Nennhausen im Havelland besitzt nicht nur ein hübsches Schloss mit einem englischen Landschaftspark, sondern auch eine interessante Historie.
Unser Buskompass-Autor erzählt von Theodor Fontanes Roman Effie Briest sowie von Caroline von Briest und Friedrich de la Motte Fouqué, die sich im Herrenhaus Nennhausen einen Märkischen Musenhof geschaffen hatten.
Die kleine havelländische Gemeinde wurde am Beginn des 14. Jahrhunderts erstmalig urkundlich erwähnt. In dem aus dem Jahre 1375 stammenden Landbuch Kaiser Karls IV. ist die altmärkische Familie derer von Stechow als Lehnsherr in Nennhausen aufgeführt. Am Ende des 15. Jahrhunderts geht dieses Lehen dann an die brandenburgische Familie derer von Lochow über, die zum havelländischen Uradel gehörte. In deren Besitz blieben der mittelmärkische Ort und das dazugehörige Gut bis zum Ende des 30-jährigen Krieges im Jahr 1648. Aus dieser Zeit erinnert das in der großen Eingangshalle des Nennhausener Herrenhauses befindliche Epitaph für den Domherrn von Halberstadt, Andreas von Lochow. Jenem gebührte das Verdienst, den protestantischen Glauben im Havelland eifrig mit verbreitet zu haben.
Jakob Friedrich von Briest erhält das vakant gewordene Lehen vom Großen Kurfürsten übereignet – Theodor Fontanes Roman Effie Briest gibt uns eine Antwort
Nach dem Erlöschen der havelländischen Uradelsfamilie derer von Lochow in der Mitte des 17. Jahrhunderts war das vakant gewordene Lehen wieder an den die Mark Brandenburg regierenden Hohenzollern-Kurfürsten gefallen. In Folge dessen konnte der Große Kurfürst, Friedrich Wilhelm, das frei gewordene Lehen an den Landrat Jakob Friedrich von Briest für dessen tapfere Verdienste bei der Befreiung des märkischen Landstädtchens Rathenow von den schwedischen Truppen neu verleihen. Unser bekannter Chronist Theodor Fontane spielte auf jene landesherrliche Verleihung in seinem populären Roman Effi Briest an, deren Familienname vom Autor nicht zufällig ausgewählt worden war. Als Vorfahre der imaginären Heldin wird in Fontanes Meisterwerk ausdrücklich der Landrat Jakob Friedrich von Briest (*1631) erwähnt, von dem es im achten Kapitel heißt, dass er jener Briest gewesen sei, der am Tag vor der Fehrbelliner Schlacht den [brandenburgischen] Überfall von Rathenow ausgeführt [hat].
Die Familie von Briest gestaltet das Nennhausener Herrenhaus um
In den darauf folgenden 150 Jahren wurde der havelländische Ort Nennhausen mitsamt seinem aparten Herrenhaus und dem üppigen Barockgarten maßgeblich von der Familie von Briest gestaltet. Dazu gehörte es, dass der legendäre Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. dem nächsten Landrat Christoph Friedrich von Briest großzügig Holz und Steine zum Bau des zweiflügligen barocken Herrenhauses gewährte. Allerdings ließ in den 80er Jahren des 18. Jahrhunderts der neue Schlossbesitzer Philipp August von Briest einen Seitenflügel des herrschaftlichen Hauptgebäudes wieder abreißen, um eine bessere Verbindung zu dem von ihm geschaffenen englischen Landschaftspark herstellen zu können.
Die letzte Briest – ein kongeniales Paar Caroline Philippine und Friedrich Baron de la Motte Fouqué
Im Jahr 1803 hatte Caroline Philippine, die letzte Angehörige aus der Familie derer von Briest, den preußischen Offizier und romantischen Dichter Friedrich Baron de la Motte Fouqué geheiratet, mit dem sie bis 1833 im Nennhausener Herrenhaus zusammen lebte. Der in Brandenburg an der Havel geborene Friedrich de la Motte Fouqué entstammte einer altadligen Hugenottenfamilie, die im 17. Jahrhundert aus der nordwestlichen Normandie nach Preußen eingewandert war. Bereits dessen populärer Großvater, Ernst Heinrich August de la Motte Fouqué, diente als preußischer General der Infanterie im erfolgreichen Siebenjährigen Krieg unter Friedrich dem Großen. Der große Souverän revangierte sich nobel, indem er als Taufpate des kleinen Enkels Friedrich Motte Fouqué fungierte.
