Der Schimmelreiter sprengt mit seinem Ross über den Deich und im Hause Storm fegen acht Kinder wie ein Orkan durchs Haus. Wir berichten von Novellen und biografischen Geschichten aus Nordfriesland. Willkommen im Theodor-Storm-Museum in Husum, willkommen an der Küste!
Am grauen Strand, am grauen Meer / Und seitab liegt die Stadt / Der Nebel drückt die Dächer schwer / Und durch die Stille braust das Meer / Eintönig um die Stadt. Diese Zeilen wurden im Jahr 1852 geschrieben und sind der Auftakt eines Gedichtes von Theodor Storm (1817-1888) über seine Geburtsstadt Husum in Nordfriesland. Was so trist und monoton daherkommt, soll sich im Laufe der Zeilen noch zu einer tapferen Liebeserklärung an seine wolkenschwere und nebeldichte Geburtsstadt wandeln. Der kleine Theodor kommt in Husum zur Welt. Noch heute zeugt sein Geburtshaus am Markt 9 samt angebrachter Plakette davon, dass der Lyriker und Novellenschreiber hier im hohen Norden das Licht der Welt erblickte. Und wie könnte es mit diesem Nachnamen auch anders sein. Als Sohn eines Rechtsanwaltes und einer Frau aus einer wohlhabenden Patrizierfamilie war es ihm vergönnt, seiner Schulkarriere in Husum ein goldenes Hütchen aufzusetzen, da er vor seinem Jurastudium in Kiel Zwischenstation in Lübeck machen durfte. Das dortige Katherineum war ein altsprachliches Gymnasium, welches bereits seit dem 16. Jahrhundert bestand und welches den literarischen Horizont des jungen Theodor Storm ungemein erweiterte. Er kam mit den Stücken von Goethe (1749-1832) und vor allem auch mit den Gedichten von Heinrich Heine (1797-1856) und von Joseph von Eichendorff (1788-1857) in Kontakt. Zeit seines Lebens verstand sich der Erschaffer des Schimmelreiters immer auch als Dichter und als von der Dichtkunst geprägten Novellenschreiber. Wir besuchen ihn und sein Werk im Theodor-Storm-Museum in Husum an der nordfriesischen Nordseeküste.
Theodor Storm und die Frauen
Wenn wir uns den Hafen von Husum und das Nordfriesische Museum angeschaut haben, machen wir uns auf den Weg in die schmale kleine Straße mit dem Namen Wasserreihe. Hier hat Storm im Haus mit der Nummer 31 mit seiner zweiten Ehefrau Dorothea Jensen (1828-1903) gelebt. In den siebziger und achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts war das. Mit dabei waren die sieben Kinder Theodor Storms aus erster Ehe und im Jahr 1868 kam noch die kleine Friederike dazu; Dorothea bekam in ihrem 40. Lebensjahr doch noch ein Kind mit Theodor Storm, mit dem sie eine stürmische Leidenschaft in ihren Jugendjahren verlebt hatte. Allerdings war der Preis dafür hoch gewesen. Die zunächst fünfjährige Affäre mit Storm hatte sich wie folgt zugetragen: Ein Jahr nachdem der angehende Rechtsanwalt und Schriftsteller seine Cousine Constanze zur Ehefrau genommen hatte, ging Storm eine mehr oder weniger heimliche Verbindung mit Dorothea Jensen ein. Das endete für Dorothea tragisch; sie war letztlich gezwungen, Husum zu verlassen und schlug sich mehr schlecht als recht durchs Leben. Die Verbindung mit Theodor Storm gab sie aber nie ganz auf. Auf diese Weise kam es letztlich zur Übereinkunft und Heirat im Anschluss an Storms Trauerjahr im Jahr 1865. Constanze Storm war nach der Geburt des siebten Kindes am Kindbettfieber gestorben. Der Gedichtzyklus Tiefe Schatten entstand. Gekannt haben sich Dorothea und Theodor übrigens aus dem ersten gemischtgeschlechtlichen Husumer Chor aus dem Jahr 1843; auch den hatte der den Künsten zugewandte Storm gegründet. Schon im Jahr 1846 hatte Storm geheiratet und er war mit Constanze zusammengezogen; allerdings nicht in das Haus, in dem sich heute das Theodor-Storm-Museum befindet. Dennoch ist beiden Frauen biografisch Platz eingeräumt worden bei der Darstellung im niedrigen zweistöckigen Husumer Häuschen. Zunächst aber betreten wir den sich seitlich ans Haus schmiegenden Vorgarten mit historischer Wasserpumpe und einem weiteren kleinen Gebäude; hierin befinden sich praktischerweise die Schließfächer für die Garderobe und barrierefrei zugängliche Toiletten. Das erste OG des Theodor-Storm-Museums ist allerdings nur über Treppen zu erreichen.
