Das Zisterzienserkloster Neuzelle in der Lausitz ist nach Dobrilugk das zweite Kloster der Weißen Mönche in der Region und fasziniert durch seine barocke Gestaltung.
Das ehemalige Kloster Neuzelle – Monasterium Nova Cella – beeindruckt unsere Reisebus-Ausflügler vor allem durch sein äußeres Erscheinungsbild, das in dieser Form einmalig für eine Niederlassung der Zisterzienser in Brandenburg ist. Auf einem Bergsporn gelegen, überragt die Abteikirche eine idyllische Landschaft, die von ausgedehnten Wiesen, Obstbäumen, Auenwäldern und bewaldeten Hügelketten charakterisiert wird. Nicht nur architektonisch, sondern auch hinsichtlich seiner historischen und kultur-historischen Entwicklungsgeschichte gehört die einstige klösterliche Niederlassung der Zisterzienser zu den ansehenswertesten Zeugnissen der Weißen Mönche westlich der Oder.
Markgraf Heinrich der Erlauchte fundiert Kloster Neuzelle anlässlich des Todes seiner Gemahlin, Markgräfin Agnes, Tochter des Königs Přemysl Ottokars II. von Böhmen

Markgraf Heinrich III. der Erlauchte von Meißen aus dem Hause Wettin hatte anlässlich des frühen Todes seiner zweiten Gemahlin, der Prinzessin Agnes von Böhmen, Anežka Přemyslovna, am 12. Oktober 1268 das Zisterzienserkloster Neuzelle gestiftet. Der Name Nova Cella bildete eine beabsichtigte Differenzierung zu deren im sächsischen Nossen gelegenen Mutterabtei Cella. Aus diesem Grund bürgerte sich umgekehrt, zur besseren Unterscheidung für das Mutterkloster, im Verlauf der Jahre der noch heute geläufige Name Altzelle, Vetus Cella, ein.
Kloster Neuzelle befindet sich im Nordosten der Niederlausitz, circa 30 Kilometer südlich der Stadt Frankfurt an der Oder auf einem steil in den Oderbruch hineinragenden Bergsporn der Liebenroser Hochfläche. Jene Gegend war in der Mitte des 13. Jahrhunderts fest in den Besitz der wettinischen Markgrafen von Meißen gelangt. Der Ausstattungsbesitz der neuen Zisterze umfasste sämtliche Ländereien und Rechte innerhalb einer Meile um den heute leider nicht mehr lokalisierbaren Ort Starzedel. In der uns aus dem Jahr 1370 vorliegenden Bestätigungsurkunde wird erwähnt, dass das Monasterium Nova Cella von Beginn an acht Dörfer besessen hat.
Altzelle aus der Filiation Altenkamp war die Mutterabtei des Zisterzienserklosters Neuzelle
Weil die Mutterabtei Cella in erhebliche wirtschaftliche Turbulenzen geraten war, zog sich die Bereitstellung ihres ersten Tochterkonvents in der Niederlausitz für einige Zeit in die Länge. Folglich beauftragte das über jene Verzögerung verärgerte Generalkapitel in Cîteaux jetzt die Äbte der Klöster Paradies und Dobrilugk gemeinsam mit der Wahl eines Gründungskonvents für die jüngste Niederlassung der Weißen Mönche in der Lausitz. Endlich, nach der zweiten Mahnung Cîteaux’ im Herbst des Jahres 1281 entsandte Altzelle nun doch noch einen Gründungskonvent unter dem ersten Abt Hermanus in ihre einzige Filiation Neuzelle.
Wie gelangten Neuzelle und die Niederlausitz nach Brandenburg-Preußen?

Nach der für Kaiser Napoleon verlorenen Völkerschlacht bei Leipzig im Jahr 1813 war dessen Schicksal entschieden und für viele Regionen in Deutschland begann eine neue historische Epoche. Preußen übernahm nicht nur die Verwaltung in Sachsen, sondern es beabsichtigte auch, sich das gesamte Königreich einzuverleiben. Schließlich musste der preußische Monarch Friedrich Wilhelm III. einen sächsischen Pufferstaat zu den habsburgischen Erblanden dulden. Das weit ausladende Reich der Wettiner wurde auf ein schmales Band am Nordhang des Erzgebirges reduziert. Aus den wettinisch-ernestinischen Landen entstanden diverse thüringische Kleinstaaten, sogenannte Duodezstaaten, während das albertinische Kursachsen die Hälfte seines Territoriums im Norden und im Osten an Preußen abtreten musste. Zu jenen Gebieten gehörte die gesamte Markgrafschaft Niederlausitz. Neuzelle gelangte somit im 19. Jahrhundert zur Provinz Brandenburg unter die Hoheit des preußischen Königs.
Die Neuzeller Klosterkirche Maria Himmelfahrt – böhmisches Barock in der Niederlausitz

