Wo gibt’s in Berlin versteckte Orte? Sogenannte Hidden Places?
Wo erwartet einen ein ziemlich besonderer Konzertabend?
Wo kann man musikalische Hochkultur leger in Jeans und T-Shirt genießen?
Wenn man in Berlin einen wenig bekannten Ort mit besonderer Atmosphäre kennenlernen will, empfehle ich einen Konzertbesuch im Pianosalon Christophori. Im Norden der Berliner Mitte, im historischen Viertel Gesundbrunnen oder Wedding – je nachdem, wie man es betrachtet – befindet sich am Ufer des Flüsschens Panke gelegen der Pianosalon Christophori. Der Neurologe Christoph Schreiber hat hier seit einigen Jahren in der ehemaligen BVG-Buswerkstatt einen Konzertsaal für Kammermusik etabliert und zugleich restauriert er historische Flügel, vor allem alte französische Hammerflügel. Namensgeber ist Bartolomeo di Francesco Cristofori, geboren 1655 in Padua, gestorben 1731 in Florenz, der das erste Hammerklavier entwickelte. Schreiber führt hier in Gesundbrunnen eine Pariser Tradition von Anfang des 19. Jahrhunderts fort, wo man Konzerte in Klaviermanufakturen gab. Alle berühmten Pianisten der Zeit traten in diesen Salons auf. So auch Frédéric Chopin und Clara Wieck. Bekannte Namen waren das Maison Erard und der Salle Pleyel. Hier in Berlin finden natürlich auch Konzerte in anderen Besetzungen, zum Beispiel mit Violinen und Celli, Posaunen und Trompeten und Jazz satt. Die Musiker selbst spielen alle auf höchstem Niveau, sind Top-Profis, manche Welt-Klasse. Das Publikum sitzt dicht dran an Spielern – derzeit natürlich mit Abstand zwischen den Sitzplätzen – man kann den Atem der Musiker spüren. Hartnäckiges Husten, wie oft in anderen Konzerthäusern ist hier selten, wird gesagt.
Heilen und heil machen. Eine wiederbelebte alte Autobusmotorenhalle
In der ehemaligen Motorenhalle der Berliner Verkehrsbetriebe, BVG, reihen sich auf Podesten Flügel an Flügel und mannigfaltige Teile historischer Klaviere dekorieren den Raum. Zeitgenössische Kunst ist an den Wänden zu betrachten und Kronleuchter an den Decken geben ein warmes Licht in der nüchternen Fabrikhalle. Überall sind kleine Inseln der Idylle zu finden: eine alte Stehlampe neben einem Klavier und Teppiche auf dem Boden. Die Sammlung des Piano Salons umfasst etwa 120 Konzertflügel aus der Zeit zwischen 1799 bis 1987, wobei der Schwerpunkt auf französischen Instrumenten liegt. Der heimelige Konzertraum fasst 199 Zuschauer.
Man kann sagen, dass der erste Eindruck, wenn man den Pianosalon Christophori betritt, vielleicht etwas verwirrend ist. Überall viele Details: Klaviere, Flügel, Flügelteile, Bilder an den Wänden und auch eine gut sortierte Schallplattensammlung fehlt nicht. Eine Fülle von Sinneseindrücken. Diese Verwirrung ist auch Programm: Der Ort durchkreuzt Erwartungen. Der Konzertbesuch wird zu einem wirklichen Erlebnis. Das Publikum ist hier heterogener als in andern Konzertplätzen und auch jünger. Man kann in Alltagskleidung kommen. Es geht hier nicht um Repräsentation, sondern um Musik und Erleben von Musik.
Im Eintrittspreis sind Wein und Wasser inbegriffen. Das Publikum bedient sich selbst.
Alles erscheint sehr klug, spielerisch und durchdacht. Ein Neurologe steht dahinter. Das kann man spüren.
Nebenan: Café Pförtner, Uferlos und Dujardin
Vor dem Konzert kann man zum Beispiel einen langen Spaziergang am Flüsschen Panke machen und dort weitere Entdeckungen machen. An der Panke entlang kommt man durch verschiedene Parks, Wohn- und Fabrikanlagen, wo teilweise auch Künstler leben und arbeiten. Ein Spaziergang gestaltet sich hier sehr abwechslungsreich. Man kann so von Gesundbrunnen, über Wedding und Pankow, den Bürger- und den Schlosspark bis nach Buch gelangen. Und auf der anderen Seite wieder zurück. Mittags kann man im Café Pförtner in der Uferstraße 8 zwischen 12 und 15 Uhr warm und gut essen. Das Cafe befand sich mal in einem ausgedienten Bus! Ob das immer noch so ist? Sehen Sie bitte selbst.
Im Dujardin, Uferstraße 12, gibt es guten Kuchen, Salate und verschiedene kleine Imbisse.
Das Restaurant Uferlos in der Uferstraße 13 ist derzeit ein italienisches Restaurant. Hier kann man also richtig tafeln.
In den Straßen hinter dem Amtsgericht Wedding, das in seinem neogotischen Baustil an die Albrechtsburg in Meißen erinnert, nach deren Vorbild es 1901 bis 1906 erbaut wurde, gibt es also viel zu entdecken.
Viel Vergnügen!