Sie kennen das Ballett Schwanensee von Tschaikowski? Sie wissen, dass Wagners Oper Lohengrin die Schwanenrittersage zugrunde liegt? Und Sie erinnern sich, dass sich das hässliche Entlein im gleichnamigen Märchen von Hans Christian Andersen als Schwan entpuppt? Aber kennen Sie auch die eigentliche Stadt des Schwans? Nein, dann begleiten Sie uns nach Zwickau!
Ob sie mal die 100.000 Einwohner-Marke knacken wird, ist ungewiss, aber einen Besuch mit dem Reisebus ist die Stadt an der Mulde unbedingt wert. Das vorbeifließende Gewässer ist sogar nach Zwickau benannt und vereinigt sich später mit der Freiberger Mulde. Überhaupt soll es heute viel um Wasser und Gewässer gehen. Zwickau hat über ein Dutzend Brunnen und Fontänen, den Schwanenteich und eben die Zwickauer Mulde. Daher ist der große Parkplatz am Brückenberg an der Bundesstraße B 173 der ideale Ausgangspunkt für eine Stadterkundung. Es sind keine 300 Meter bis zur Paradiesbrücke. Die hat ihren Namen angeblich, weil Martin Luther einst auf der Flucht vor aufgebrachten Franziskanermönchen am sicheren anderen Muldeufer vom Paradies sprach, welches ihn gerettet habe. Ob die Anekdote stimmt, ist nicht belegt. Zweifelsfrei fest steht allerdings, dass hier einst die Grenze zwischen amerikanischer und sowjetischer Besatzungszone verlief, das war im Jahr 1945. Um 1900 wurde die Stahlbrücke in heutiger Form errichtet, der Vorgängerbau aus Holz aus dem 17. Jahrhundert war abgerissen worden. Bis heute immer wiederkehrende Muldehochwasser hatten der damaligen Konstruktion zugesetzt.
Zwickau und wie der Schwan ins Stadtwappen kam
Zwickau hat im Jahre 1212 sein Stadtrecht erhalten. Das ist bereits über 800 Jahre her und als terretorium Zcwickaw findet es sogar noch gut einhundert Jahre länger Erwähnung. Jedenfalls sollte uns bewusst sein, dass wir hier mit unserer Reisegruppe geschichtsträchtigen Boden betreten. In so vielen Jahrhunderten konnte an der Chronik der Stadt nach Belieben herum geschrieben werden; und tatsächlich geht der Ruf Zwickaus als Stadt der Schwäne auf eine unredliche mittelalterliche Prestigekampagne zurück. Cygnea lautete der Name der Stadt spätestens seit dem 16. Jahrhundert. Cygnus heißt auf Lateinisch der Schwan und angeblich habe eine gewisse Schwanhildis den Ort Cygnea unter ihrem Besitz gehabt; soweit man heute weiß, alles relativ frei erfunden. Nicht erfunden ist die Geschichte, wie die Schwäne es ins Zwickauer Stadtwappen geschafft haben. Erst in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts tauchte in Zwickau eine Grabplatte auf, welche die drei Schwäne abbildet. Das Erstaunliche: die Grabplatte stammt aus dem Jahr 1400 und der Gerichtsprozess und die Hinrichtung von vier Ratsherren des Rathauses zu Zwickau ist erwiesen. Man könnte sagen: aktenkundig.
Das Theater in Zwickau
Wir erreichen den Hauptmarkt in Verlängerung des Neuberinplatzes. Dieser liegt lediglich 300 Meter von der Paradiesbrücke entfernt, diesmal auf westlicher Seite der Zwickauer Mulde. Benannt ist er nach der Volksschauspielerin Friederike Neuber (1697-1760); sie ist aber weit mehr als Schauspielerin gewesen. Sie hat die Schauspielerei im 18. Jahrhundert in diesen Regionen überhaupt erst zu etwas Seriösem gemacht. Im gerade 100 Kilometer von Zwickau entfernten Leipzig hatte sie eine Schauspielschule etabliert, Gagen gezahlt und die Schauspieler (die zuvor allenfalls Schausteller und Vagabunden gewesen waren) ordnungsgemäß untergebracht. Sie gilt also als Pionierin des Gewerbes. Folgerichtig ist der Platz nach ihr benannt, an dem heute das Zwickauer Theater steht. Eingezogen ist es in das im Jahr 1525 errichtete Gebäude mit dem markanten Türmchen und den Giebeln aus spätgotischer Zeit im Jahr 1823. Seitdem wurde immer wieder umgebaut, Gebäudeteile erweitert, Nebengebäude mit kleinen Bühnen und Räumen abgerissen und neu gebaut. Doch das Hauptgebäude mit seiner prächtigen Fassade ist (abgesehen von der fortwährenden Umgestaltung der Innenarchitektur) noch immer dasselbe. Schauspiel, Ballett und Puppentheater werden hier in Kooperation mit der Stadt Plauen zum Besten gegeben. Wo früher also die Zwickauer Tuchmacher ihre Stoffe begutachten ließen und wo später auch mal die Stadtwache einzog, wird heute die Kultur hochgehalten.
