Unser schönes Land ist reich an Denkmälern. Zwei Bronzedenkmäler gibt es von den großen Söhnen Neuruppins, Karl Friedrich Schinkel und Theodor Fontane zu entdecken, beide geschaffen vom Bildhauer Max Wiese. Fontanes Verhältnis zu seinem Geburtsort Neuruppin war ambivalent, das zu seiner Schwester Elise, die eine wichtige Rolle in seinem Werk spielte, keineswegs. Am Neuruppiner Schinkel-Denkmal geht unser Autor auf ‚Schinkelpalmetten’ ein, deren antike Vorbilder der Baumeister an seinen architektonischen Objekten verwendete und die noch heute ein beliebtes Schmuckmotiv sind.
Max Wieses Theodor Fontane Bronze-Sitzbild am Fontaneplatz in Neuruppin
Nach unserem Besuch der Karl-Marx-Straße 84, der einstigen Friedrich-Wilhelm-Straße, bei Fontanes Geburtshaus, der Goldenen-Löwen-Apotheke1, fahren wir entweder bequem mit dem Reisebus eine kurze schnurgerade Strecke oder spazieren in einem angenehmen 10minütigem Fußmarsch, am Bernhard-Barsch-Platz und am Restaurant Fehrbelliner Hof vorbei, zum Theodor Fontane Bronze-Sitzbild, auf dem seit 2005 umbenannten Fontaneplatz, Karl-Marx-Straße/Ecke Franz-Künstler-Straße, in Neuruppin.
Wer kam auf die geniale Idee, ein Fontane-Sitzbild in dem in Sichtweite anmutiger Wälder gelegenen Neuruppin zu errichten? In Fontanes letztem, heute durch eine Gedenktafel an der Fassade geschmückten Wohnhaus in der Potsdamer Straße 134c in Berlin kam einige Wochen nach dessen Tod ein illustres Kuratorium zusammen. Seine renommierten Mitglieder setzten sich zum Ziel, ein würdiges Denkmal zu Ehren des beliebten Chronisten, Romanciers, Reiseschriftstellers und Apothekers in dessen märkischer Geburtsstadt aufzustellen, die am nordwestlichen Ufer des vom munteren Rhin durchflossenen Ruppiner Sees liegt. Zügig richteten die Initiatoren ein Konto für diverse Ausgaben ein und erhofften sich ebensolche Einnahmen. Honoratioren der Stadt und des Kreises Neuruppin beteiligten sich am Berliner Vorhaben, wobei sie die stattliche Summe von 5.000 Reichsmark aufbrachten, die sie zur Disposition stellen konnten. Nachdem 1906 die notwendigen finanziellen Mittel zusammengekommen waren, wurde der berühmte Professor, Bildhauer und spätere Ehrenbürger Neuruppins, Max Wiese, für den Plan gewonnen, der bald darauf mit den ersten Skizzen und Plänen für seine Arbeit begann. Der in der alten Hansestadt Danzig geborene Wiese war dem Berliner Kuratorium und den Ruppiner Stadtvätern kein unbedarfter Unbekannter, da er bereits 1883 auf dem freien Platz hinter der früh-klassizistischenPfarrkirche St. Marien2, dem heutigen Kirchplatz, ein Bronze-Denkmal für das Universaltalent Karl Friedrich Schinkel, den anderen großen Sohn Neuruppins, angefertigt hatte.
Als geeignetes Modell für Theodor Fontanes Bronze-Sitzbild diente dessen siebtes und letztes Kind, sein inzwischen erwachsen gewordener Sohn Friedrich, der im Schatten seines berühmten Vaters stehend als ein eher glückloser Buchhändler und Verleger seinen kargen Lebensunterhalt bestritt. Wir sehen Fontanes Filius von Bildhauer Wiese in Bronze gefertigt auf einer schlichten Granitbank sitzen, wobei er den Senior nonchalant imitierend das rechte Bein über das linke geschlagen hat. Der pausierende Dichter und Journalist hat einen Stift in seiner rechten Hand, die auf dem Schoß platziert ist, hingegen hält die andere zwanglos eine einfache Schreibkladde, in die er sich gerade Notizen zu einem seiner anschließend gern gelesenen Bücher gemacht haben dürfte. Seinen modischen Hut hat Fontane etwas entfernt von sich auf der Parkbank abgelegt, der wärmende Schal und der dandyhafte Spazierstock lehnen an dessen Seite.
