Wer kennt das GRIPS-Theater noch nicht? Der sollte es unbedingt kennenlernen. Denn auch wenn es in erster Linie ein Theater für Kinder- und Jugendliche ist, so kann es auch Erwachsenen Spaß und Erkenntnis bringen. Zumal es auch abendfüllende Stücke im Spielplan hat wie das berühmte Musical „Linie 1“.
„Reisefieber – Fieberreise, Reise Kilometer, Gleise kilometerweise – einmal hin – einmal her: Wer reist kennt eine Freude mehr.“ In diesem Reiselied aus einem Kinderstück des GRIPS Theaters wird mit Reisefieber umgegangen. Wir Busfahrer, Bus-Benutzer, machen heute eine Reise nach Berlin-Mitte, an den Hansaplatz. Mitten im denkmalgeschützten Musterbeispiel für Architektur und Stadtplanung der fünfziger Jahre, zur Internationalen Bauausstellung 1957 errichtet, befindet sich diskret versteckt direkt neben dem U-Bahn-Eingang Hansaplatz das GRIPS Theater.
Es ist ein Theater der besonderen Art für Kinder und Jugendliche. Hier werden nicht in erster Linie Märchen erzählt, sondern auf poetische und zugleich direkte Weise Geschichten aus dem Alltag der Kinder. Mit „Stokkerlok und Millipilli“ fing es 1969 an. Es hagelte anfangs Verrisse in den Zeitungen und von Pädagogen, aber ein Jahr später erhielt man den „Gebrüder-Grimm-Preis“. Von nun an war das Kindertheater ein Mittel, auf die Gesellschaft einzuwirken. Was die Auswüchse des Kapitalismus für die Großen waren für die Kinder herumbrüllende Erwachsene und dämliche Verbotsschilder. Das Theater nahm Partei für die „unterdrückte Klasse“ der Kinder in einem damals, 1969, noch ziemlich kinderfeindlichen Land. Es folgte „Maximilian Pfeiferling“, eine Geschichte über einen Jungen, der mit ohrenbetäubendem Zahnlückenpfiff Familie und Kinder zu kinderfreundlichem Verhalten erpresste. „Balle, Malle Hupe und Artur“, 1971, spielte im proletarischen Milieu und zeigte erstmals das Verhalten einer ganzen Kindergruppe. Die Songs wurden große Hits. „Einer ist keiner“, „Meins oder deins“, „Wer sagt, dass Mädchen dümmer sind“. Mindestens drei Generationen von Kindern können diese Lieder heute singen. Das erste Jugendstück „Das hältste ja im Kopf nicht aus“ folgte 1975 und wurde ebenfalls mit dem „Gebrüder-Grimm-Preis“ und dem Kulturpreis der Gewerkschaften ausgezeichnet. 1980 folgte das erste Erwachsenenstück „Eine linke Geschichte“, in der die Autoren und Künstler des GRIPS Theaters sich mit der Geschichte ihrer eigenen Generation auseinandersetzten. Das Stück läuft erfolgreich bis heute. 1986 folgte das Musical „Linie 1“, ein Episodenstück anhand der Berliner U-Bahn Linie 1. Erzählt werden auf kabarettistische Art und Weise, mit viel Live-Musik, Geschichten vom Bahnhof Zoo über Wilmersdorf bis Kreuzberg. Dieser Berlin-Hit läuft bis heute bundesweit an vielen Theatern und in aller Welt bis Seoul in Korea.
Das Stück erhielt den Mühlheimer Theaterpreis und das Ensemble gastierte damit in der ganzen Welt. Sowieso ist das GRIPS mit allen Stücken überall gefragt: in Frankreich, Griechenland, Portugal, Slowenien, der Türkei, Zypern, Namibia, Jemen, Israel, Sri Lanka, Indien, Argentinien, den USA, Japan – um nur einige Länder zu nennen.
Was ist der „gute Geist“ des GRIPS Theaters? Er ist ein Resultat der aufklärerischen Haltung der Studentenbewegung. Überschrift: Die Welt ist veränderbar. Dass es sich lohnt zu kämpfen. Immer am Puls der Zeit. So der Gründer, Autor vieler Stücke und langjährige künstlerische Leiter des Theaters Volker Ludwig in einem Interview zum fünfzigsten des GRIPS Theaters. Es ist ein Theater, das sich konsequent für Kinderrechte einsetzt. Nicht wie im Restaurant: Halbe Portion, halber Preis – sondern die Theaterleute verstehen sich als Stellvertreter der Kinder in ihren Stücken.
Es folgten bis heute viele erfolgreiche Produktionen. Erwähnt sei noch besonders: „Ab heute heißt du Sara“ von 1989 nach dem Roman von Inge Deutschkron, die als jüdisches Mädchen im Berlin der Nazis versteckt überlebt hatte. Sie ist letztendlich wegen dieses Stückes und dieser Theaterarbeit wieder von Tel Aviv zurück nach Berlin gezogen. Darauf ist das Theater sehr stolz. In nunmehr zwanzig Jahren sahen über 100 000 Berliner Schüler dieses fast dreieinhalbstündige Stück, das an Aktualität und notwendiger Mahnung leider nichts eingebüßt hat.
Immer wieder legt das GRIPS Theater den Finger in die Wunden der Zeit. Ob Umweltschutz „Wasser im Eimer“ oder Dynamik in einer Schulklasse „Frau Müller muss weg“. Oder das schwere Thema Alkoholismus in der Familie „Das Leben ist ein Wunschkonzert“ und starke Freundschaften in „Bella, Boss und Bulli“ – ein Besuch im GRIPS ist eine Reise wert.
Etwas Besonderes ist auch die Arena-Bühne in diesem Theater. Die Zuschauer sitzen auf nach oben hin erhöhten Sitzbänken um eine Spielfläche von 10 mal 10 Metern. Die vielen Kinder machen den Raum sehr lebendig. Ein wirkliches Zirkusgefühl stellt sich ein! Viel Vergnügen!