Heute wird gezündelt. Wir reisen in die Steinzeit und machen ein Feuer mit Zunderschwamm und Funkenflug. Faustkeile und Äxte erzählen Geschichten von der Jagd und die ersten Bauern von Schleswig-Holstein treffen auf die Flintstones. Im Steinzeitpark Dithmarschen warten jede Menge Abenteuer auf Sie.
Es ist vielleicht eine der größten Errungenschaften der Menschheit, Feuer kontrolliert zu entzünden und Feuer zu bändigen. Feuer, welches sonst nur von Blitzeinschlägen auf die Erde gesandt wurde oder bei ausbrechenden Vulkanen aus der Erde hervorquoll. Funde deuten darauf hin, dass Frühmenschen (Spezies der Gattung Homo) schon vor 1,5 Millionen Jahren Feuerstellen in ihren Höhlen hatten. Auf dem afrikanischen Kontinent entwickelte sich vor etwa 300.000 Jahren der heutige Mensch (Homo sapiens); nach einem langen Umweg über Asien zog er etwa 45.000 Jahre v. Chr. auch in das heutige geografische Europa ein. Er entwickelte feine Klingen aus Feuersteinen; wir befinden uns in der Zeit der jungen Altsteinzeit (Jungpaläolithikum) und Faustkeile wurden langsam von immer aufwendiger bearbeiteten Feuersteinen abgelöst. Aber natürlich heißt der Feuerstein nicht Feuerstein, weil er als hervorragend bearbeitbares Material für die Werkzeug- und Waffenherstellung gebraucht werden konnte. Er war tatsächlich wichtig für das Entzünden eines Feuers. Und wie das genau ging, können Sie bei einem Besuch des Landkreises Dithmarschen südlich von Nordfriesland erfahren. Hier besuchen wir heute den Steinzeitpark Dithmarschen.
Der Steinzeitpark Dithmarschen – ein Freilichtmuseum am Nord-Ostsee-Kanal
Im Steinzeitpark Dithmarschen am Ortsrand von Albersdorf tauchen wir ein in das Leben von Jägern und Sammlern. Aber es ist auch die Zeit, in der sich die ersten Sesshaften entwickelten; also zunehmend ortstreue Gesellschaften mit Dorfstrukturen, Ackerbau und Viehzucht. Wir reisen sozusagen in die Zeit der ersten Bauern Schleswig-Holsteins. Noch heute finden sich hier neben landwirtschaftlichen Nutzflächen (besonders der dithmarsche Kohl ist berühmt) zahlreiche Kühe und vor allem Schafe. Letztere sind allerdings besonders wertvoll, seit man die Küsten durch Deiche schützt. Mit der Zeit bekam man heraus, dass der goldene Tritt und Biss der Paarhufer die Dämme und Wälle besonders gut vor Erosion bewahrt und ihnen dank einer gesunden Grasnarbe besondere Festigkeit verleiht. Besonders wichtig, wenn man nicht will, dass am Ende wie in Theodor Storms Novelle Der Schimmelreiter alle Dämme brechen. Aber zurück in die Steinzeit. Was hier entstanden ist und früher sehr touristisch unfreundlich Archäologisch-ökologisches Zentrum Albersdorf hieß, ist eine Steinzeitlandschaft, die sich inzwischen auf ein 40 Hektar großes Freigelände verteilt. Hier gibt es ursprüngliche Hütten zu besichtigen, die nach Vorgaben archäologischer Forschung rekonstruiert wurden. Diese sind aus einzelnen Stämmen errichtet. Sie werden von Ästen oder Weiden zusammengehalten und auf ihren Dächern finden sich Erde und Gras als Schutz vor der Witterung. Das Außengelände bietet unter anderem einen Teich, an dem Einbäume liegen. Denn in der Nähe von Flüssen war man natürlich nicht nur jungsteinzeitlicher Landwirt, sondern auch Fischer. Die Eider mündet nicht weit von hier in den Nord-Ostsee-Kanal; letztgenannten gab es damals natürlich noch nicht. Auch die Elbe bahnt sich hier hoch im Norden den Weg an die Küste. Der Steinzeitpark Dithmarschen liegt keine 100 Kilometer von Hamburg und keine 40 Kilometer von der Elbmündung entfernt.