Nach Aussage der Inschrift – THEODOR FONTANE • Geb. zu Neu-Ruppin d. 30. Dec. 1819 • Gest. zu Berlin d. 20. Sept. 1898 – dürften sich die Neuruppiner Bürger vor ihrem berühmten Sohn als ‚Dichter der Mark’ verbeugt haben, wie wir es aus der städtischen Dedikation an der rechten Denkmalseite entnehmen. Feierlich wurde das neu geschaffene Monument am 8. Juni 1907 im Verlauf eines imposanten Festakts mit den Honoratioren und im Beisein der gesamten städtischen Bürgerschaft enthüllt.
Fontanes ambivalentes Verhältnis zu seinem Geburtsort Neuruppin
Fontane hingegen durchlebte zeitlebens ein permanentes Wechselbad der Gefühle und hatte ein ambivalentes Verhältnis zu seiner Ruppiner Geburtsstadt. Aufgrund seines vielschichtigen Naturells fiel es dem märkischen Romancier und respektierten Kritiker unentwegt schwerer, die überzogene preußische Akkuratesse der brandenburgischen Kleinstadt zu tolerieren.
Deshalb reiste er in späteren Jahren mehr sporadisch in das eher provinzielle Neuruppin, um seine gealterte Mutter, Madame Emilie, und seine geliebte jüngere Schwester, Elisabeth Charlotte, genannt ‚Elise’, zu besuchen, die sich einen gemeinsamen Haushalt in der Friedrich-Wilhelm-Straße 7 eingerichtet hatten. Elise war aufgrund ihrer fleißigen Recherchen federführend bei der Herausgabe der 5 Bände der ‚Wanderungen durch die Mark Brandenburg’ ihres älteren Bruders beteiligt. Beide geistesverwandten Geschwister hatten zusammen im Verlauf der Jahrzehnte die ‚Wanderungen’ fortlaufend mit neuem Material ergänzt, das von Theodor immer feiner komprimiert und eingefügt wurde.
Das Fontane-Denkmal heute – drei weitere Fontane-Ehrenmale in Berlin-Brandenburg
Im Jahr 2010 konnte am großartigen Theodor Fontane Bronze-Sitzbild durch diverse Schenkungen und großzügige Dotationen eine komplette Sanierung durchgeführt werden. Seitdem finden sich jedes Jahr zum Geburtstag des Meisters, am 30. Dezember, am repräsentativen Denkmal die Mitglieder der Theodor Fontane Gesellschaft e.V. zusammen, um die traditionelle Fontane-Ehrung der Universitäts- und Fontanestadt Neuruppin vorzunehmen.
Wer sich nach der anschaulichen Besichtigung des Neuruppiner Fontane Bronze-Sitzbilds darüber hinaus für vergleichbare Fontane-Denkmäler im Raum Berlin-Brandenburg interessiert, dem sei ein Besuch der weißen Marmor-Skulptur des im ungarischen Gönc geborenen Bildhauers Max Klein ans Herz gelegt, die dessen letztes Werk (1908-10) sein wird. Sie kann am Südrand des Großen Tiergarten3 in Berlin bewundert werden. Die sehenswerte Skulptur des im zeitgenössischen Anzug mit Weste, Hemd mit Stehkragen und Halsbinde sowie in einem knielangem Mantel dargestellten Dichter steht auf einem Marmorsockel. Sein Hut, ganz en vogue, und sein walking stick weisen ihn nicht nur als wandernden Chronisten aus, sondern beide Utensilien liefern uns auch einen ausdrücklichen Hinweis auf dessen volkstümliche und mehrbändige Publikation, die unter dem legendären Namen ‚Wanderungen durch die Mark Brandenburg’ mit zu seiner großen Popularität beigetragen hat.
