lärmenden Reisebusgruppe wird man ihn wohl nicht zu Gesicht bekommen. Aber wenn Sie sich bei Ihrem Ausflug ins östliche Jerichower Land angemessen und ruhig verhalten, vielleicht sogar in Kleingruppen behutsam Ausschau halten – wer weiß, vielleicht zeigt sich Ihnen der gefährdete Vogel dann sogar. Wir sind ins sogenannte Baruther Urstromtal gereist, eine mehrere hundert Kilometer lange tiefe Ebene, die sich vom polnischen Głogów über Cottbus, den Spreewald bis nach Genthin und Tangermünde an der Elbe zieht. Genau genommen sind wir nur an einem sehr kleinen Abschnitt, dem Fiener Bruch. Er befindet sich an der Landesgrenze zwischen Sachsen-Anhalt und Brandenburg und ist ein Naturschutz- und Vogelschutzgebiet. Auch viele Entenarten, Greifvögel, Kraniche und sympathische Arten wie Wiedehopf, Kiebitz und Flussregenpfeifer brüten hier. Aber zu den gefährdetsten Arten gehört eben die beeindruckende Großtrappe. Sie war fast ausgestorben in Deutschland. Die intensive landwirtschaftliche Nutzung ohne Dreifelderwirtschaft mit ihren brachliegenden Feldern ist eine Ursache gewesen. Die Zunahme der Fuchsbestände eine weitere; Großtrappen sind keine guten Flieger und ihre Gelege sind auf freier Wiese oft gefährdet. Die ursprünglich gern in der Steppe lebende Großtrappe braucht weite Sicht und entsprechend niedrigen Bewuchs. In Deutschland sind neben dem Fiener Bruch nur zwei weitere Regionen Verbreitungsgebiet geblieben, die Schutzmaßnahmen haben zu einer leichten Erholung der Bestände in den letzten Jahrzehnten geführt. In den Kulturlandschaften Mitteldeutschlands haben sie wohl eine Chance zu überleben.
Der Naturraum der Großtrappe: das Fiener Bruch
Der Buskompass-Artikel zu unserem heutigen Ausflug in den Fiener Bruch ist einer von zwei Berichten aus dieser Region. Während wir heute die sachsen-anhaltische Seite des Naturschutzgebietes besuchen, gibt es auch einen Ausflug auf die brandenburgische zu den Kirchen von Zitz und Brücknitz und zu dem ehemaligen Kloster von Ziesar. Der Fiener Bruch als Naturraum für seltene Arten macht natürlich vor der Landesgrenze nicht halt. Und das ist auch gut so, letztlich sollen sich gefährdete Arten wie die Großtrappe frei bewegen können. In einer zersiedelten Landschaft zwischen den Bundesstraßen ist das gar nicht so einfach. Insofern hoffen wir, dass Sie sich im Reisebus nicht ärgern wenn es mal ein wenig länger dauert und nicht alles mit Straßen wortwörtlich zugepflastert ist. Wir jedenfalls haben unseren Ausflug in diese ruhige Landschaft Mitteldeutschlands sehr genossen. Drei Stationen wollen wir Ihnen vorstellen, an denen Sie vorbeifahren oder einen kleinen Stopp einlegen können: den Gutshof Karow, den Gutshof Tuchein und das Schloss Dretzel.
Der Gutshof Karow im Fiener Bruch
Der Gutshof Karow liegt am nördlichen Rand des Fiener Bruchs am Rande einer kleinen Hochebene. Der Fiener Bruch selbst ist völlig plan und bildet die tiefer liegende Ebene. Hier strömt von Süd nach Nord die Buckau um die sogenannte Karower Platte herum und der Seenplatte bei Brandenburg an der Havel entgegen. Karow selbst hat lediglich 500 Einwohner. Es empfiehlt sich ganz am Ortsrand zu parken und sich zu Fuß in Richtung Gutshof Karow zu machen. Eine barocke, frisch in beige herausgeputzte Dorfkirche beherbergt noch eine Glocke aus dem 16. Jahrhundert. Je weiter wir in dem kleinen Örtchen nach Süden kommen, desto mehr nähern wir uns dem Gutshof Karow. Ein kleines, auf freien Säulen getragenes Türmchen lugt sympathisch hinter Häusern hervor, Grün umgibt das Landgut aus dem frühen 18. Jahrhundert, welches dabei wirklich eher wie ein Schlösschen ausschaut. Das rot gedeckte Dach ist von verzierten Giebelspitzen unterbrochen. Es gab wohl auch einen Saal, der mit berühmten niederländischen Fliesen aus der damaligen Zeit ausgestattet war; viele haben bestimmt schon einmal vom Delfter Blau gehört. Keramikkacheln aus einer Manufaktur zur Blütezeit der Niederländer. Aber das müssen Sie heute nicht bedauern; weder gibt es diesen Saal noch, noch kann das Gutshaus Karow von innen besichtigt werden.
