Max Beckmann und Otto Dix. Kirchner, Heckel und Schmidt-Rottluff. Sie alle in einem Museum? Das glauben Sie nicht? Dann reisen Sie in die Stadt der Moderne und staunen Sie über die Vielseitigkeit der Kunst des Expressionismus. Chemnitz hat dem frühen zwanzigsten Jahrhundert mit dem Museum Gunzenhauser die passende Würdigung verliehen.
In unserem heutigen Beitrag erwartet Sie eine Kunstreise nach Chemnitz. In unserer kleinen Reihe über die Häuser der Kunstsammlungen Chemnitz stellen wir Ihnen die ehemalige Privatsammlung Gunzenhauser vor, für welche die Stadt Chemnitz eigens ein eigenes Museum herrichten ließ. Die Geschichte des Gebäudes ist dabei ebenso interessant wie die des 2015 verstorbenen Kunstsammlers Alfred Gunzenhauser (1926-2015). Das heutige Ausstellungsgebäude ist eine ehemalige Bank, die im Stil der Neuen Sachlichkeit errichtet wurde. 1928-1930 fertiggestellt, war hier über viele Jahrzehnte eine repräsentative Filiale des Geldes. Doch wahrscheinlich war das Haus nie so wertvoll wie heute. Auf über 200 Millionen Euro wird der Wert der Sammlung heute geschätzt, doch dazu später. Fred Otto (1883-1944) war der Architekt des Gebäudes mit seiner klaren Linienführung und schnörkellosen Sachlichkeit. Der in Chemnitz beerdigte Otto war an der Stadtentwicklung seiner Wahlheimat in den Anfängen des 20. Jahrhunderts maßgeblich beteiligt. So wurde der gleichnamige Fluss noch vor den Zwanziger Jahren überbaut und erst fast einhundert Jahre später wieder teilweise ans Licht geholt. Ebenso wie das Museum Gunzenhauser sicher ein Gewinn für die zukünftige europäische Kulturhauptstadt des Jahres 2025.
Der Kunstsammler Gunzenhauser
Wer war dieser Gunzenhauser, dem zu Ehren ein ganzes Museum in Chemnitz existiert und dessen Vermächtnis von der Stiftung Gunzenberger verwaltet wird. In den wilden 60er Jahren leitete er eine Galerie in München und erweiterte beständig seine Sammlung an expressionistischer, abstrakter und wiederentdeckter Kunst von den Anfängen des 20. Jahrhunderts. Doch wo hatte er sein sicheres Gespür für Kunst her, von dem wir uns bei einem Ausflug mit dem Reisebus in das südliche Sachsen werden überzeugen können? Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg war der gelernte Volkswirt in Berlin gelandet und dort in der bekannten Galerie Rosen unter Vertrag. In dieser ersten Wiedergründung einer Galerie im Nachkriegsdeutschland wehte ein frischer avantgardistischer Wind. Hier wurde sehr bald gezeigt, was unter den Nationalsozialisten noch als entartet gegolten hatte. 1954 fing Gunzenberger schließlich selbst an zu kaufen und zu sammeln. Er hatte nun genug Erfahrung, um in den Markt einzusteigen, der damals noch viel mehr Berufung, Ausdruck einer Weltanschauung und Haltung war, als das heute oftmals der Fall ist.
Die Sammlung Gunzenhauser
Dass die Privatsammlung Gunzenhauser in Chemnitz gelandet ist, ist zwei Dingen geschuldet. Zum einen hat die Stadt dem Sammler 2003 versprochen, ein eigenes Museum für die Sammlung zu gründen. Das wurde durch den millionenteuren Umbau der ehemaligen Bankfiliale für die vielen meist kleinformatigen Bilder ermöglicht. Zum anderen stammen die Werke von Künstlern, deren Spuren nach Chemnitz verweisen. Am anschaulichsten lässt sich das anhand des von 1905-1913 bestehenden, in großen Teilen expressionistischen Künstlerkollektivs Brücke zeigen. Zwar wurde die von Architekturstudenten der Technischen Hochschule Dresden gegründet, doch einige von ihnen waren eng mit Chemnitz verbunden. Karl Schmidt-Rottluff (1884-1976) wurde bei Chemnitz geboren, Erich Heckel (1883-1970) verbrachte seine Kindheit hier und Ludwig Kirchner (1880-1938) legte sein Abitur in Chemnitz ab. Sie alle verschlug es dann nach Dresden, wo sie als Künstlergruppe Brücke letztlich Weltruhm erlangten. Eine neue Epoche in der Kunst und ein neues Malen waren angebrochen. Der Mut zur Abstraktion siegte über das Figürliche, der Ausdruck über den Erziehungscharakter. Aber nicht nur die Brücke-Maler werden im Museum Gunzenhauser gezeigt. Es gibt eine fast 300 Werke umfassende Sammlung von Otto Dix (1891-1969) und die weltweit zweitgrößte Sammlung von Bildern des deutsch-russischen Malers Alexej von Jawlensky (1865-1941). Letztgenannter ist vielleicht bekannt durch seinen Bilderzyklus Meditationen. Kleinformatige, sehr abstrakte Gesichter, die auf Heilige oder auf Christus verweisen. Mit dunklen Strichen in den Farbgrund gearbeitet, oftmals flächig und kräftig, dann wieder sanft, unnahbar und nahezu mystisch. Max Beckmann (1884-1950), der unter anderem für seine kraftvoll ausdrucksstarken bis verstörenden Selbstporträts bekannt ist, ist ebenso zu finden wie der Autodidakt und freischaffende Dresdener Künstler Conrad Felixmüller (1897-1977).
Führungen durch das Museum Gunzenhauser
Wir hoffen, wir haben Sie neugierig gemacht auf einen Besuch in der Stadt der Moderne. Ebenso wie beim Henry van de Felde Museum prägt auch im Museum Gunzenburger die Architektur den Gesamteindruck. Die 8€ Eintritt (ermäßigt 5€) sind es jedenfalls allemal wert – eine solche Dichte an einmaliger Kunst, die für den Aufbruch ins 20. Jahrhundert steht, werden Sie sonst nur schwer finden. Die Sammlung hat mittwochs übrigens bis 21.00 Uhr geöffnet. So können Sie das Museum in Ruhe genießen, obwohl es auch sonst nicht überlaufen ist. Dienstags und donnerstags bis sonntags ist von 11.00 Uhr bis 18.00 Uhr geöffnet, mittwochs wegen der späten Schließzeit erst ab 14.00 Uhr. An den Wochenenden gibt es kostenlose Führungen: samstags um 14.30 Uhr, sonntags um 16.00 Uhr. Aber auch ohne Führung empfehlen wir Ihnen einen Besuch ausdrücklich.
Hinweise
Die Adresse des Museum Gunzenhauser lautet: Falkeplatz, 09112 Chemnitz
Der barrierefreie Zugang befindet sich an der Stollberger Straße 2
Als Gruppe (maximal 24 Personen) melden Sie sich bitte unter der Rufnummer 0371-4887024 an. Alternativ können Sie eine E-Mail an info.kunstsammlungen@stadt-chemnitz.de schreiben
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Ein Bildband zum Expressionismus, zu Otto Dix oder zur Künstlergruppe Brücke ist sicher eine tolle Vorbereitung auf diese besondere und umfangreiche Ausstellung