Zwickau und der Flamingobrunnen
Bevor wir uns weiter auf die Spur der Schwäne begeben, widmen wir uns kurz einem anderen exotischen Vogel (denn als ein solcher galt durchaus auch der Schwan vor Jahrhunderten). Wir befassen uns mit dem faszinierenden Flamingo. Genaugenommen berichten wir Ihnen vom Flamingobrunnen. Zwei Plastiken des großen Stelzvogels, der sich (europäisch gedacht) in seiner lebendigen Variante an den Küsten Portugals und Spaniens aufhält, standen neben einer Fontäne in einem quadratischen Bassin. Zwar nicht mit rosafarbenen prächtigen Flügeln, aber als gelungene Körperstudien. Obwohl erst vor gut 50 Jahren in der DDR errichtet, ist das Wassersystem völlig marodiert und letztlich zusammengebrochen; für einen Wiederanschluss ans Wassersystem in den nächsten Jahren wird eifrig gekämpft; ab 2024 sollen Sie den schön gestalteten Brunnen wieder erleben können. Die Flamingos stehen jedenfalls bereit. Aktuell halt etwas verloren zwischen trockener Erde und einer eher halbherzigen Bepflanzung.
Zwickau und der Schwanenbrunnen
Doch es gibt nicht nur den Flamingobrunnen zu besichtigen in Zwickau. In der Stadt des Schwans gibt es natürlich auch einen Schwanenbrunnen. Neben zahlreichen anderen Wasserspielen, die in ihrer Fülle in der sächsischen Stadt mit 600 Jahren Bergbautradition zunächst vielleicht überraschen. Es gibt einen Fischbrunnen, einen Marktweiberbrunnen, einen Tuchmacherbrunnen und natürlich auch einen Brunnen der Freundschaft. Nicht vergessen sollte man natürlich in der Heimat des Zwickauer Doms den Domhofbrunnen. Der bronzene Schwanenbrunnen aus den 30er Jahren wurde für den Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen, aber glücklicherweise unmittelbar nach dem Krieg neu errichtet. Der ursprüngliche Erbauer des Brunnens und zugleich Gründer eines Stadtverschönerungsvereines ließ ihn einfach ein zweites Mal gießen. Und so machen die Schwäne der Stadt, welche die Wasservögel in ihrem Wappen trägt, weiterhin alle Ehre.
Zwickau liegt am Schwanenteich
Weiter geht es zum Abschluss an den Schwanenteich. Er liegt nur wenige gut barrierefrei zurückzulegende Gehminuten südwestlich der Zwickauer Altstadt. Ein Naherholungsgebiet der besonderen Art: der schon im 15. Jahrhundert angelegte Schwanenteich bestand ursprünglich aus fünf kleineren Teichen. Anfangs dienten diese Teiche der Fischzucht. Nach und nach wurden sie zusammengelegt und um 1850 wurden die ersten Schwäne angesiedelt. In der Stadt des Schwans hieß das neue Habitat fortan Schwanenteich. Nachdem zu Beginn des 20. Jahrhunderts die abgeleiteten Abwässer aus Steinkohleschächten dem Biotop fast den Garaus gemacht hätten, sollte die nächste große Herausforderung durch den Zweiten Weltkrieg entstehen. Bis 1945 völlig verwahrlost, gab es danach zunächst Wichtigeres, als ein Landschaftsidyll wiederherzustellen; große Gemüsegärten wurden auf dem Areal angelegt. Mit der Zeit setzte sich der Gedanke durch, das Erbe der Stadt wieder aufleben zu lassen. Einen weiteren fatalen Rückschritt gab es leider, als die Stadt Zwickau im Jahr 1993 entschied, das am Schwanenteich liegende und 1836 erbaute Schwanenschloss abreißen zu lassen. Dennoch ist der Schwanenteich ein herrlicher Ort am Rande der Altstadt. Wenn Sie sich Ruder- oder Tretboote mieten (auch als größere Reisegruppe ist das gut möglich), können Sie vom Wasser aus sogar auf den Dom St. Marien blicken. Was für ein Abschluss für einen prächtigen Tag in Zwickau.
Hinweise
Ein Parkplatz für den Reisebus findet sich sowohl am Brückenberg (östlich der Zwickauer Mulde) als auch in der Parkstraße am Schwanenteich (westlich der Zwickauer Mulde).
An der Ecke Neuberinplatz / Hauptmarkt stehen das Theater Zwickau und der aktuell trockene Flamingobrunnen.
Der Schwanenbrunnen befindet sich unweit des Schwanenteiches an der Alten Reichenbacher Straße Ecke Humboldtstraße.
Den Bootsverleih am Schwanenteich erreichen Sie unter der Rufnummer 0375-8837225
Wir empfehlen Ihnen Fischessen im Brauhaus Zwickau. Peter-Breuer-Str. 12-20. Telefonnummer für Reservierungen: 0375-3032032
Sehenswert
Das Schwanenseeballett von Tschaikowski aus dem Jahr 1877.