Das Beste aus zwei Welten in einem Park. Wir treffen Max und Moritz und den Erfinder des binären Zahlensystems. Ein Spaziergang durch den Georgengarten in Hannover bringt Sie zum Wilhelm-Busch-Museum und zu einem Denkmal für den Universalgelehrten Leibniz.
Unterdessen auf dem Dache / ist man tätig bei der Sache / Max hat schon mit Vorbedacht / eine Angel mitgebracht / Schnupdiwup! Da wird nach oben / schon ein Huhn heraufgehoben. Wer hat bei diesen Zeilen nicht sogleich die Bilder im Kopf, die den 1832 in Wiedensahl bei Hannover geborenen Wilhelm Busch berühmt gemacht haben. Es sind die Lausbuben Max und Moritz, die hier auf dem Haus der Witwe Bolte am Schornstein hantieren und sich die knusprigen Hähnchen direkt vom Ofen angeln. Was für ein Festschmaus für die aufgeweckten und wagemutigen Jungs, was für ein Fiasko für die schimpfende und tobende Witwe Bolte und ihren Hund. Der Spitz hatte es natürlich ebenfalls auf den einen oder anderen Hähnchenschenkel abgesehen. Mit den Zeichnungen von Max und Moritz gilt Wilhelm Busch sozusagen als Erfinder des Comics im deutschsprachigen Raum. Mit 32 Jahren werden die Bilder von seinem Freund und Verleger Kasper Braun als Geschichte veröffentlicht. Braun (1807-1977) vertreibt zu diesem Zeitpunkt bereits eine satirische Zeitschrift im Münchener Raum. Reich wird mit Max und Moritz allerdings erst mal nur Braun (Wilhelm Busch hatte ihm die Rechte günstig abgetreten); in sehr fortgeschrittenem Alter bekommt Wilhelm Busch doch noch seinen Anteil von den einstigen Verdiensten. Der inzwischen bei seiner verwitweten Schwester mit ihren Kindern lebende Künstler spendet den Erlös. Der Verleger Braun hatte Busch einst zwar mit Max und Moritz übers Ohr gehauen, doch zugleich hat Wilhelm Busch ihm Schuldenfreiheit und finanzielle Unabhängigkeit zu verdanken.
Das Wilhelm-Busch-Museum im Georgenpalais
Wir besuchen bei unserem heutigen Ausflug mit dem Reisebus in die niedersächsische Landeshauptstadt den Georgengarten. Als Teil des landschaftsarchitektonischen Gesamtensembles Herrenhäuser Gärten ist er unbedingt einen eigenen Ausflug wert. Grund dafür ist das Deutsche Museum für Karikatur und Zeichenkunst, oder schlicht auch Wilhelm-Busch-Museum genannt. Die Wilhelm-Busch-Stiftung bespielt das Haus kostenfrei und widmet sich bei Weitem nicht nur ihrem namensgebenden Zeichengenie. Das Haus ist auch nicht irgendein Haus wie etwa die verlotterte Mühle in Wilhelm Buschs gezeichneten Geschichten, sondern ein wahrer Prachtbau. Das Georgenpalais trägt seinen Namen nach Georg III. (1738-1820), der seit dem Wiener Kongress von 1814 auch König von Hannover war; neben seiner bescheidenen weltgeschichtlichen Bedeutung als König von Großbritannien und Irland. Zunächst hieß das prunkvolle Herrenhaus noch Wallmodenpalais; benannt nach dem Auftraggeber des dreiflügeligen Gebäudes, dem der damaligen zeitgenössischen Kunst sehr aufgeschlossenen Grafen Johann Ludwig von Wallmoden-Gimborn (1736-1811). Von 1840-1857 hatte König Ernst August von Hannover hier seine Sommerresidenz. 1921 kaufte die Stadt Hannover das Georgenpalais und überlässt es seit 1949 der Wilhelm-Busch-Gesellschaft. Über viele Jahrzehnte hinweg konnte sich hier also ein Museum etablieren, das die gesamte Schaffensperiode von Wilhelm Busch präsentiert. Außerdem gibt es Sonderausstellungen zu bedeutenden zeitgenössischen Karikaturisten und Zeichnern. Auch die Dauerausstellung präsentiert Meister der Satire aus den vergangenen zwei Jahrhunderten; beispielsweise den Franzosen Tomi Ungerer (1931-2019) oder den sozialkritischen und politisch durchaus brisant agierenden Landsmann Honoré Daumier (1808-1879). Letztgenannter kritisierte in seinen satirischen Zeichnungen das wohlhabende Bürgertum, die Bourgeoise. Bis heute eine Paradedisziplin von Karikaturen. Auch Vorläufer dieser Kunstform wie Gemälde des spanischen Malers Francisco de Goya (1746-1828) werden gezeigt. Es gibt also viel zu entdecken im Georgenpalais, dem heutigen Wilhelm-Busch-Museum.
