Heute reicht unser Blick in den Weltraum, zu Leuchttürmen und über erloschene Blütenmeere. Ein winterlicher Besuch in der Stadt der Optik führt uns in den Optikpark Rathenow und würdigt brandenburgische Tüftler und Erfinder.
Wer würde nicht zuerst an den in Weimar geborenen und in Jena verstorbenen Carl Zeiss (1816-1888) denken, wenn er vom Schöpfer der Deutschen Optischen Industrie hören würde. Aber weit gefehlt. Carl Zeiss war zwar Begründer der weltberühmten Marke für optische Gläser und selbst der Fußballverein Carl Zeiss Jena trägt bis heute seinen Namen. Aber auch er hat Mikroskope, Teleskope und Ferngläser nicht im Alleingang revolutioniert. Wie so oft in der Geschichte stützen sich große Menschen auf die Vorarbeit anderer. Und eine solche überraschende Entdeckung machen wir auch bei unserem heutigen Ausflug mit dem Reisebus in das westbrandenburgische Rathenow. Dort erblickte der Pfarrerssohn Johann Heinrich August von Duncker im Jahr 1767 das Licht der Welt. Und dieses Licht faszinierte ihn so, dass er nach einem Theologiestudium in Halle an der Saale in seinen Heimatort zurückkehrte und mit dem Tüfteln und Produzieren begann. Noch im elterlichen Pfarrhaus entwickelte und verkaufte er ab dem späten 18. Jahrhundert Brillen, Mikroskope und Ferngläser. Er erfand die sogenannte Vielspindelschleifmaschine. Dabei handelte es sich um eine technische Apparatur, mit deren Hilfe sich die Herstellung optischer Linsen erheblich erleichtert und deutlich schneller wurde. Der Grundstein war gelegt für die industrielle Fertigung von optischen Linsen. Aufgrund dieser 1801 patentierten Erfindung wurde umgehend die Königlich privilegierte optische Industrieanstalt gegründet. Johann Heinrich August von Duncker stand nun also in direkter Verbindung mit dem preußischen König und somit stellte sich auch wirtschaftlicher Erfolg ein. Seit diesem Zeitpunkt gilt er aus heutiger Sicht als Schöpfer der Deutschen Optischen Industrie. Diese Lobpreisung steht auch auf einer Tafel an seinem Geburtshaus in Rathenow.
Der Optikpark Rathenow gehört fest zur Stadt der Optik
Aber es geht nicht immer ganz so ernst und geschichtsträchtig zu in der Stadt der Optik, die sich offiziell mit einem sehr scharf sehenden Adler in ihrem Stadtwappen präsentiert. In Rathenow können offensichtlich nicht nur die Greifvögel besonders gut gucken, sondern auch eine Gruppe Nagetiere, die sonst eher für ihre guten Zähne als für ihre guten Augen bekannt ist. Freundliche, riesige Biber mit übergroßen bunten Brillen sind es nämlich, welche die Besucher im Sommer zu einer Floßfahrt auf der Rathenower Havel, einem Nebenarm der Havel, einladen. In den Biberkostümen stecken Mitarbeiter des Optikpark Rathenow. Auch ohne bunte große Brille lassen sich vom Floß aus Schwäne, Enten und bei besonderer Aufmerksamkeit und etwas Glück auch Eisvögel beobachten. Ein Fernglas zur Vogelbeobachtung kann sicherlich dennoch nicht schaden in der Stadt der Optik. Bei einem winterlichen Besuch des Parks sieht die ganze Sache natürlich etwas anders aus: Überhaupt öffnet der Optikpark Rathenow außerhalb der Saison nur an einem Dezemberwochenende nochmal seine Pforten und die freundlichen Biber ihre Pfoten. Dann lockt die Parkweihnacht mit einem Lichtermeer. Leuchtende Installationen am großen Karpfenteich, romantische Schlitten (allerdings meist leider ohne Schnee) und ein kleiner Kunsthandwerksmarkt erfreuen dann Groß und Klein. Wenn Sie also zu dieser kalten Jahreszeit einen Besuch mit dem Reisebus in das etwa 25 Kilometer nordwestlich von Brandenburg an der Havel gelegenen Rathenow machen möchten, dann ziehen Sie sich warm an. Zusammen mit Glühwein und Feuertonne sorgt das dann für die nötigen Temperaturen.
