Eine Reise durch die Altmark. Handwerk, Landwirtschaft und Endmoränenlandschaft. Wir verraten Ihnen, was aus Flachs hergestellt wird, wo die schönsten Scheunen stehen und wie tief Frömmigkeit und Religion eine bäuerliche Region einst geprägt haben.
Ich weiß mein Gott, dass all mein Tun und Werk auf Deinem Willen ruhn. Solche und ähnlich fromme Sprüche zieren die tragenden Fachwerkbalken der Gebäude im Museumsdorf und Freilichtmuseum Diesdorf in der Altmark. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn die Gesindehäuser, Werkstätten, Scheunen, Wohnhäuser und Schuppen stammen aus dem 17., 18. und 19. Jahrhundert und präsentieren sich als erhalten gebliebener Schatz der Altmark. An der heutigen Grenze zu Niedersachsen und noch ein ganzes Stück südlich vom Wendland liegt eine Region, deren Charakter in die alten Bauwerke eingeschrieben scheint. Hofstrukturen und bäuerliche Landwirtschaft haben die Gegend über Jahrhunderte geprägt; und doch waren offenbar ausreichend Mittel vorhanden, um auch dem Handwerke und der Architektur zur Blüte zu verhelfen. Verzierte Giebel, farbig bemalte und beschriftete Balken, ziegelgedeckte Dächer und Fachwerk mit rötlichbraunem Klinker wirken stimmig zusammen und laden die Besucher zum Verweilen auf dem Gelände ein. Unser heutiges Ausflugsziel ist eine wahre Zeitreise.
Das Freilichtmuseum Diesdorf und die Geschichte des Flachs
Doch tauchen wir einmal wirklich ein in die vergangenen Zeiten. Hier im Nordwesten von Sachsen-Anhalt kann das Wetter auch schon mal launisch sein. Mitunter bläst ein frischer Wind oder es regnet. Sie kommen als erfahrene Busreisende vielleicht mit robuster und wetterfester Funktionskleidung. Aber diese ist natürlich verhältnismäßig jung. In früheren Zeiten wurde Kleidung aus Baumwolle, Hanf, tierischer Wolle – oder eben aus Leinen gefertigt. Doch was ist das genau? Auch Linnen wurde es genannt und in Worten wie Leinwand kommt es noch heute vor. Die Pflanze, aus der letztlich der Stoff gewonnen wird, ist der gemeine Lein. Eine bläulich blühende Ackerpflanze, aus der sich Öl pressen oder eben Leinen herstellen lässt. Ein anderes Wort für die Naturfaser ist Flachs. Er lässt sich gut spinnen. Die Flachsverarbeitung wird im Freilichtmuseum Diesdorf anschaulich vorgestellt; es gibt sogar Felder, auf denen die Pflanze wächst, deren Verarbeitung über lange Zeit eine bedeutende Kulturleistung war. Baumwolle, tierische Wolle und viel später synthetische Fasern lösten das Leinen nach und nach ab. Aber wer schon einmal ein Leinenhemd getragen hat, weiß, wie gut sich das bei heißen Temperaturen anfühlt. Auch besonders reißfest ist das Material. In der Altmark war die Flachsverarbeitung ein wichtiges Gewerbe und die mitunter langwierigen Arbeitsschritte haben Eingang gefunden in Sprichworte, Märchen, Feste und Brauchtum.
Die Bauerngärten im Freilichtmuseum Diesdorf
Auch das Küferhandwerk, also das Herstellen von dichten Holzfässern (etwa zur Lagerung von Bier und Wein), hat eine lange Tradition und beim Rundgang durch die verschiedenen Gebäude können Sie mehr dazu in Erfahrung bringen. Ihnen ist es freigestellt, ob Sie sich als Gruppe selbstständig über das Gelände bewegen oder ob Sie an einer mit 2 € pro Teilnehmer günstig ausfallenden Führung teilnehmen möchten. Der Eintritt selbst kommt dann bei Personengruppen ab 15 Teilnehmern noch hinzu. Er ist mit 3 € ebenfalls sehr erschwinglich. In der spätherbstlichen und winterlichen Jahreszeit vom 01. November bis 31. März können Sie ohnehin nur als Gruppe auf das Gelände. Anders als im restlichen Jahr gibt es dann keine regelmäßigen Öffnungszeiten. Das bietet den tollen Vorteil, dass Sie das Freilichtmuseum Diesdorf dann quasi für sich alleine haben. Andererseits ist die Stimmung in den frühlingshaften und sommerlichen Monaten auch unbedingt zu empfehlen; schon weil es ein halbes Dutzend angelegter Bauerngärten, einen sogenannten Hopfendamm und Felder mit Obst und Gemüse gibt.