Der Gutshof Tucheim im Fiener Bruch
Auf der Südseite des Fiener Bruchs liegt der Ort Tucheim. Hier können Sie aus der Ferne auf den sich im Privatbesitz befindlichen Gutshof Tucheim blicken. Dieser hat sich ebenfalls im Volksmund zum Schlösschen gemausert, als er zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit einem Türmchen versehen wurde. Die ehemals altslawische Siedlung erhielt unter Kaiser Otto dem Großen (912-973) im Jahr 965 den Namen civitas Tuchime. Es wurde eine Burg gebaut, von der allerdings nichts mehr übrig ist. Der barocke Gutshof entstand dann sozusagen als Nachfolge der Burg im 18. Jahrhundert. Man profitierte davon, dass der Preußenkönig Friedrich II. (1712-1786) den Fiener Bruch landwirtschaftlich erschließen ließ; sicherlich eine Hochzeit für die Großtrappe. Gefällt dem stolzen Vogel doch eine Mischung aus brachliegenden Feldern, flachen Ebenen und leichter Vegetation. Etliche bäuerliche Familien wurden angesiedelt und so wurde auch der Gutshof Tucheim versorgt.
Das Schloss Dretzel im Fiener Bruch
Auch Schloss Dretzel liegt ebenfalls in privater Hand und ist von Tucheim aus gesehen nur etwa 3 Kilometer weiter nach Nordwesten. Der mit dem Schloss gleichnamige Ort beginnt in einem Knick an der Bundesstraße 107. Die Straße der Freundschaft führt direkt auf das Objekt zu. Ein kleiner Park mit alten breiten Bäumen liegt zwischen dem Schloss Dretzel und der benachbart stehenden St. Sophia Kirche. Einen kleinen Teich gibt es, der vom vorbeifließenden Tucheimer Bach gespeist wird. Auch an der Stelle, an der Schloss Dretzel steht, lag früher eine Burg. Das war allerdings im 14. Jahrhundert. Wie in Tucheim entstand ein Gutshof. Mit Mägden, Knechten, Tieren. Das Tolle ist, dass der Bau aus dem 18. Jahrhundert zusammen mit den angrenzenden Wirtschaftsgebäuden noch gut erhalten ist. Lediglich das Eingangsportal wurde verändert. Dort gab es früher einen sogenannten Altan, eine Hochterrasse, die das Erdgeschoss überspannte und so für den ersten Stock eine zusätzliche Möglichkeit zum Austritt bot; samt prächtigem Blick über den kleinen angelegten Park. Wir werden aber auch hier nicht die Möglichkeit haben, das Gebäude von innen zu erleben. Ein Nachfahre der Familie von Ostau (sie waren im Jahr 1945 enteignet worden) kaufte das Objekt in den Nachwendejahren zurück. Seitdem ist es wieder in Familienbesitz. Es gibt allerdings die Möglichkeit, ein Trauzimmer zu nutzen oder Räume für Feierlichkeiten zu buchen. Wenn Ihnen das Objekt gefallen sollte, sagt Ihnen die eine oder die andere Idee für einen erneuten Besuch möglicherweise zu.
Wild essen im Fiener Bruch
Zu guter Letzt wollen wir Ihnen noch verraten, wo Sie mitten im Naturschutzgebiet Fiener Bruch köstlich essen können. Allerdings nur auf Anfrage und nach vorheriger Reservierung. Der Königsroder Hof rühmt sich, dass man mal jenseits von Pommes und Kroketten etwas Anständiges auf den Tisch bekommt. Und etwas Anständiges bedeutet hier Wild aus den lokalen Wäldern, ländliche Gerichte und seltene traditionelle Gemüsesorten. Lassen Sie sich überraschen. Und wem das noch nicht aufregend genug ist, der kann im Vorfeld noch ein unterhaltsames Event buchen. Beim sogenannten Bauerndart wird mit Heugabeln auf Strohballen gezielt. Das erfreut die ganze Busreisegruppe, wenn man schon mehrere Ausflugsorte auf einer Tour angefahren hat. Auch die Pferde, Schafe, Hühner, Gänse und Enten auf dem Königsroder Hof sorgen für seelische Entspannung. Was für ein wunderbarer Ausklang im Fiener Bruch!
Hinweise
Den Königsroder Hof als Start- oder Zielpunkt finden Sie an der Königsrode 1 in 39307 Tucheim gut 20 Kilometer südwestlich von Brandenburg an der Havel. Am besten kommen Sie über die A2 und fahren an der Ausfahrt Ziesar. Von Ziesar aus führt die B107 direkt über die Landesgrenze von Brandenburg nach Sachsen-Anhalt
Die Kontaktnummer für den Königsroder Hof ist 039346-40490 oder Sie schreiben eine E-Mail an info@koenigsroeder-hof.de
Mehr Informationen zum Fiener Bruch erhalten Sie bei der Tourismus Information im nahegelegenen Genthin (Dattelner Straße 1 / 39307 Genthin). Telefon: 03933-802225 E-Mail: info@touristinfo-genthin.de
Lesenswert
Ein vogelkundliches Bestimmungsbuch macht immer Freude und besonders als Vorbereitung auf der Suche nach der Großtrappe im Fiener Bruch.