Die Welt von Wilhelm Busch
Bei einer Führung durch das Wilhelm-Busch-Museum (die auch als Privatführung außerhalb der offiziellen Öffnungszeiten angeboten wird) erfahren Sie natürlich reichlich Informatives, Unterhaltsames und Überraschendes zum Leben des Karikaturisten, Zeichners und Malers. Ein paar Dinge wollen wir Ihnen aber sozusagen als Reisevorbereitung bereits mit auf den Weg geben. Wussten Sie beispielsweise, dass der zunächst auf Volkslieder und Sagen spezialisierte Wilhelm Busch in Hannover, Düsseldorf und Antwerpen Malerei studiert hat. Gerade die alten niederländischen Meister interessierten ihn zunächst. Später widmete er sich mehr der Landschaftsmalerei und verbrachte viel Zeit mit der Beobachtung der Natur und der Menschen. Aus dieser konzentrierten Tätigkeit entwickelte sich eine Gabe, die ohne viel Überflüssiges zu zeichnen zum Wesen einer Szene vorstieß. Typische Mimik, Bewegungen und reduzierte Raumgestaltung waren die Zutaten, die den Zeichnungen von Wilhelm Busch bald schon etwas gaben, was wir aus heutiger Sicht als comichaft bezeichnen würden. Seine Gemälde wurden erst nach seinem Tod im Jahr 1908 ausgestellt; zeitlebens und darüber hinaus wurde er für seine satirischen Geschichten gefeiert, die er mitunter recht brutal, fast schon etwas sadistisch mit leichter Feder erzählte. Von der Prügelstrafe (durch den Lehrer Meister Lämpel) bis zu Unfällen (Fipps, der Affe wird vom Baum geschossen) ist da alles dabei. Schwarze Pädagogik, unterdrückte Sexualität; vieles wird ins Feld geführt, um Wilhelm Busch aus seiner Zeit heraus zu verstehen. Aber vielleicht muss man die freudvoll zeichnerisch vorgetragenen Lausbubenstreiche auch nicht überinterpretieren, wir waren bei unserem Besuch im Wilhelm-Busch-Museum einfach nur begeistert und haben uns anhand der Zeichnungen an unsere Kindertage erinnert. Als die Zeit noch nicht so schnelllebig war, war Wilhelm Busch ebenso wie die Märchen der Gebrüder Grimm ein von vielen geschätztes Kulturgut. Zeit für eine Würdigung. Zeit für eine Fahrt nach Hannover.
Gottfried Wilhelm Leibniz im Georgengarten
Da der 50 Hektar große aus der Barockzeit stammende Georgengarten unbedingt zum Spazierengehen einlädt, wollen wir Sie noch kurz auf eine weitere Persönlichkeit hinweisen, die in Hannover gewirkt hat. Der Mathematiker und Philosoph Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) hat nicht nur ein binäres Zahlensystem erfunden (welches heute allen Computern und der gesamten digitalen Welt zugrunde liegt), sondern auch entscheidend zur europäischen Aufklärung beigetragen. Ihm zu Ehren wurde im späten 18. Jahrhundert ein steinerner und mit 12 Säulen realisierter Pavillon, der sogenannte Leibniztempel gebaut. Zunächst stand er am Waterlooplatz, heute steht er idyllisch an einem kleinen Gewässer im Herzen des Georgengartens. Dem vielseitigen Leibniz hätten sicher beide Standorte gefallen. Prunkvoll strahlt in goldenen Buchstaben der Schriftzug Genio Leibnitii vom Kuppeldach. Nur die originale Büste von Leibniz aus italienischem Carraramarmor steht inzwischen sicher vor Wetter und Vandalismus im benachbarten Schloss Herrenhausen im Großen Garten der Herrenhäuser Gärten. Dort kann sie besichtigt werden. Eine Kopie aus Beton steht seit etwa 15 Jahren nun unter dem schützenden Dach des Leibniztempels. Dem leidenschaftlichen Freiluftmaler Wilhelm Busch hätte das bestimmt zugesagt; und dass das Wilhelm-Busch-Museum nur wenige barrierefrei zurücklegbare Laufminuten vom Leibniztempel entfernt liegt, begeistert die ganze Busreisegruppe. Sie beschließt bald mal wieder zu kommen in die 550.000 Einwohner große niedersächsische Landeshauptstadt Hannover. Denn nicht nur zur Biografie von Gottfried Wilhelm Leibniz gibt es dort noch einiges zu entdecken.
Hinweise
Das Wilhelm-Busch-Museum (auch Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst) liegt zentral im Georgengarten 1 in 30167 Hannover. Wegen der Anmeldung von Gruppen für Führungen können Sie sich über die Telefonnummer 0511-16999911 oder die E-Mail-Adresse mail@karikatur-museum.de melden.
Das Wilhelm-Busch-Museum hat dienstags bis sonntags und an Feiertagen von 11.00 Uhr bis 17.00 Uhr geöffnet. Nur am 24.12. und 31.12. ist geschlossen. Der Eintritt beträgt 7 €, ermäßigt 4 €. Bei Führungen gibt es einen Aufpreis, der je nach Länge und Art der Führung variieren kann. Auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten sind Führungen möglich!
Im Georgenpalais gibt es die Möglichkeit, kleine Speisen einzunehmen. Oder Sie nehmen sich einfach ein Picknick für den wunderschönen Georgengarten mit.
Der Busparkplatz ist für die Reisegruppe übrigens kostenfrei und heißt Besucherparkplatz am Georgengarten / Großen Garten. Von hier aus sind es 500 Meter durch den Georgengarten bis zum Leibniztempel und weitere 500 Meter bis zum Wilhelm-Busch-Museum.
Lesenswert
Eine schöne Ausgabe zu Max und Moritz. Eine Bubengeschichte in sieben Streichen wurde von der Edition Tintenfass herausgegeben und ist für 18 € im Handel erhältlich.