Das Deutsche Theater Berlin ist eines der traditionsreichsten und bekanntesten Theater Berlins. Kürzlich sah ich dort das Stück Das Himmelszelt von Lucy Kirkwood. Dreizehn Frauen und zwei Männer auf der Bühne zeigen furios, was das Leben ausmacht.
In guten Theaterstücken geht es oft um Leben und Tod. So auch kürzlich in Das Himmelszelt im Deutschen Theater Berlin. Hier soll eine Jury aus zwölf Frauen darüber entscheiden, ob eine beschuldigte Mörderin schwanger ist oder nicht. Das Stück spielt 1759. Ist die Frau schwanger, wird ihre Hinrichtung ausgesetzt. Um diesen zugegeben wahnsinnigen und sehr existenziellen Plot schart sich die Handlung des Stückes von zweieinhalb Stunden ohne Pause.
Die Story: Zwölf Frauen auf der Suche nach der Wahrheit der dreizehnten
Ein exzellentes Ensemble aus dreizehn Schauspielerinnen und zwei Schauspielern fesselt die Zuschauer mühelos, aber herausfordernd. Jede der Frauen bringt ihre eigene Geschichte, Vorbehalte und Wünsche mit. Eine wünscht sich, dass das Urteil schnell gefällt wird, egal wie, denn sie muss dringend ihr Feld abernten. Eine andere, die Hauptdarstellerin, im Stück die Hebamme, königlich-souverän gespielt von Maren Eggert, verbirgt ein dunkles Geheimnis. Eine andere ist einfach nur wütend. Eine andere sehr traurig, da sie alle geborenen Kinder verloren hat. Alle zusammen bilden eine Jury der Matronen nach einem mittelalterlichen Brauch, der vorschreibt, dass ausschließlich Frauen dazu gehören, die mindestens ein Kind geboren haben. Dies war zu diesen Zeiten die einzige Möglichkeit für Frauen als Geschworene oder Schöffen, wie wir heute sagen, an der Rechtsprechung mitzuwirken. Diese archaische Praxis bestand bis ins 20. Jahrhundert. Die Frauen beschäftigt zudem das Erscheinen eines Kometen, der sich nur alle 74 bis 79 Jahre der Erde nähert. Das lässt sie zum Himmel schauen. Und zugleich spiegeln ihr Leben, ihre Freuden, Ängste, Sorgen, Schmerzen, Daseinsverzweiflung und Liebe das Leben aller Frauen auf der Welt bis heute.
Dreizehn wunderbar wandelbare Schauspielerinnen, unter denen auch freie Künstlerinnen sind, nehmen die Zuschauer in ihren Bann und lassen sie nicht los. Fragen nach Recht und Unrecht, der Einzelnen und der Gemeinschaft und der Frage … wie Demokratie arbeitet, was es heißt, eine Stimme abzugeben, und wie man innerhalb der vorhandenen Strukturen Handlungsmacht erlangen kann (Lucy Kirkwood). Der Abend in der Regie von Jette Steckel ist eine Sternstunde des Theaters und lohnt eine Reise nach Berlin. Auch mit dem Bus.
Es spielen: Kathleen Morgeneyer, Maren Eggert, Leila Abdullah, Lena Brückner, Karin Neuhäuser, Elli Treptow, Almut Zilcher, Birgit Unterweger, Linda Pöppel, Anja Schneider, Birte Schnöink, Dominika Knapik und Ursula Werner.
Ein Theaterstück, in dem Rollen für zwölf Schauspielerinnen sind, ist sehr selten und immer noch ungewöhnlich. Meist ist die Gewichtung gerade umgekehrt. Obwohl sich weitaus mehr Frauen an Schauspielschulen für ein Studium, eine Ausbildung als Schauspielerin bewerben, ist die Rollenverteilung in den Theaterstücken entgegengesetzt.
Das Deutsche Theater gestern und heute. Ein Theaterhimmel
Das Deutsche Theater Berlin ist eines der traditionsreichsten und bekanntesten Sprechtheater im deutschsprachigen Raum. Hier wirkte der berühmte Regisseur, Theaterleiter und Theaterproduzent Max Reinhardt über Jahrzehnte. Ebenso die Regisseure, Intendanten und Theaterlegenden Wolfgang Langhoff und Thomas Langhoff, Dimiter Gotscheff und viele, viele Bekannte mehr. Ich kenne und liebe das Haus seit meiner Jugendzeit. Selbst die Türklinken sind mir hier vertraut. Hier hatte ich wichtige und grundlegende Theatererlebnisse, die mich prägten. So sah ich hier in den 1970er Jahren die Märchenkomödie Der Drache von Jewgeni Schwarz in der berühmten Inszenierung von Benno Besson, mit Eberhard Esche als Lanzelot und Rolf Ludwig in der Titelrolle. Das fantastische Bühnenbild und die zauberhaften Kostüme von Horst Sagert sind mir bis heute in Erinnerung geblieben. Ebenso der Auftritt des dreiköpfigen Drachens, der den gesamten Bühnenraum einnahm und der vom berühmten Theaterplastiker Eduard Fischer gebaut worden war. Der Drache war im In- und Ausland sehr erfolgreich. Am Deutschen Theater stand er von 1965 bis 1981 mit 580 Vorstellungen auf dem Spielplan. 1965 wurde sie als Aufführung des Jahres der bundesdeutschen Fachzeitschrift Theater heute gekürt und feierte 1966 beim Festival Theater der Nationen in Paris große Erfolge.
Besonders in Erinnerung ist mir der Solo-Abend des Schauspielers Eberhard Esche mit Deutschland. Ein Wintermärchen von Heinrich Heine. Es muss ungefähr 1976 gewesen sein, als ich den Abend mehr oder weniger zufällig sah, da am nächsten Morgen später Schule war. Esche verlebendigte das satirische Versepos von 1844 auf einzigartige Weise. An diesem Abend hatte jede Zeile mit der Gegenwart zu tun und mit genau meinem Leben. Ich fühlte mich im Hier und Jetzt gemeint und angesprochen. Die Konflikte des Alltags in der DDR waren wie durch ein Wunder in Heines Text beschrieben und ins Heute geholt. Dies war der Kunst Eberhard Esches zu verdanken. Seit dieser Sternstunde des Theaters bin ich für das Theater eingenommen und gewonnen.