Dresden überrascht mit der höchsten Moschee Deutschlands.
Aber eigentlich ist es gar keine Moschee, sondern ein Bürogebäude.
Wir besuchen die ehemalige Tabakfabrik am Elbufer, speisen im Kuppelrestaurant und lernen einiges über die große Geschichte der Zigarettenindustrie in der sächsischen Landeshauptstadt!
Entworfen wurde die 1912 fertiggestellte Yenidze Tabakfabrik in Dresden im Auftrag des Industriellen Hugo Zietz vom Architekten Martin Hammitzsch, der 1878 in Plauen bei Dresden geboren wurde. Er sollte später ganz andere Pfade einschlagen, wurde Schwager Adolf Hitlers, war in der NSDAP und Hauptmann bei der Wehrmacht. 1945 beging er Suizid. Der wegen seines kühnen Gebäudes später wegen undeutschen Bauens aus der Reichsarchitektenkammer geworfene Hammitzsch (seine Karriere während der Zeit des Nationalsozialismus verhinderte das offenbar nicht) war wohl aufgeschlossener in sein Leben gestartet. Von Reisen und Studien inspiriert war er der Richtige für den Entwurf einer Moschee. Dass die Yenidze Dresden überhaupt so aussieht wie ein orientalisches Gotteshaus, ist aber zwei ganz anderen Umständen zu verdanken. Zum einen gab es im barocken Dresden die Auflage, dass in der Stadt und in exponierter Lage an der Elbe kein Fabrikbau errichtet werden durfte, der wie eine Fabrik aussah. Außerdem war sich der Unternehmer Zietz der Werbewirksamkeit der Idee bewusst, der Stadt Dresden mit so einem markanten Bauwerk einen Stempel aufzudrücken. Die Silhouette taugte ganz hervorragend für einen Skandal und auch als stimmiges Bild für die Zigarettenproduktion mit aromatischem und würzigem Tabak aus dem Orient.
Yenidze: von der Tabakfabrik zum Bürokomplex
Der Gebäudekomplex mit seinem 62 Meter in die Höhe ragendem Pseudo-Minarett (es wurde ebenso wenig als solches genutzt, wie auch die gesamte Moschee eben zu keinem Zeitpunkt eine war) ist architektonisch gesehen eine Meisterleistung. Er ist nicht nur der erste Industriebau Europas aus Stahlbeton, auch seine Kuppel mit hunderten eingesetzten Gläsern wurde schnell über die sächsischen Landesgrenzen hinaus bekannt. Wie es das Schicksal der Landeshauptstadt Dresden bekannterweise war, wurde im Bombenhagel zu Kriegsende auch ein Teil von Yenidze in Schutt und Asche gelegt. Viele der Gläser in der Kuppel wurden erst nach der Wiedervereinigung nach historischen Bauplänen erneut hergestellt und somit originalgetreu ersetzt. Die Treuhand hatte den Bau an einen Immobilienfonds verkauft, der Yenidze zu einem sich über fünf Etagen erstreckenden Bürokomplex entwickelt hat. Dies entspricht auch heute noch überwiegend seiner Nutzung.
Sächsische Küche im Orient – das Kuppelrestaurant von Yenidze
Auch wenn Yenidze heute an verschiedenste Unternehmen als Büros vermietet wird, so wäre es doch vergeudet gewesen, wenn die prächtige Kuppel nicht auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden wäre. Das war offenbar auch aus unternehmerischer Sicht die richtige Entscheidung. Unter der orientalischen Kuppel fanden bis vor wenigen Jahren Märchennachmittage für Kinder statt. Infos zum neuen Standort im Bräustübel in Dresden Loschwitz gibt es bei der 1001 Märchen GmbH. Früher trat man noch offensiv mit dem klingenden Namen Verein der Freunde der 1001 Märchen in der Yenidze e.V. auf. Die Zeiten sind vorbei. Was sich in der Yenidze Tabakfabrik Dresden unter der Kuppel erhalten hat, sind orientalisch-europäische Tanzveranstaltungen, Ballett, Kunstausstellungen mit Malerei, Fotografie und digitalen Medien. Wenn Sie mit dem Reisebus auf einen Stadtbesuch in Dresden sind, dann gibt es eine gute Nachricht: ganz unabhängig von Veranstaltungen (über die Sie sich vor Ort oder über die Homepage von Yenidze erkundigen können) gibt es nur eine Etage unter der abends bunt beleuchteten gläsernen Kuppel ein Restaurant. Das verteilt sich über zwei Etagen und wenn Sie in den Sommermonaten im höchstgelegenen Biergarten von Dresden Platz nehmen, werden Sie ihren Blick über Elbflorenz wahrlich genießen können. Das Kuppelrestaurant selbst bietet 120 Personen Platz, 100 weitere Gäste können es sich auf dem Freisitz einrichten. Ob bei Haremschmauss oder orientalischem Lammbraten, wir versichern Ihnen, dass eine Zigarette nach dem Essen (die Aussicht hier oben bezahlt man natürlich mit) nie besser geschmeckt hat als auf den Dächern einer über hundertjährigen Tabakfabrik.