Die Neuzeller Klosterkirche Maria Himmelfahrt – heute Pfarrkirche der katholischen Gemeinde und beliebte Marienwallfahrtskirche – ist ein singuläres Beispiel des böhmischen Barocks in der Niederlausitz. Ihre kunsthistorische Bedeutung fußt hauptsächlich auf dem harmonischen Zusammenspiel verschiedener Baustile. Beispielsweise wurde der bereits vorhandene mittelalterliche Raumkörper im Zuge der Barockisierung durch die perlenförmige Aneinanderreihung der einzelnen Seitenaltäre vor den tragenden Pfeilern optisch aufgelöst. Gleichzeitig wurde damit für die Gläubigen und Besucher eine augenfällige Zentralperspektive mit der Blickrichtung auf den monumentalen Hauptaltar hin geschaffen.
Der gotische Ursprungsbau der Neuzeller Klosterkirche wurde aus Backsteinen errichtet

Bei dem gotischen Ursprungsbau der Klosterkirche handelte es sich um eine dreischiffige Hallenkirche, die wahrscheinlich nach dem architektonischen Bauplan der Zisterzienser-Nonnenkirche Marienstern in dem in der Oberlausitz gelegenen Mühlberg an der Elbe konzipiert worden war. Der schlichte, durch Spitzbogenfenster und doppelt abgestufte Strebepfeiler gegliederte Baukörper wurde gegen Ende des 13. Jahrhunderts aus obligatorischen Backsteinen errichtet. Diese mittelalterliche Bauphase endete mit der Weihe mehrerer Altäre im Jahr 1330. Im letzten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts erfolgte der Abschluss des Gotteshauses mit einem Turm im Westen und der gotischen Einwölbung der Klausur. Eine Verbindung zum Kreuzgang wurde über die an der Nordseite der Kirche befindliche Paradiespforte hergestellt, neben der der Zugang zum Schlafsaal, dem Dormitorium, der Weißen Mönche lag.
Die Barockisierung der Neuzeller Klosterkirche erfolgte in zwei Bauphasen

Der wichtigste architektonische Schritt im Verlauf der ersten Phase der Barockisierung in den 1650er Jahren bildete den Einbau eines Tonnengewölbes als Grundlage für die herrlichen Deckenfresken. Das neue Raumgefühl wurde einerseits durch die Verbreiterung der alten gotischen Spitzbogenfenster und anderseits durch die gelungene Strukturierung des Innenraums erreicht.

Zudem wurde eine prächtige Orgel eingebaut. Die in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erfolgte zweite Phase der Barockisierung führte zu einer kompletten Neukonzeption des Innenraums. Während dieser Bauphase entstand die szenische und beiderseitige Reihung der Nebenaltäre, mit deren Hilfe wir zum eigentlichen Höhepunkt des Kirchenraums, dem Hochaltar geleitet werden.

Der Hochaltar vereint die beiden Hauptthemen, zu denen die sogenannten Emmaus-Jünger und die Himmelfahrt Mariens als Altarbild rechnen. Darüber hinaus erhielt die Abteikirche einen neuen Altarraum, das Sanktuarium, im Osten. Außerdem wurde die Vorhalle nicht nur vollständig umgestaltet, sondern auch bis auf die Traufhöhe des Kirchenschiffs aufgestockt. Schließlich fügte der frühneuzeitliche Baumeister an der Südseite des Gotteshauses die sechsseitige Joseph-Kapelle an.