Feuer im Steinzeitpark Dithmarschen
Wir sind heute aber vor allem aus einem Grund in den Reisebus gestiegen. Wir wollten uns dem steinzeitlichen Feuermachen annähern. Wer hat nicht schon mal davon geträumt, den heimischen Grill oder Kamin mit einem lässig erzeugten Funkenflug zu entzünden. Ganz ohne Anzünder, Feuerzeug und Streichhölzer. Aber leicht wird diese Aufgabe nicht werden, das war uns schon vor dem gebuchten Gruppenangebot klar. Ohne fachkundige Anleitung wären wir ganz schön aufgeschmissen gewesen. Als Erstes haben wir gelernt, dass es immer drei Zutaten braucht, um wirklich ein Feuer zu entfachen. Zum einen benötigen wir Schwefelkies; das ist ein eisensulfidhaltiges Gesteine wie Pyrit. Dieser gilt als der eigentliche Funkengeber; aus ihm werden also die entstehenden Funken herausgeschlagen. Das geschieht dann tatsächlich mit dem berühmten Feuerstein, der als Funkenlöser gilt. Er wird auch Flint genannt und mit großem Schmunzeln wurde unserer Reisegruppe klar, woher die Flintstones in der Fernsehserie mit der Steinzeitfamilie ihren Namen haben. Feuersteine sind bei Ablagerungen in der Jura- und Kreidezeit entstanden und von den letzten Eiszeiten wurden sie dann aus Skandinavien mit den wandernden Gletschern in Richtung Mitteleuropa gedrückt. Es gibt also ein nordmitteleuropäisches Verbreitungsgebiet, das entlang der sogenannten Feuersteinlinie verläuft. Ötzi, die 1991 in Südtirol entdeckte Gletschermumie aus der Jungsteinzeit, hatte einen Feuerstein bei sich und belegt, dass Feuersteine ein wertvolles Handelsgut waren. Ohne Feuerstein kein Feuer könnte man sagen. Und noch bevor wir uns im Funken schlagen versuchen, erfahren wir, dass es auch darauf ankommt, ein möglichst leicht entflammbares Material zur Hand zu haben. Der absolute Klassiker dabei ist das trockene röhrenförmige Mittelstück des Zunderschwammes. Ein Baumpilz, der auch heute noch wächst und Ihnen im Notfall im Wald beim Feuermachen nützlich sein kann. Damit haben wir das handliche Set aus Pyrit, Feuerstein und Zunderschwamm zusammen. Es war ein echtes Erlebnis, mit solch einfachen Materialien eine winzige Flamme entzünden zu können. Auch der Feuerbogen und der Feuerbohrer waren alte Kulturtechniken zum Feuermachen, die uns heute von unserem Museumsmitarbeiter im Steinzeitlook nahegebracht wurden. Das älteste Feuerzeug der Welt (so nennt sich unser heutiges dreiteiliges Set) wurde übrigens in der baden-württembergischen Vogelherdhöhle gefunden; verwendet wurde es dort vor über 30.000 Jahren. Man fand eine sogenannte Pyritknolle. In Anfangszeiten der neuen Kulturtechnik wurden aber vermutlich auch lediglich zwei Feuersteine aufeinander geschlagen. Mit den erzeugten Funken ist es aber wesentlich schwieriger, ein Feuer zu entzünden als mit Pyrit und Feuerstein.
