Unser Reisebus fährt in das am Sacrower See und an der Havel gelegene Sacrow, dessen Name in der slawischen Sprache mit Hinterm Busch übersetzt wird.
Sacrow war bis 1939 eine eigenständige Gemeinde, bevor sie in die spätere Landeshauptstadt Potsdam eingemeindet wurde.
Es wird von der Schlossgeschichte und von dem Lenné’schen Landschaftspark berichtet.
Unsere älteste historische Quelle, in der das Rittergut Sacrow zum ersten Mal eine schriftliche Erwähnung findet, ist eine spätmittelalterliche Urkunde aus dem 14. Jahrhundert. Nachdem der im preußischen Dienst stehende schwedische General Johann Ludwig Graf von Hordt, der Gouverneur der legendären Spandauer Zitadelle, in der Mitte des 18. Jahrhunderts die äußerste Südspitze der Halbinsel Sacrow käuflich erworben hatte, ließ er sich vor Ort ein stattliches Herrenhaus erbauen und einen großen Barockgarten anlegen.
Kein Jahrzehnt danach nahm der aus einer alten normannischen Hugenottenfamilie stammende Domherr zu Brandenburg und Halberstadt, Heinrich August Karl de la Motte Fouqué, das Sacrower Terrain mitsamt dem imposanten Barockschloss in seinen Besitz. Sein ältester Sohn, der spätere Dichter der Romantik, Friedrich de la Motte Fouqué, verlebte in Sacrow einige unbeschwerte Jugendjahre. Aufmerksame Leser des Buskompass-Magazins dürften den Essay Schloss Nennhausen – ein havelländischer Musenhof unseres Autors wohlwollend zur Kenntnis genommen haben, in dem ausführlich über den romantischen Autor des fantastischen Märchens Undine, Friedrich de la Motte Fouqué, berichtet wird.
Theodor Fontane formulierte keinen einzigen eigenen Satz zum Sacrower Schloss und dessen Landschaftspark
Bemerkenswerterweise erwähnte unser stets gut informierter märkischer Chronist Theodor Fontane das Rittergut Sacrow und dessen elegantes Schloss in seinen berühmten Wanderungen durch die Mark Brandenburg mit keiner persönlichen Zeile. Fontane gab lediglich den beredeten Tagebucheintrag des Pastors Johann A. Moritz wieder, der seine unliebsame Malaise über seinen weit entfernt liegenden Pfarrsprengel, in der der Gutsbesitzer häufig nicht präsent war, mit deutlichen Worten niedergeschrieben hat: Meine Pfarre ist eine beschwerliche Pfarre. Sacrow […] liegt eine Meile ab, auf einer Straße, die niemand bereiset als ich, was denn beim Schnee desto beschwerlicher fällt, noch dazu, da es durch die Heide geht, wo der Wind oft sehr zusammendeilt.
Der an der Architektur begeisterte König Friedrich Wilhelm IV. erwirbt das Schloss Sacrow
Bis in die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts hinein ist ein reges Kommen und Gehen der Sacrower Guts- und Schlosseigentümer zu verzeichnen. Erst im Jahr 1840 kaufte der an der Architektur begeisterte Hohenzollernkönig Friedrich Wilhelm IV. das gesamte Rittergutensemble mitsamt dem gepflegten Schloss. Der kunstsinnige Monarch hatte den kühnen und weitreichenden Plan gefasst, um seine Residenzstadt Potsdam herum umfangreiche Landesverschönerungen in die Wege zu leiten.
Aus diesem Grund beauftragte der feinsinnige Regent seinen versierten Hofarchitekten, den talentierten Schinkelschüler Ludwig Persius, nicht nur die außergewöhnliche Heilandskirche auf der in den See hineinragenden Landzunge zu erbauen, sondern auch das Sacrower Herrenhaus im italienischen Landhausstil umzubauen. Unser preußischer Großmeister bei der fachmännischen Strukturierung von englischen Landschaftsparks Peter Joseph Lenné gestaltete im Auftrag Friedrich Wilhelms den Sacrower Barockgarten zu einem weitläufigen Park um, dessen einzelne Sichtachsen – eine Spezialität Lennés – auf die unweit entfernt gelegenen Schlösser Babelsberg, Cecilienhof, Glienicke und auf die Pfaueninsel ausgerichtet wurden. Seit damals wird das ursprünglich vom schwedischen Grafen Hordt erbaute Sacrower Herrenhaus als Schloss bezeichnet, obwohl der älteste Sohn der früh verstorbenen Preußenkönigin Luise, Friedrich Wilhelm IV., persönlich dort niemals logiert hat.
Der preußische Generalforstmeister zieht in Sacrow ein – das Schloss wird ein Erholungsheim für Verfolgte des NS-Regimes
Es mussten erst drei Generationen nachwachsen, bevor wir erneut gesicherte Informationen über das Sacrower Schloss dokumentiert haben. Im Jahr 1938 wurde das pittoreske Herrenhaus im Stil des NS-typischen Neuklassizismus zum Amts- und Wohnsitz des preußischen Generalforstmeisters Friedrich Alpers umfunktioniert. Nach der völligen Katastrophe des II. Weltkriegs diente die unbeschädigt gebliebene Anlage mit ihrem ausgedehnten Landschaftspark einige Jahre lang als Jugend- und Schriftstellerheim für Verfolgte des NS-Terrors. Nach der Etablierung der DDR hatte die Nationale Volksarmee im Sacrower Schloss ihr adäquates Quartier bezogen. Ab den 1970er Jahren fungierte das ehemalige preußische Herrenhaus der dem Ministerium für Außenhandel unterstellten Zollverwaltung als komfortabler Dienstsitz. Im Verlauf der 40-jährigen sozialistischen Ägide war der englische Landschaftspark immer mehr verödet.
Erst seit dem Beginn der 1990er Jahre wird der wunderbare Park in seinen ursprünglichen Zustand eines begehbaren Landschaftsgemäldes zurückversetzt. Seit dem Jahr 1992 gehören sowohl der Lenné’sche Landschaftspark und das altehrwürdige Schloss als auch die nach Skizzen des Königs Friedrich Wilhelm IV. von Ludwig Persius errichtete Heilandskirche zum UNESCO-Welterbe. Seitdem wird das gesamte Ensemble durch die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg ihren distinguierten Ansprüchen entsprechend betreut.
Schloss und Park Sacrow mit seiner 1000-jährigen Eiche in unseren Tagen
Für Erholungssuchende ist es möglich, den Lenné’schen Park zu besichtigen, ohne einen Obolus entrichten zu müssen. Im nördlichen Bereich des Parkareals können die Besucher eine 1000-jährige Eiche anschauen. Leider ist diese sogenannte Stieleiche, Quercus robur, inzwischen fast komplett auseinandergefallen. Dagegen sind die abgebrochenen Teile ihrer einstmals mächtigen Krone bis heute um den knapp sechseinhalb Meter starken Stamm herum liegen geblieben.
Weil das sehenswerte Schloss Sacrow in den Sommermonaten mitunter als Kunstgalerie genutzt wird, öffnet es in diesem Rahmen seine Pforten für interessierte Gäste.
Hinweis
Schloss Sacrow ∙ Krampnitzer Straße 33 ∙ 14469 Potsdam OT Sacrow
Lesenswert
Mortell, Heikel: Schloßpark Sakrow. Abriß der geschichtlichen Entwicklung, in: Die Gartenkunst 7, 1995/1