Der Leuchtfeuerturm von Rathenow – Schmuckstück von der Küste ist in die Stadt der Optik zurückgekehrt
Der Optikpark Rathenow in der Stadt der Optik liegt auf einer Insel, die von Havel und Rathenower Havel, einem Altarm des sich durch Brandenburg schlängelnden Flusses, umspült wird. Eine attraktive Wahl war das fast 12 Hektar große Gelände, als es im Jahr 2006 für die brandenburgische Landesgartenschau auserkoren wurde. Im Jahr 2015 war es dann zusammen mit anderen Städten der Region Teil der Bundesgartenschau Havelregion. Ein gigantisches blühendes Meer wurde gestaltet. Das Besondere dabei: Es wurde so angelegt, dass die Farbgestaltung und Linienführung der Beete der Aufspaltung des Lichts durch ein optisches Prisma nachempfunden wurden. Und am Rande dieses Blütenmeeres stand und steht noch heute eine Art Leuchtturm. Er wurde zwar nicht ins Zentrum eines angelegten großen Karpfen- und Seerosenteichs gesetzt (auch dort hätte er sicher eine kuriose Wirkung erzielt), sondern mitten hinein in die Rathenower Havel. Er hat eine besondere Geschichte: Das Bauwerk scheint würfelförmig aufeinandergestapelt zu sein und stammt aus Warnemünde. Dort fristete er bis 1997 sein Dasein als Leuchtfeuer für die Hafeneinfahrt. Viele solcher Leuchtfeuertürme wurden mit Linsen aus Rathenow ausgestattet und so kehrte er folgerichtig eines Tages zurück in seine Heimat. Nun steht er zu festlichen Anlässen blinkend am nordöstlichen Ende des Optikparks Rathenow im ewig fließenden Wasser.
Die Stadt der Optik brauchte unbedingt ein Fernrohr der Spitzenklasse
Noch eine kuriose Geschichte aus Rathenow wollen wir Ihnen erzählen. Johann Heinrich August von Duncker war nicht der einzige Tüftler aus der Stadt der Optik. Der aus Böhmen stammende Edwin Rolf (1899-1991) war schon Maschinenbauingenieur, als er sich in den 40-er Jahren als Feinmechaniker in Rathenow bei der Fernrohrherstellung bewarb. Rolf war leidenschaftlicher Hobbyastronom und so verwunderte es kaum, als er Anfang der 50-er Jahre an einem eigenen Fernrohr für seine eigene Sternwarte bastelte. 1953 war der sogenannte Rathenower Refraktor fertiggestellt. Die Mischung aus Linsen- und Spiegelfernrohr war seinerzeit mit einem Tubus-Durchmesser von 70 cm das weltweit größte seiner Art. Es ist 12 Meter hoch und zur Beobachtung müssen eine Treppe erstiegen und ein kleiner Raum betreten werden (der allerdings nicht öffentlich zugänglich ist). Die Stadt kaufte das Teleskop nach dem Tod von Edwin Rolf. Dann stand es noch einige Jahre auf einem Schulgelände, bis es zu seinem endgültigen Standort kam. Und den kennen Sie inzwischen gut: den Optikpark Rathenow.
Hinweise
Die Adresse des Optikpark Rathenow ist: Schwedendamm 1 in 14712 Rathenow. Außerhalb der von April bis Mitte/Ende Oktober gehenden Saison lädt vor allem der einzige Wintertermin zu einem Besuch ein: Die Parkweihnacht im Jahr 2023 findet am 09. und 10. Dezember statt. Kontakt: 0338549850 oder E-Mail an info@optikpark-rathenow.de
Der Eintritt für den Optikpark Rathenow beträgt 5 €. Außerdem gibt es eine Feierabendkarte am späten Nachmittag für den halben Preis. Für Gruppenführungen bis 10 Personen werden 30 € berechnet; ansonsten gibt es einen Zuschlag. Kurze Floßfahrten sind bei allen Angeboten inklusive.
Das Parkcafé im Optikpark Rathenow hat während der Saison täglich von 13.00 Uhr bis 18.00 Uhr geöffnet. Kontakt: 0172-3165625
Wintertipp: bei weitergehendem Interesse für die Geschichte der Optik empfehlen wir Ihnen einen Besuch des Kulturhauses in Rathenow. Dort am Märkischen Platz 3 in 14712 Rathenow gibt es ein kleines Museum im Dachgeschoss (barrierefrei zugänglich mit Aufzug). Es hat regulär dienstags bis sonntags von 11.00 Uhr bis 17.00 Uhr geöffnet. Für Gruppen können aber auch andere Zeiten vereinbart werden. Dafür schreiben Sie eine E-Mail an info@optik-ausstellung-rathenow oder wählen Sie die Rufnummer 03385-51940. Der Eintritt beträgt 3 €; als Gruppe bei einer Führung zahlen Sie 4 € pro Person, jedoch mindestens 32 € (entspricht 8 Teilnehmern).
Lesenswert
Das Buch zur Bundesgartenschau Havelregion 2015 ist weiterhin erhältlich, kostet nur wenige Euro und verschafft einen guten Überblick über die Region. Da bekommen Sie sicher sofort weitere Lust auf den nächsten Ausflug mit dem Reisebus!