Gut 20 Kilometer von Potsdam entfernt, befindet sich das in der weiten Havellandschaft gelegene Schloss Paretz, das zu den hübschesten Ausflugszielen in Brandenburg gehört.
Ein Rundgang durch die herrschaftlichen Wohnräume mit ihren Möbeln, Gemälden, Grafiken und den berühmten Paretzer Papiertapeten gibt faszinierende Einblicke in die Lebenswelt der als temperamentvoll geltenden Preußenkönigin Luise.
Die planmäßige Entstehung von Paretz im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts fiel in eine Epoche, in der sich auch am preußischen Hof ein tiefgreifender und umfassender Wandel im Lebensstil, in der Naturbetrachtung und in den künstlerischen Ausdrucksformen vollzog.
In der abgeschiedenen Idylle der friedlichen Havellandschaft verbrachten alljährlich die Preußische Königin Luise mit ihrem Gatten Friedrich Wilhelm III. und deren Kindern Friedrich Wilhelm (*1795), Wilhelm (*1797), Charlotte (*1798), Carl (*1801) und Alexandrine (*1803) die angenehmen Sommermonate. Fernab höfischer Etikette, fern vom opulenten Prunk der preußischen Residenzstädte Berlin und Potsdam genossen sie in Paretz ein bürgerliches Familienleben und demonstrierten damit gleichzeitig auch eine moderne Form des Landlebens, das in einer Zeit umwälzender Veränderungen zum nachahmenswerten Vorbild für eine ganze Generation wurde.
Das von dem talentierten Baumeister David Gilly angelegte zweigeschossige Schloss, ein sogenannter Putzbau, wurde mit neuem bautechnischem Know-how und mit einem hohen ästhetischen Anspruch im Stil eines großen Gutshauses errichtet.
Es bildet mit dem weiten Park, der neogotischen Dorfkirche sowie weiteren Gebäuden ein harmonisches Ensemble. Sowohl das Schlösschen als auch der Ort Paretz selbst erfüllten den doppelten Wunsch nach einem königlichen Landsitz und nach einem funktionierenden Musterdorf, das nach dem englischen Vorbild eines model village angelegt worden war.
Baumeister David Gilly, ein Preuße vom Herzen her, erbaut Schloss und Musterdorf Paretz
Der im Jahr 1748 in der Stadt des tollen Markgrafen Friedrich Wilhelm in Schwedt an der Oder geborene Baumeister David Gilly war ein Preuße vom Herzen her und ebenso wie unser bedeutender Brandenburger Chronist Theodor Fontane ein Preuße mit vielen Tropfen französischen Blutes in den Adern. Nach den Worten Fontanes gehörte der provenzalische Hugenotte Gilly zu den genialen Persönlichkeiten Preußens, die eine griechische Seele, einen fritzischen Geist [d.h. Friedrichs des Großen] und einen märkischen Charakter besaßen. Gilly, dessen hugenottische Familie aus dem nahen Umland des südfranzösischen Nîmes stammte, hat in den Jahren 1796/97 in dem vor den Toren Potsdams gelegenen havelländischen Paretz ein lyrisches Arkadien für die musisch veranlagte Luise und deren ein wenig einfältigen Gemahl Friedrich Wilhelm III. erbaut.
Trotz alledem ließ der knauserige königliche Auftraggeber, der die merkwürdige Marotte besaß, seine einfachen Sätze immer in Infinitiv-Formen zu kleiden, den umtriebigen Baumeister ermahnend wissen, nur immer daran denken, dass Sie für einen armen Gutsherrn bauen.
Gilly hingegen errichtete in Paretz nicht nur ein bescheidenes Schlösschen, sondern darüber hinaus auch ein im klassizistischen Stil gestaltetes Mustergut. Dieses architektonische Ensemble umfasste Wohn- und Torhäuser, Kuh- und Schafställe, eine Schmiede, ein Amtshaus sowie eine neogotisch umgebaute Dorfkirche.
Rundgang durch das Schloss mit seinen wertvollen Paretzer Papiertapeten
Ein Rundgang durch die königlichen Wohnräume mit ihren kostbaren Möbeln, Gemälden, Grafiken, Porzellanen und den handgemalten und gedruckten Paretzer Papiertapeten gibt faszinierende Einblicke in die verträumten Lebenswelten der als unbeschwert geltenden Königin Luise, einer geborenen Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz.
Zu den schönsten Exponaten gehören neben künstlerisch herausragenden Bildnisbüsten der attraktiven Monarchin auch einige Porträts eng mit ihr verwandter Persönlichkeiten. Zudem können die heutigen Besucher luxuriöse Accessoires aus dem ehemaligen Kronprinzenpalais am pulsierenden Linden-Boulevard in Berlin, unter anderem das vergoldete Toilettenservice der sympathischen Königin, bewundern. Darüber hinaus ist eine größere Auswahl von eleganten Sitzmöbeln aus dem auf dem Potsdamer Brauhausberg gelegenen Belvedere von Andreas Ludwig Krüger erstmalig seit dem Zweiten Weltkrieg wieder zu sehen.
Das Arbeitszimmer Friedrich Wilhelms III.