Mit Ausnahme der lediglich farblich neu gestalteten Nordwand erhielten sämtliche anderen Seiten eine neue Fassadengliederung mit Rokokopilastern. Dadurch scheint die Architektur der dazwischenliegenden Wandflächen bewegt, sodass uns das Gesamtbild der Klosterkirche den lebendigen Eindruck böhmischer Barockbaukunst in seiner reinsten Form vermittelt.
Die mittelalterliche Sakristei blieb erhalten – Ort für die Aufstellung des Heiligen Grabes

Trotz einiger Veränderungen im 19. Jahrhundert konnte die Neuzeller Abteikirche ihr barockes Erscheinungsbild bis heute bewahren. Ebenso ist der gotische Ursprungsbau unter seiner barocken Verkleidung noch immer präsent. Mit der alten Sakristei wurde ein mittelalterlicher Raum nach seiner 1985 erfolgten Restaurierung wieder in seinem ursprünglichen Aussehen hergestellt und für die Besucher erlebbar gemacht. Ausgestattet mit einem herrlichen Kreuzrippengewölbe und markanten gotischen Schlusssteinen in der Form bärtiger Männerköpfe bietet er den alljährlichen festlichen Rahmen für die Aufstellung des Heiligen Grabes aus dem Jahr 1751.
Weitere Sehenswürdigkeiten auf dem Klosterareal – Wallfahrtsberg, Klostergarten und Orangerie

Zum Gesamtkomplex der Abtei gehören der frühere Wein- und heutige Wallfahrtsberg, der Klosterteich und einige Wirtschaftsgebäude. Wir sind im Bilde über den östlich gelegenen Klosterpark, der bereits im frühen 18. Jahrhundert als Renaissancegarten angelegt worden war. Nach 1760 wurde die gesamte Anlage im damals bevorzugten Französischen Gartenstil, im jardin à la française, ganz nach dem Vorbild des legendären Gartenarchitekten König Ludwigs XIV. und des Barocks, André Le Nôtre, streng geometrisch mit einem entzückenden Gartenteich, Laubengängen sowie einer Orangerie umgestaltet.
Spezifika der Zisterzienserabtei – Prozessionen, Wallfahrten und Neuzeller Klosterbier
Beachtenswerte Festzüge des religiösen Jahres, die in Neuzelle stattfinden, sind die traditionelle Fronleichnamsprozession und die seit 1947 stattfindenden Marienwallfahren. Sie werden noch heute unter reger Anteilnahme und mit großem Pomp begangen. Ebenso blickt die bekannte Klosterbrauerei Neuzelle auf eine über 400-jährige Geschichte zurück, weil sie seit 1589 in einem Vertrag zwischen der Abtei und dem Landstädtchen Fürstenberg urkundlich belegt ist.
Darüber hinaus ist es interessant zu erfahren, dass es das klösterliche Bier aus Neuzelle schon seit knapp 700 Jahren gibt. Bereits kurz nach seiner Gründung wird das Kloster ein Brauhaus eingerichtet haben, obwohl es zunächst nur das Braurecht für seinen Eigenbedarf besaß. Wann die Abtei Neuzelle damit begann, auch für auswärtige Abnehmer zu brauen, ist für uns heute allerdings nicht mehr ganz nachvollziehbar. Selbstverständlich dürften sich die klugen Zisterzienser dieses einträgliche Geschäft nicht lange entgehen gelassen haben.
Hinweis
Zisterzienserkloster Neuzelle · Stiftsplatz 7 · 15898 Neuzelle · Landkreis Oder-Spree
Anfahrt
Unser Reisebus erreicht Neuzelle von Berlin aus über die A 10 in Richtung Frankfurt (Oder) und anschließend von der Abfahrt Müllrose auf der B 112.
Wichtiger Hinweis!
Der Kreuzgang mit dem Klostermuseum ist aktuell nur im Zuge einer Führung zugänglich. Öffentliche Führungen Di-So um 12 Uhr, Billetts im Museum Himmlisches Theater, der Besucherinformation Neuzelle oder online (mit Vorverkaufsgebühren). Telefon: 0 33 6 52 – 71 51
Eintrittspreise: Kreuzgang und Klostermuseum. Erwachsene 4 €, ermäßigt 3 €, Familien 8 €
Regeneration
Klosterklause Neuzelle · Brauhausplatz 4 · 15898 Neuzelle · Telefon: 0 33 6 52 – 39 0
Öffnungszeiten: Mo + Di = Ruhetag, (feiertags geöffnet) · Mi-So ab 11.30 Uhr
Lesenswert
Badstübner, Ernst: Kloster Neuzelle. Deutscher Kunstverlag, München 1985, Neuauflage 2002