Vom Brandenburger Tor in Berlin-Mitte sind es ungefähr 100 Kilometer bis zu dessen namensgebender Stadt Brandenburg an der Havel. Mit dem Bus fährt man gut eine Stunde in die Stadt, die einst Berlin das Stadtrecht verliehen hat.
Achtundfünfzig Brücken verbinden die drei historischen Stadtteile Altstadt, Neustadt und Dominsel. Neben der in weiten Teilen erhaltenen historischen Substanz des Ortes macht vor allem die Verbindung zum Wasser den Reiz der Stadt aus. Ein Eldorado für Wasserliebhaber! Nach 1990 wurde die Stadt zwar weitestgehend deindustrialisiert, aber auch bis in den letzten Winkel restauriert. Auf der Dominsel ist schönstens herausgeputzt tausend Jahre Geschichte zu erleben. Hier gründete Otto I. im Jahr 948 das Bistum Brandenburg, das 1237 erstmals urkundlich erwähnt wurde. Im Archiv liegt die Urkunde, in der Berlin historisch zum ersten Mal genannt wurde. Mit dem Dombau wurde Mitte des 12. Jahrhunderts begonnen, wir sehen ihn heute mit seinem gotischen Aufbau. Im Inneren ist der Dom reduziert in Weiß und Rot gehalten und mit wunderschönen gotischen Altarbildern und Skulpturen geschmückt. Nicht übersehen werden sollen der Böhmische Altar, die Wagner-Orgel und der bedeutende mittelalterliche Textilschatz, das 1290 gestickte Hungertuch. Dieses verhüllte damals in der Fastenzeit die Darstellungen von Jesus, in der Regel das Kruzifix.
Die Wagner-Orgel ist eine beinahe noch ursprünglich vorhandene Barockorgel. 1723 eingeweiht, gibt es heute wenige ähnlich gut erhaltene Orgeln in Deutschland. So spielt sie eine Hauptrolle in den 1958 gegründeten Sommermusiken und lockt jedes Jahr von Mai bis September hunderte Musikliebhaber in den Dom. Die einzigartige Akustik zieht gleichermaßen das Publikum, aber auch international gefeierte Organisten und Ensembles an.
Seit mehr als 200 Jahren gibt es das Brandenburger Theater, kurz BT genannt. Gespielt wird im Großen Haus, das 1998 neu erbaut wurde. Bekannt auch als CulturCongressCentrum. Bei variabler Bestuhlung finden hier bis zu 450 Zuschauer Platz, zusätzlich gibt es noch die Studiobühne. Je nach Anlass der Vorstellungen sind Auftritte im ganzen Stadtgebiet zu erleben, zum Beispiel im Dom, im St. Pauli-Kloster oder bei Open Air Aufführungen während des Brandenburger Kultursommers auf dem Marienberg oder an der Regattastrecke. Das Brandenburger Theater bietet Konzerte mit den dort beheimateten Brandenburger Symphonikern, Musik- und Tanztheater, Schauspiel, Lesungen, Puppentheater, Kinder- und Jugendtheater, sowie Kleinkunst und Kabarett.
Der Brandenburger Kultursommer auf dem Marienberg, der größten Grünanlage und dem Gartendenkmal der Stadt, bietet jedes Jahr im August Open Air Konzerte, Musicals, Poetry Slam. In diesem Jahr werden zum Beispiel die in Brandenburg geboren und aufgewachsene Sängerin und Schauspielerin Anna Loos mit ihrem Programm „Werkzeugkasten“ und die berühmteste Poetry Slammerin und Poetin Julia Engelmann erwartet. Hier kann es praktisch sein, mit einem Bus in einer Gruppe anzureisen, da man auch mit der Rückreise zeitlich unabhängig ist. An lauen Sommerabenden bleibt man gern länger draußen.
Der Brandenburger Klostersommer ist ein Theaterfestival und findet jedes Jahr im Juni und Juli statt. Unter Federführung des event-theaters werden Aufführungen in Kirchen der Stadt, im Industriemuseum, in der Kammgarnspinnerei und anderen Orten gegeben. Gespielt werden Stücke für Jung und Alt und die ganze Familie; zum Beispiel im Kloster St Pauli „Das Wirtshaus im Spessart“ nach der Novelle von Richard Hauff. Diese Vorstellungen an speziellen Orten sind auf jeden Fall eine Reise wert, denn man erlebt gleich mehrfach die Stadt, Musik und Theater.
Das event-theater betreibt außerdem im Fontane-Klub ein Programmkino, das mehrfach Preise für seine Programmgestaltung erhielt.
Die Brandenburger Symphoniker, das Orchester der Stadt Brandenburg, wurde 1810 gegründet und gehört zu den ältesten Klangkörpern Brandenburgs und zu den herausragenden kulturellen Einrichtungen des Landes. Es ist weltweit gefragt und gastiert regelmäßig, zum Beispiel beim „Festival MusicaMallorca“ und dem Opernfestival „Kammeroper Schloss Rheinsberg“.
Das Brandenburger Theater feierte in der Spielzeit 2017 / 18 sein zweihundertjähriges Jubiläum, verfügt jedoch seit Ende der 90er Jahre über kein eigenes Schauspielensemble mehr. Was schade ist, denn ein fest engagiertes Ensemble bietet für eine Stadt viele Möglichkeiten der Identifikation und ist gesellschaftlicher Bezugspunkt. Zudem wäre es nachhaltig, da es Künstler und Zuschauer kontinuierlich verantwortlich verbindet. Hier hat man am falschen Platz gespart. Es werden allerdings Künstler zu Gastspielen eingeladen, die das Theater bespielen und abwechslungsreiche Programme zeigen.
1978 bis 1981 arbeitet der damals noch junge Frank Castorf hier. Er inszenierte unter anderem „Golden fließt der Stahl“ von Karl Grünberg. Heute ist der 1951 geborene Regisseur einer der wichtigsten, zwar auch umstrittensten, aber zugleich bekanntesten Theatermacher im deutschsprachigen Raum. Er leitete von 1992 bis 2017 die Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. Die Zeit war legendär. Sie zeigt wie wichtig auch kleine Theater abseits der Zentren sind. Junge Theaterleute sowie Kinder und Jugendliche, die vor Ort wohnen, können hier erste Theater-Erfahrungen machen, sich ausprobieren und die öffentliche Aufmerksamkeit ist dankbarer als in der Großstadt, nicht so streng und übersättigt.
Nicht zu übersehen und überall zu finden sind im Stadtzentrum Brandenburgs die Waldmöpse. Die etwa fünfzig Zentimeter hohen Bronzefiguren der kleinen Hunde sind an verschiedenen Stellen in der Stadt verteilt. Sie erinnern an den bekannten vielseitigen Humoristen Loriot, der 1923 als Vicco von Bülow hier in Brandenburg geboren wurde. Die putzigen Tierchen sind sitzend, schlafend oder das Bein hebend dargestellt und wurden von der Bildhauerin Clara Walter geschaffen. Diese Art der Erinnerung ist auch als Freiluft-Theater zu bezeichnen. 1993 wurde Loriot zum Ehrenbürger der Stadt ernannt. Das Taufbecken Loriots findet sich in der ältesten Pfarrkirche der Mark Brandenburg, in der St. Gotthardtkirche. Die Taufkapelle konnte auch Dank eines Spendenaufrufs des Künstlers und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz im Jahre 2000 gerettet und restauriert werden.
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Literatur
Brandenburg an der Havel, ZITTY/Tip Berlin, 2017/18. GCM Go City Media GmbH 2017.