Die Grabanlagen vom Steinzeitdorf Dithmarschen
Das Besondere am Steinzeitpark Dithmarschen ist, dass er originale und rekonstruierte Schauplätze der Jungsteinzeit miteinander verbindet. Exemplarisch sind auf dem großen Gelände mehrere Grabkonstruktionen vereint. Es gibt Megalithen (Großsteingräber), Dolmen (im Französischen ein altes Wort für Tafel aus Stein) und Grabhügel. Das Megalithgrab von Fredstedt wurde nach Albersdorf auf das Gelände des Steinzeitparks Dithmarschen verfrachtet (die Deckplatte wiegt gut 40 Tonnen) und dort rekonstruiert. Mehrere wuchtige Steine stecken nebeneinander im Erdreich, die glatten Seiten weisen nach innen und bilden so eine Kammer mit ästhetischem Ausdruck. Über allem ruht der tonnenschwere Deckstein. Zur einen Seite hin ist die ehemalige Grabanlage geöffnet und ein Erdhügel wurde drum herum aufgeschichtet. Diese sind vielerorts durch Erosion und den Zahn der Zeit verweht. Aber die Steine haben oft überdauert. Und auch wenn die Gräber meistens geplündert wurden im Laufe der Weltgeschichte, so sind sie doch ein Mahnmal für die Ewigkeit; schließlich haben sich die Anlagen selbst in die Zukunft gerettet – bis auch sie eines sehr fernen Tages von den Kräften der Natur zersetzt werden. Wir haben heute unsere Lektion über das Leben und den Tod, über das Feuermachen und über die ewige Grabesruhe gelernt. Es war ein gelungener Ausflug in den Steinzeitpark Dithmarschen. Als letzter Hinweis sei Ihnen mitgegeben, dass es auch im Ort Albersdorf selbst ein Relikt der Vergangenheit zu bestaunen gibt. Das Großsteingrab Brutkamp lag früher allein in weiter Flur, in der Neuzeit wurde ein Dorf darum herum gebaut und was in weiteren 40.000 Jahren geschehen wird, ist aus heutiger Sicht mehr als nur ungewiss.
Hinweise
Den Steinzeitpark Dithmarschen finden Sie in der Südstraße 47 in 25767 Albersdorf. Sie können das Gelände mit dem Reisebus anfahren und dort auch parken. Der Steinzeitpark Dithmarschen liegt östlich der A23 an der Abfahrt Albersdorf.
Öffnungszeiten im Steinzeitpark Dithmarschen: In den Sommermonaten bis Ende Oktober hat der Steinzeitpark täglich außer montags von 11.00 Uhr bis 17.00 Uhr geöffnet; danach lediglich bis 16.00 Uhr. Fällt der Montag auf einen Feiertag, ist natürlich ebenfalls geöffnet. Das dazugehörige Steinzeithaus (in dem Sie viel über die Geschichte der Menschheit und der Steinzeit erfahren können) hat zu denselben Zeiten geöffnet. Der Eintritt für die Anlage beträgt 9,50 €. Bei Gruppen ab 10 Personen zahlt jeder noch 7.00 €.
Die Gruppenführung mit steinzeitlichem Feuermachen kostet für zwei Stunden inklusive Anleitung und Betreuung zusätzlich 150 €. Alternative Führungsangebote umfassen Flintsteinbearbeitung wie Messerherstellung oder Lederbearbeitung. Es gibt auch Einführungen in die Steinzeit, geführte Rundgänge auf dem Gelände, Einbaumkurse und noch vieles mehr. Informieren Sie sich über ein Wunschpaket für ihre Reisegruppe unter der Rufnummer 04835-2137613. Weitere allgemeine Infos erhalten Sie während der Bürozeiten (montags bis freitags von 09:30 bis 12:30 Uhr) unter der Rufnummer 04835-971097. Oder Sie schreiben eine E-Mail an info@steinzeitpark-dithmarschen.de
Eine öffentliche, barrierefrei zugängliche Toilette gibt es am Parkplatz.
Lesenswert
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