Um das originale Kunstdenkmal vor stumpfsinniger Zerstörungswut und folgenschweren Verwitterungen zu bewahren, ließen in der Mitte der 1980er Jahre das Landesdenkmalamt Berlin, Hand in Hand mit der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, die Marmor-Skulptur, durch eine adäquate Kopie aus hellem Feinzement ersetzen. Heute steht das circa lebensgroße ‚Fontane-Original’ aus weißem geäderten Kalkgestein in der mit einem neugotischen Kreuzgewölbe ausgestatteten Großen Halle im 1874 gegründeten und am südlichen Spreeufer gelegenen Märkischen Museum in Berlin.
Überdies befinden sich weitere Theodor Fontane preisende Monumente in der Gesundbrunnenstraße/ Ecke Sonnenburger Straße in der Kurstadt Bad Freienwalde (Oder) und in Falkenberg (Mark).
Ein weiterer großer Sohn Neuruppins – auch Karl Friedrich Schinkel bekam ein Denkmal von Max Wiese
Das Karl Friedrich Schinkel-Denkmal, gestiftet für den anderen prominenten Sohns Neuruppins, erreichen wir vom Fontaneplatz kommend in unserem flinken Reisebus, wobei wir die ca. 5 km Entfernung in gut 10 min Fahrzeit auf der B167 zurücklegen. Unsere Strecke führt en passant am hübschen Stadtpark vorbei, auf den wir einen komfortablen Blick aus unserem benutzerfreundlichen Bus werfen können.
Wer hatte die zündende Inspiration ein kolossales Bronzedenkmal für Karl Friedrich Schinkel zu errichten? Im Jahr 1865 kamen der Berliner Architekten- und Ingenieurverein zusammen mit dem im gleichen Jahr gegründeten städtischen Schinkel-Komitee in Neuruppin auf die Idee, ein großartiges Bronzestandbild für das geniale Ausnahmetalent, dem preußischen Architekten, Baufachmann, Städteplaner, aber auch Theater-Ausstatter, Grafiker sowie Medailleur, Karl Friedrich Schinkel, zu stiften. Entworfen hat das ausdrucksstarke Denkmal wiederum der Bildhauer, Professor Wiese aus Danzig, der zudem 1906/07 das Fontane Bronze-Sitzbild anfertigen wird. Souverän war der Grundstein für das bronzene Schinkel-Monument an dessen 100. Geburtstag, am 13. März 1881, auf dem freien Platz hinter der Pfarrkirche St. Marien, dem heutigen Kirchplatz, gelegt worden.
Gut 2 ½ Jahre später, am 28. Oktober 1883, konnte die von Bildhauer Wiese geschaffene, jugendlich wirkende Bronzefigur Schinkels aufgestellt werden, der einen zeitgenössischen Zivilanzug trägt und einen Bauentwurf des Grundrisses vom legendären Berliner Schauspielhaus in der rechten Hand hält. Sein hauptstädtisches Schauspielhaus ist ein architektonisches Meisterwerk des deutschen Klassizismus, erbaut zwischen 1818-21.
Schinkels überlebensgroße Neuruppiner Bronzestatue steht auf einem hohen Granitblock, auf dem die schlichte Inschrift – SCHINKEL – in Versalien mit drei darunter befindlichen Sternen geschrieben steht. Zum Areal, in dessen Mitte das imponierende Denkmal drapiert ist, führen lediglich 5 sehr flache Stufen hinauf, so dass es leicht begehbar ist und als partiell barrierefrei bezeichnet werden könnte.
Ein zeitloses und beliebtes Ornament – pittoreske Schinkelpalmetten
Begrenzt wird die Rückseite der gepflegten Anlage von einer halbrunden, vom Berliner Architekten, Bauforscher und Privatdozenten Paul Graef erbauten Ziegelmauer, die in jeweils vier gleichen Abständen mit vier stilisierten ‚Palmbäumchen’ geschmückt ist, die im Französischen ‚Palmetten’ genannt werden.