Yenidze ist das Symbol für die Tabakindustrie in Dresden
Überhaupt, die Zigaretten. Auf deren Geschichte und die Produktion wollen wir selbstverständlich auch noch zu sprechen kommen. Der Name Yenidze stammt aus dem Türkischen und ist nach einer Ortschaft aus dem Osmanischen Reich benannt. Heute liegt die Stadt in Griechenland. Aus dem Osmanischen Reich stammte auch der Tabak, der im Untergeschoss der Yenidze Tabakfabrik Dresden gelagert und dann in den oberen Etagen weiterverarbeitet wurde. Übrigens in ganz unterschiedlichen Qualitäten. Es gab handgedrehte, aber auch maschinell erzeugte Produkte. Die Zigarettensorte Salem war es, die für Aufruhr sorgte zur Schwelle zum 20. Jahrhundert. Würzig und mild zugleich, so wird es bis heute weitergetragen. Auch der königliche Hof in Dresden ließ sich selbstverständlich beliefern, es gab sogar eine zweite Tabakfabrik in Dresden. Jasmatzi hieß der Bau des aus Griechenland stammenden Unternehmers Georg Anton Jasmatzi. Er ist allerdings weit weniger spektakulär. Das ehemalige Produktionsgebäude steht noch heute in Dresden Striesen auf der anderen Seite der Altstadt. Bis heute prangt dort übrigens der Schriftzug f6 Cigarettenfabrik Dresden an der Fassade in der Bad Schandauer Straße 68. Die f6-Zigaretten waren ein Erfolgsprodukt der DDR. Nach der Wiedervereinigung wurden sie von Philip Morris übernommen. Inzwischen wurde die Produktion aber aus der sächsischen Landeshauptstadt nach Tschechien und Polen ausgelagert. Ähnlich ernüchternd: im Vergleich zum Kuppelrestaurant Yenidze befindet sich gegenüber von Jasmatzi lediglich das Dürüm Kebab Haus Istanbul. Eher etwas für schnell auf die Hand, als ein Essen über den Dächern von Dresden in Yenidze. Auf jedem Fall ein Kontrast zum Schmunzeln und schmecken tut es an beiden Orten. Wir verabschieden Sie heute mit einem Salam Alaikum – das bedeutet Friede sei mit Dir und wurde als großer Schriftzug (eingedeutscht und an die Zigarettenmarke angepasst: Salem Aleikum) an der Fassade von Yenidze angebracht. Das war auch der Gruß, den die Bahnfahrenden auf der Strecke Berlin-Prag vor über einhundert Jahren zu Gesicht bekamen. Wir wünschen Ihnen nun aber eine gute Rückfahrt mit dem Reisebus und freuen uns auf Ihren nächsten Besuch in Dresden!
Hinweise
- Yenidze liegt an der Weißeritzstraße 3 in 01067 Dresden. Ein großer Busparkplatz liegt nur etwa einhundertfünfzig Meter entfernt von Yenidze unterhalb der Marienbrücke am Elbufer.
- Das Kuppelrestaurant hat täglich von 12.00 Uhr bis 22.00 Uhr geöffnet und ist unter der Telefonnummer 0351-4905990 erreichbar. Reservierungen auch für große Gruppen können Sie auch an info@kuppelrestaurant.de richten. Sie gelangen auch barrierefrei mit dem Aufzug bis oben.
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Die Hinweise auf jeder Zigarettenschachtel. So schön der Genuss einer Zigarette auch ist, gesund ist er leider nicht. Ganz günstig übrigens auch nicht: 1990 kostete eine Packung in Dresden produzierter Zigaretten etwa 1,60DM. Heute legt man für eine Packung Kippen auch schon mal 10,00€ hin.