Das Theodor-Storm-Museum
Was bekommen wir nun also zu sehen im Haus von Theodor Storm? Wir betreten das alte Husumer Kaufmannshaus aus dem Jahr 1730 und entdecken nach der Begrüßung im Eingangsbereich sogleich das geräumige Wohnzimmer der Familie Storm. Im nächsten Raum wird an den Wänden mit Schriftzügen und biografischen Tafeln darüber berichtet, dass der in Husum aufgewachsene Storm nach seiner Studienzeit von 1843 bis 1852 in Husum als Rechtsanwalt arbeitete, dass er zehn Jahre im preußischen Exil war (unter anderem mehrere Jahre in Berlin) und dass er dann als Amtsrichter für die Zeit von 1864-1880 nach Husum zurückkehrte. Seine letzten Lebensjahre nach seiner Pensionierung verbrachte Theodor Storm übrigens im fast 50 Kilometer von Husum entfernt gelegenem Hademarschen. Dort vollendete er auch seine berühmteste Novelle; die geisterhafte tragische Geschichte vom Schimmelreiter. Diese alte, ursprünglich aus der Region Danzig stammende Sage war ihm in seiner Jugend in Husum schon begegnet und nach mehreren Jahrzehnten brachte er sie schließlich in seiner ihm eigenen Form zu Papier. Unvergessen, wie der Protagonist und Deichgraf Hauke Haien gegen Wind, Wetter und die Schicksalsschläge des Lebens ankämpft. Nach ganz oben arbeitet er sich, nach ganz unten in die Abgründe der deichzerberstenden Sturmflut zieht es ihn letztlich. Frau und Kind hat er da bereits in den Fluten verloren. Ein ganzer Raum im Theodor-Storm-Museum ist dieser spannenden Geschichte gewidmet. Auch der originale Schreibtisch, an dem Storm dieses Werk verfasst hat, hat seinen Weg von Hademarschen irgendwie nach Husum gefunden. Der Schreibtisch ist außerdem ein wertvolles Zeitrelikt und Kunstwerk, weil der in Schleswig-Holstein aufgewachsene spätere expressionistische Maler Emil Nolde (1867-1956) ihn unter seine Finger bekam. Dieser ging damals neben dem Zeichnen noch dem Schnitzerhandwerk nach. Die vier hölzernen Eulen, die auf der Arbeitsplatte ruhen und den Aufbau des Schreibtisches tragen, sind von Nolde gestaltet. Überhaupt ist die Anzahl der originalen Gegenstände aus dem Hause Storm überwältigend. Einiges wurde zusammengetragen, ohne dass es in seiner Präsentation auf den beiden Etagen durcheinander oder überfrachtet wirken würde. Die originale kiloschwere Familienbibel ist ebenso dabei wie ein Silberlöffelchen, auf dem die Beißspuren des kleinen Theodor erkennbar sind. Mobiliar wie Sekretäre, Stühle und Tische ergänzen sich mit kleinen Gemälden und Porträts.