Das Freilichtmuseum Diesdorf und seine Gründung
Begonnen hat alles vor über einhundert Jahren, als im Jahr 1911 der Landarzt Dr. Georg Schulze einen Wohlfahrtsverein gründete. Dies war der Ursprung für die heutige Ansammlung von über zwei Dutzend historischer Gebäude, die nach und nach aus der Region hierher verbracht wurden. So wurde ein Stück Altmark und die dazugehörige Kultur verewigt. Es begann mit einem Backhaus und einem Speicher, dann kam allerdings erst einmal der Erste Weltkrieg dazwischen. Der überwiegende Teil der Gebäude entstand übrigens erst in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts, nachdem das Kernmuseumsdorf den Zweiten Weltkrieg nahezu unbeschadet überstanden hatte. Umtriebige und engagierte Museumsdirektoren prägten die Zeit vor 50 Jahren. Nach der Wiedervereinigung wurde der Dorfkrug errichtet. In dem Gebäude befindet sich noch heute das Museumscafé. Hier gibt es hausgemachte Kuchen. Bei rechtzeitiger Anmeldung können Sie für die Reisebusgruppe auch einen herzhaften Mittagsimbiss bestellen. Auf Wunsch auch vegetarisch. Der große Gastraum bietet die Möglichkeit, 60 Personen unterzubringen; 20 Gäste können im kleinen Gastraum verköstigt werden. Und im Sommer gibt es noch eine Terrasse für bis zu 30 Besucher. Nach so vielen Eindrücken ist es garantiert eine gute Idee, sich zu stärken.
Vom Freilichtmuseum nach Diesdorf
Wenn Sie neugierig auf die Umgebung geworden sind und Ihnen der Ausflug zum Freilichtmuseum Diesdorf noch etwas Zeit lässt, dann haben wir noch zwei Vorschläge für Sie. Nachdem Sie eines der ältesten Museumsdörfer Deutschlands besichtigt haben, fahren Sie doch einmal zum Abgleich mit der heutigen Realität in das echte Diesdorf. Hier steht eine Klosterkirche aus dem 12. Jahrhundert. Auch wenn der weithin sichtbare rechteckige Turm mit seiner von zahlreichen Fenstern durchbrochenen Backsteinfassade erst im Jahr 1863 erbaut wurde, so ist es doch ein Ort, an dem spürbar wird, dass hier seit Jahrhunderten eine heilige Ruhe herrscht. Zumindest wenn wir einmal von den vielen Kriegen des Mittelalters und der Neuzeit absehen. Der kompakte Bau wirkt durch schmückende horizontale dekorative Friese aufgelockert. Ebenfalls sehenswert sind die drei Großsteingrabanlagen in der Umgebung, die über 5000 Jahre alt sind und einen eigenen Besuch wert sind. Also kommen Sie doch einfach ganz bald wieder in die Altmark – eine Landschaft mit Wäldern, sanften Hügeln und sandigen Böden.
Hinweise
Das Freilichtmuseum Diesdorf liegt an der Molmker Straße 23 in 29413 Diesdorf in der Altmark. Wolfsburg ist 45 km entfernt, Salzwedel etwa 30 km. Am Museumsgelände gibt es kostenlose Parkplätze. Auch mit dem Reisebus können Sie hier parken.
Museumscafé und die Museumskasse befinden sich im selben Gebäude. Als Reisegruppe melden Sie sich bitte vorher unter der Rufnummer 03902-939 oder unter der Mobilfunknummer 0160-1587648 an. Sie können das Café auch unter der E-Mail-Adresse kontakt@museumscafe-diesdorf.de erreichen. Von 01. April bis 31. Oktober sind die regulären Öffnungszeiten von 10.00 Uhr bis 17.00 Uhr. In der übrigen Zeit nach Absprache nach erfolgter Anmeldung für Gruppen ab 15 Teilnehmern.
Auch wenn die Pfade auf dem Gelände zum Teil etwas holprig und somit auch authentisch sind, ist das Gelände weitestgehend barrierefrei. Auch das Café ist ebenso wie die Toilette barrierefrei zugänglich.
Lesenswert
Da wir die Geschichte vom Flachsanbau bis zum fertigen Leinen ein spannendes Thema fanden, empfehlen wir Ihnen das etwa 30 € teure Taschenbuch Der Flachs, seine Kultur und Verarbeitung von R. Kuhnert. Mit einem Augenzwinkern wollen wir hinzufügen: Es ist nie zu spät für neue Hobbys.