Wenngleich das im Paretzer Schlösschen befindliche königliche Arbeitszimmer Friedrich Wilhelms III. bescheiden möbliert ist, so lagen jedoch auf dem Schreibsekretär des preußischen Souveräns die gelehrten Briefe eines Wilhelm von Humboldt, die Architekturentwürfe eines Karl Friedrich Schinkel und die Expertisen des Regierungsrats und Schriftstellers Joseph von Eichendorff. Vom havelländischen Paretz aus regierte der König oft Monate hindurch seinen vom westlichen Köln am Rhein bis in das ferne Königsberg in Ostpreußen reichenden Staat.
Die neu eingerichtete Dauerausstellung
Schließlich erzählt die seit dem Jahre 2014 neu eingerichtete Dauerausstellung im Schloss von der interessanten Bau- und Nutzungsgeschichte des klassizistischen Ensembles und erinnert uns an die aufwendige Restaurierung der lange Zeit bis zur Unkenntlichkeit verunstalteten Paretzer Güter. Glücklicherweise blieb einiges über die Wirren der Zeiten erhalten oder konnte – wie das Schlösschen – durch eine versierte Sanierung und eine behutsame Restaurierung wieder hergestellt werden.
Rundgang durch die Schlossremise mit ihren Kutschen, Schlitten und Sänften
Unser Rundgang durch Paretz wäre unvollständig, wenn wir nicht auch der angeschlossenen Schlossremise einen ausgiebigen Besuch abstatten würden.
In der Remise wird von dem einstigen Marstall der brandenburg-preußischen Hohenzollern eine kulturhistorisch exzellente Sammlung prächtiger Kutschen, Schlitten und Sänften aus dem 17. und dem 18. Jahrhundert den Gästen präsentiert. Außerdem erinnert uns die Ausstellung daran, dass Königin Luise und König Friedrich Wilhelm III. mit ihren damals bereits geborenen fünf Kindern immer mit einer großen Entourage von Berlin bzw. von Potsdam nach Paretz reisten. Demzufolge wurden ihre schweren Kutschen und die beladenen Fuhrwagen samt deren Geschirre während des mehrmonatigen Aufenthalts der königlichen Familie in der geräumigen Remise deponiert.
Überdies können die Besucher der Schlossremise die höfische Kinderkutsche des preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm (I.), des legendären Soldatenkönigs, aus dem Jahr 1690 sehen. Zudem werden gut erhaltene Prunkschlitten aus der Epoche Friedrichs I., des ersten Königs in Preußen, und der komfortable Gartenwagen seines Enkels, Friedrichs II. des Großen gezeigt. Darüber hinaus sind einige Sänften und eine nützliche Feuerspritze als ein weiteres Fuhrwerk aus dem Berliner Kronprinzenpalais in der großen Schlossremise ausgestellt.
Das Prunkstück der Sammlung – der Goldene Krönungswagen Friedrich Wilhelms II.
Die von den beiden Straßburger Wagnermeistern, maîtres charron, August Christian und Jean Christian Ginzrot im Jahre 1789 für Friedrich Wilhelm II. – dem promiskuitiven Schwiegervater Königin Luises – gebaute Staatskarosse ist nicht nur als Goldener Krönungswagen in die preußische Geschichte eingegangen, sondern mit Sicherheit auch das kolossale Prunkstück der Paretzer Sammlung historischer Kutschen. Wenngleich sie im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt worden war, wurde sie inzwischen fachgerecht restauriert. Vergleichbare, ursprünglich aus Frankreich stammende Prunkkutschen vom großen Wagentyp Grand carosse sind bis heute als Zeugnisse barocker Hofkultur leider nur noch in sehr wenigen Exemplaren erhalten geblieben. Stellmachermeister Ginzrot ist ebenfalls mit einem umfangreichen Sachbuch Die Wagen und Fuhrwerke von der Antike bis zum 19. Jahrhundert, nebst Bespannung, Zäumung und Verzierung der Zug-, Reit- und Lasttiere literarisch in Erscheinung getreten. Die letzte im Jahr 1981 im Gütersloher Prisma-Verlag erschienene und reichlich bebilderte Ausgabe ist noch immer antiquarisch erwerbbar.
Hinweise
Schloss Paretz ∙ Parkring 1 ∙ 14669 Ketzin OT Paretz
Öffnungszeiten: Sommersaison: 1. April – 31. Oktober · Di – So 10 – 17.30 Uhr
Wintersaison: 1. November – 31. März · Sa, So, Feiertage 10 – 16 Uhr
Brandenburgische Sommerkonzerte in der Paretzer Scheune
The Juilliard String Quartet New York ∙ 12.06.2022 um 17.00 Uhr
Hotel & Restaurant ∙ Gutshof Havelland ∙ Potsdamer Allee 30 ∙ 14669 Ketzin
Öffnungszeiten: Restaurant: Mo – Fr 18 – 21 Uhr ∙ Sa 15 – 20 Uhr ∙ So Ruhetag
Lesenswert
Lucas, Birgit; Titia Hoffmeister & Matthias Marr: Paretz, in: Schlösser und Gärten der Mark. Berlin 1993