Das Poetenstübchen im Theodor-Storm-Museum
Wir empfehlen Ihnen übrigens, sich mit einer nicht zu großen Reisegruppe für eine Führung anzumelden; das Gebäude ist eng und verschachtelt. Sie haben einfach mehr Luft zum Atmen, wenn der Reisebus sich auf zwei Gruppen aufteilt. Und frisches Durchatmen ist es doch sicherlich ein Grund, aus dem Sie eine Reise an die Nordseeküste angetreten haben. Während eine Gruppe den Hafen erkundet, kann die andere Gruppe in den literarischen Ozean des Küstenschriftstellers eintauchen. Das bereits erwähnte Wohnzimmer ist geräumig und so hergerichtet, wie es zu Lebzeiten Theodor Storms war. Ein besonderer Glanzpunkt ist die Weihnachtszeit: Dann schmückt ein prächtiger Baum das Häuschen und er ist mit silbernem Lametta behangen. Eine Erfindung des 19. Jahrhunderts, die auch bei der Familie Storm sehr beliebt war. Ein weiterer Höhepunkt ist sicherlich das Poetenstübchen, also der künstlerische Arbeitsraum des Literaten und Lyrikers im ersten Obergeschoss. Deckenbalken ziehen sich durch den kleinen dunkelrot gestrichenen Raum und dunkle Möbel erzeugen eine Stimmung zwischen Gemütlichkeit und Konzentration. Durch das eine vorhandene Fenster fällt allerdings nicht besonders viel Licht hinein. Wir dürfen also davon ausgehen, dass hier im Glanz einer Petroleumlampe oder im Kerzenschein zu Papier gebracht wurde, was von Husum aus seinen Weg in die ganzen deutschen Lande gefunden hat. Die Novelle Immensee ist hier noch zu nennen oder die explizit an die Jugend gerichtete Erzählung Pole Poppenspäler. Doch über allem – wir sagten es bereits – stand für Theodor Storm stets die Lyrik. Somit verabschieden wir Sie von unserem Tagesausflug nach Nordfriesland mit den letzten Versen aus dem Gedicht an sein geliebtes Husum: Doch hängt mein ganzes Herz an dir / Du graue Stadt am Meer / Der Jugend Zauber für und für / Ruht lächelnd doch auf Dir, auf Dir / Du graue Stadt am Meer.
Hinweise
Das Theodor-Storm-Museum steht in der Wasserreihe 31 in 25813 Husum. Von April bis Oktober hat das Theodor-Storm-Museum dienstags bis freitags und am Sonntag von 14.00 Uhr bis 17.00 Uhr geöffnet; an Samstagen schon ab 11.00 Uhr. Von November bis März dienstags, donnerstags und samstags von 14.00 Uhr bis 17.00 Uhr. Der Eintritt kostet 5 €, Gruppen ab 10 Personen zahlen lediglich 3 € pro Person.
Möchten Sie sich als Gruppe anmelden, nehmen Sie bitte telefonisch Kontakt auf. In Husum unter der Rufnummer 04841-8038630. Oder Sie können zur genauen Planung eine E-Mail an info@storm-gesellschaft.de schreiben.
Husum erreichen Sie, wenn Sie in der Nähe sind und von Norden oder Süden kommen über die Bundesstraße B5. Oder Sie fahren von der A7 bei Schleswig in Richtung Schuby ab und folgen der B201 nach Husum. In Husum können Sie am westlichen Stadtende in Richtung Küste an der Dockkoogstraße auf einem gebührenfreien Parkplatz stehen oder Sie nehmen den großen Parkplatz am Binnenhafen Husum an der Gaswerkstraße. In beiden Fällen brauchen Sie zu Fuß nur 5-10 Minuten bis zum Hafen; das Theodor-Storm-Museum liegt dann in der ersten Parallelstraße zum Hafenbecken. Außerdem gibt es im Ort gute touristische Hinweisschilder.
Lesenswert
Wir empfehlen Ihnen natürlich die Novelle Der Schimmelreiter zu lesen, bevor Sie in die Region fahren und das Theodor-Storm-Museum besuchen. Das schafft schon einmal die richtige Grundstimmung. Auch der Gedichtband vom Inselverlag für 12 € ist eine schöne und nicht ganz so unheimliche Annäherung.