Palmetten4 sind seit der klassischen Antike in der Architektur aber auch in der Vasenmalerei ein beliebtes Pflanzenornament und waren ein häufiges Dekorelement des 19. Jahrhunderts, das nicht nur Schinkel ebenso gerne in seinen architektonischen Entwürfen wiederverwendete. Beispielsweise finden wir es auf der Giebelspitze und mehrfach als Tapetenmuster in den original erhaltenen Innenräumen des von ihm 1829 neu erbauten Schlosses Charlottenhof5 in Potsdam, der geliebten Sommerresidenz des Architektur und Italien begeisterten Kronprinzen Friedrich Wilhelm, den späteren politisch unglücklichen König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. Aus diesem guten Grund hat sich der schöne Begriff ‚Schinkelpalmette’ für dieses zeitlose und noch heute geschätzte Ornament in unsere reiche Sprache eingebürgert.
Karl Friedrich Schinkels ‚Wiederauferstehung’ – das Schinkel-Denkmal nach dem II. Weltkrieg
Mit Beginn des verheerenden II. Weltkriegs 1939 wurde die monumentale Bronzestatue Schinkels auf den zentralen Platz im Mittelpunkt des Ruppiner Landes, den Neuruppiner Schulplatz, umgesetzt. Erst zwanzig Jahre später kehrte sie im Jahr 1959 wieder auf einem wuchtigen Granitblock stehend an ihren ursprünglichen Standort, den heutigen Kirchplatz, zurück, wobei jedoch die halbrunde Mauerumfassung des Areals mit den vier sie bekrönenden Schinkelpalmetten inzwischen zerstört worden waren.
Glücklicherweise konnte das komplette Schinkel-Denkmal mittels zahlreicher Spendengelder einer umfassenden und zeitaufwendigen Generalrekonstruktion unterzogen und am 28. Oktober 2003 wieder neu den Neuruppinern und den inn- und ausländischen Gästen übergeben werden.
Der erwartungsvollen Wissbegierde der Touristen und der Neuruppiner Bürger wird seit dem Herbst 2005 durch mehrere die herrliche Gesamtanlage ergänzende Steinquader mit wertvollen Hinweisen zum vielgestaltigen Leben Karl Friedrich Schinkels und zur abwechslungsreichen Geschichte des Denkmals umfassend Genüge getan. Kontinuierlich findet jedes Jahr am herbstlichen Sterbetag Schinkels, am 9. Oktober 1841, eine großartige Gedenkfeier am Neuruppiner Ehrenmal statt.
Hinweis
Das inmitten blühender Blumenrabatten liegende Neuruppiner Fontane-Denkmal ist barrierefrei und jederzeit zugänglich.
Wenngleich auch das Schinkel-Denkmal ganzzeitlich offen und weithin gut sichtbar ist, so ist doch das Areal, in dessen Mitte das eigentliche Denkmal steht, nur über fünf flache Stufen erreichbar. Obwohl es leicht begehbar ist, sollte es aufgrund der kleinen Treppe nur als partiell barrierefrei bezeichnet werden.
Link
www.neuruppin.de
3Anm. Zum Fontane-Denkmal im Großen Tiergarten in Berlin: www.berlin.de/senuvk/berlin_tipps/grosser_tiergarten
Literatur
1Vgl. Greiner-Mai, Herbert: Tourist-Führer Literatur. Dichter, Stätten, Episoden. Berlin • Leipzig 1985, S. 187
2Anm. Kunstdenkmäler der Bezirke Berlin und Potsdam, Bildband IV, hg. vom Institut für Denkmalpflege, Berlin 1987, Text zur Pfarrkirche St. Marien, S. 124, Nr. 268 und Bildtafel 268. Neuruppin, Stadtkirche
4Anm. Kunstdenkmäler Berlin + Potsdam, a.a.O. Tafel 278. Schloss Charlottenhof mit sogenannter ‚Schinkelpalmette’ am Gebäudegiebel