Waren Sie schon einmal auf dem Eiffelturm der Oberlausitz? Kennen Sie jemanden, der zwanzig Vornamen hat? Oder haben Sie schon einmal aus einer Quelle getrunken, die nach Honig schmeckt? Wir nehmen Sie mit auf eine Busfahrt in eine abgelegene Gegend von Sachsen – eine Gegend voller Besonderheiten.
Es war eine faszinierende Zeit. Zur Mitte des 19. Jahrhunderts hatte die Industrialisierung so weit Fahrt aufgenommen, dass gusseiserne Konstruktionen von gigantischem Ausmaß und enormem Gewicht realisiert werden konnten. Unser heutiges Ausflugsziel ist ein solches Relikt aus dem Jahr 1854. Wir besuchen den König Friedrich August Turm in der Oberlausitzer Kleinstadt Löbau. Die schon im 12. Jahrhundert erwähnte Siedlung war bis zur Wiedervereinigung vor allem durch ihre Textilindustrie bekannt. Danach folgte der klassische industrielle Niedergang, der viele ostdeutsche Städte vor große Umbrüche stellte. Löbau hat inzwischen eine lieblich sanierte Altstadt und liegt eingebettet zwischen Hügeln in einer Landschaft, von der aus sich bis ins Zittauer Gebirge blicken lässt. Zumindest, wenn wir unser heutiges Ausflugsziel besteigen.
Der König Friedrich August Turm und die Architektur der Weltausstellungen
Ein Besuch des über 150 Jahre alten König Friedrich August Turms ist deshalb so besonders, weil er der letzte seiner Art ist. Er ist der weltweit älteste bestehende gusseiserne Aussichtsturm. Ein Baustoff, der Mitte des 19. Jahrhunderts in Mode kam und mit dem sogar der Pariser Eiffelturm zur Weltausstellung von 1889 errichtet wurde. Mit seinen 330 Metern und über 10.000 Tonnen Gesamtgewicht ist dieser nur unwesentlich höher und schwerer als unser Tagesausflugsziel. Auf stolze 28 Meter, drei Aussichtsebenen und 70 Tonnen bringt es der König Friedrich August Turm. Dafür ist er mit seinem Baujahr 1854 schon gut 35 Jahre älter als das eiserne Wahrzeichen der Franzosen. Woher kam also die Idee, so mutig auf eine neue Architektur und vor allem auf eine neue Ingenieurskunst zu setzen. Nicht, dass die Sachsen nicht immer schon kreative und technisch begabte Köpfe waren, aber diesmal kam die Vorlage aus Großbritannien. Und den Hintergrund bildete auch hier schon eine Weltausstellung. Diese fand nämlich zum allerersten Mal überhaupt im Jahr 1851 im Londoner Hyde Park statt. Der hier entstandene und damals prunkvoll eingeweihte Crystal Palace (Kristallpalast) wurde, wie der Name bereits sagt, mit viel Glas gebaut. Aber die gesamte Struktur und Statik gründete auf ein neues Konzept: auf der Verwendung von Gusseisen, das angetrieben durch die industrielle Revolution nun immer günstiger herzustellen war. Schon im 18. Jahrhundert war das gegossene Eisen in Großbritannien beim Bau von Eisenbahnbrücken verwendet worden; danach trat es zunehmend seinen Siegeszug in der Architektur an. Zumindest so lange, bis einige Konstruktionen einstürzten. Gusseiserne Bauten können weniger gut Spannungen aufnehmen und kompensieren; auch der Crystal Palace stürzte bei einem Brand 1936 ein. Sonst wäre das Bauwerk sicher heute noch so berühmt wie der Eiffelturm. Am Ruhm des kleinen Bruders, dem noch immer stehenden König Friedrich August Turm, arbeiten wir noch.
Das Leben des König Friedrich August
Errichtet wurde das heutige Tagesausflugsziel für Friedrich August Albert Maria Clemens Joseph Vincenz Aloys Nepomuk Johann Baptista Nikolaus Raphael Peter Xaver Franz de Paula Venantius Felix von Sachsen. Wenn Ihnen der Name nichts sagen sollte, so können Sie jedoch aus seiner schier unglaublichen Länge erschließen, dass es sich hier um jemand sehr wichtiges gehandelt haben muss. In der Tat war Friedrich August (1797-1836) König von Sachsen. Der in Dresden beerdigte liberale Monarch entließ die Städte in Selbstverwaltung und die Bauern aus dem Frondienst. Er hatte sich also durchaus Verdienste erworben; und so wurde ihm keine 20 Jahre nach einem tödlichen Unfall mit seiner Pferdekutsche die Ehre zuteil, dass in seinem Gedenken ein Eisenkoloss mit zugleich filigraner Ornamentik errichtet wurde. Vielleicht hätten die als neubyzantinisch und neugotisch beschriebenen Muster und Formen dem fortschrittlichen König ja gefallen. Das bleibt natürlich Spekulation. Wir dagegen müssen jetzt ganz handfest 2€ pro Person für den Aufstieg auf den achteckigen, aus tausend Einzelteilen zusammen montierten und -gesteckten König Friedrich August Turm berappen. Das tun wir gerne, denn der Ausblick ist ganz wunderbar. Friedlich liegt Löbau mit seiner zentralen Kirche etwas unterhalb des etwa 450 Meter hohen Doppelgipfels und in der Ferne kann man bis ins Zittauer Gebirge schauen. Ein wirklich schöner Rundumblick über die typische Landschaft des Osterzgebirges.
Der König Friedrich August Turm und sein großer Nachbar
Den Reisebus können wir hier oben auf den Hügeln unweit des König Friedrich August Turms parken. Der Parkplatz liegt am Grenzweg inmitten eines gedachten Dreiecks, bestehend aus dem Industrie- und Baudenkmal, dem 160 Meter hohen, nicht begehbaren Funkturm und dem Berggasthof Honigbrunnen. Der heutige Funkturm ist aus dem Jahr 1988. Der zuerst erbaute Sendemast aus dem Jahr 1966 diente der Ausstrahlung der DDR-Fernsehsender. Damals gehörte Löbau (trotz Hügellage) wie das etwa 100 Kilometer entfernte Dresden zum sogenannten Tal der Ahnungslosen. Man konnte also kein Westfernsehen empfangen. Inzwischen können sich die Löbauerinnen und Löbauer ebensogut wie die Großstädter bequem durch das Kanalüberangebot der heutigen Zeit zappen. Der Funkturm wurde inzwischen auf den neuen digitalen Standard umgerüstet.
Der Honigbrunnen am König Friedrich August Brunnen
Wenn Sie nach dem heutigen Tagesausflug hungrig sein sollten, dann können Sie natürlich den Berg hinunter nach Löbau hineinfahren. Außerdem gibt es direkt am Aussichtsturm einen einfachen Gasthof mit Imbiss. Wir denken aber, dass das Traditionshaus, der Berggasthof Honigbrunnen, das Richtige für einen solchen Ausflugstag ist. Im Sommer gibt es einen schönen Biergarten mit ebenfalls wunderbarem Blick die Hänge hinunter auf Löbau. Außerdem gibt es den Berggasthof in immer wieder neuer und veränderter Form schon seit dem 17. Jahrhundert. Angeblich, weil es hier Quellwasser gab, das nach Honig schmeckte. Na, wenn man da nicht sogleich Appetit bekommt! Auf dem Speiseplan des Berggasthofs Honigbrunnen steht jedenfalls Lausitzer Hähnchenleber auf Kartoffelpüree mit karamellisierten Apfelspalten oder auch Hirschkalbsbraten mit Preiselbeeren und Speckrosenkohl. Sie können für bis zu 50 Personen im Vorfeld reservieren. Genießen Sie das Ambiente des seit 2006 neu eröffneten Berggasthofes – und wenn es Ihnen besonders gut hier gefallen sollte, können Sie auch Zimmer zur Übernachtung buchen. Aber das wäre vielleicht schade, denn die Rückfahrt im Sonnenuntergang mit dem Reisebus durch die schöne Landschaft der Oberlausitz ist ebenfalls ein wunderbares Erlebnis. Wir hoffen Ihnen mit unserer kleinen Reportage etwas Freude bereitet zu haben. Und falls Sie noch eine architektonische Sehenswürdigkeit in Löbau entdecken wollen, dann lesen Sie doch einmal rein in unseren Artikel zum Haus Schminke. Wir versprechen Ihnen ein Fest der Architektur des Neuen Bauens.
Hinweise
Wie erreichen Sie Löbau und die heutigen Ausflugsziele König Friedrich August Turm und Berggasthof Honigbrunnen? Ganz einfach: die 15.000 Einwohner zählende Kleinstadt liegt zwischen Bautzen und Görlitz an der B6.
König Friedrich August Turm – Löbauer Berg – 02708 Löbau – Kontakt telefonisch unter 03585-450140 oder über die E-Mail-Adresse tourist-info@svloebau.de
Der Berggasthof Honigbrunnen hat täglich von 11.00 Uhr bis 20.00 Uhr geöffnet. Reservierungen unter info@honigbrunnen.de oder unter 03585-4139130 – Die Adresse vom Honigbrunnen ist: Löbauer Berg 4 – 02708 Löbau