Motte Fouqué schreibt das Märchen Undine – ein Märkischer Musenhof nimmt Gestalt an
In Nennhausen schrieb der inzwischen demissionierte Offizier Friedrich de la Motte Fouqué unter dem Pseudonym Pellegrin seine berühmte Märchennovelle Undine, deren literarischer Stoff von E.T.A. Hoffmann und Albert Lortzing vertont werden wird. Es handelt sich um eine mit fantastischen Elementen ausgeschmückte und teilweise im melodischen Märchenton verfasste Erzählung.
Andererseits verfasste Motte Fouqué aber auch einen patriotischen Ritterroman und unzählige Lieder wie Frisch auf zum fröhlichen Jagen, mit denen er den 1806 von Kaiser Napoleon in der Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt besiegten Preußen wieder ein wenig Mut machen wollte. Sie sollten nicht verzagen und die französische Besatzung abschütteln. Deshalb haben Motte Fouqués aufmunternde Texte und Lieder vor und nach den spektakulären Freiheitskriegen, von 1813-15, ein breites, begeistertes Publikum gefunden.
Gemeinsam mit seiner Frau Caroline hat sich Motte Fouqué im idyllisch gelegenen Herrenhaus zu Nennhausen einen ländlichen Salon, einen Märkischen Musenhof, kreiert, in dem sie zahllose zeitgenössische Persönlichkeiten zu Gast begrüßen konnten. E.T.A. Hoffmann führte im Berliner Schauspielhaus am zentralen Gendarmenmarkt mit großem Erfolg Fouqués romantische Zauberoper Undine auf, zu der das rastlose Universaltalent Karl Friedrich Schinkel das Bühnenbild entworfen hatte.
Ferdinand von Arnim gestaltet das Nennhausener Herrenhaus im englischen Tudorstil um
In der Mitte des 19. Jahrhunderts hat der Schinkel-Schüler, der preußische Hofbaumeister Ferdinand von Arnim, die damalige Fassade des Nennhausener Herrenhauses im englischen Tudorstil umgestaltet. Seiner weitblickenden Umsicht ist es zu verdanken, dass die barocke Raumaufteilung im Inneren sowie die ebenfalls barocken Stuckelemente an den Wänden und Kaminen für die staunende Nachwelt erhalten blieben.
Gleichermaßen hat der Architekt von Arnim die im Potsdamer Marlygarten befindliche Friedenskirche erbaut, das Jagdschloss Glienicke erneuert und die in zeitgenössischer Mode konzipierten Schweizerhäuser am Bäkekanal in Klein-Glienicke errichtet.
Schloss Nennhausen nach dem II. Weltkrieg bis in unsere Tage
Unmittelbar nach dem Ende des II. Weltkriegs wurde der damalige, aus dem westfälischen Adelsgeschlecht stammende Eigentümer Nennhausens, der Graf von und zu Westerholt-Geysenberg, enteignet. Anschließend nutzte die havelländische Gemeinde das herrschaftliche Gebäude zunächst als bescheidenes Wohnquartier für die zahlreichen Kriegsflüchtlinge sowie danach als Schule, Kindergarten und Sparkasse. Am Anfang der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts brannte der gesamte Dachstuhl aufgrund von einer fahrlässigen Unachtsamkeit aus. Leider beschleunigte eine unsachgemäße Notdachkonstruktion den rapiden Verfall des Hauses, der bald nicht mehr zu stoppen war. Glücklicherweise konnte in den darauf folgenden 90er Jahren ein vermögender Privatinvestor gefunden werden, sodass der englische Landschaftspark und die abgewirtschaftete Gebäuderuine im noblen Tudorstil erneut aufgebaut und restauriert werden konnten. Seitdem leuchten die noch erhalten gebliebenen wertvollen Stuckelemente wieder in ihrer ursprünglichen Farbigkeit.
Heutzutage wird das prächtige Herrenhaus sowohl privat als auch öffentlich genutzt. Es öffnet seine Pforten nicht nur für ein regelmäßig stattfindendes, sondern auch für ein vielfältiges Kulturprogramm. Mit den zahllosen kulturellen Veranstaltungen erhoffen sich die neuen Eigentümer, die künstlerische Tradition des mondänen Hauses wiederzubeleben.
Philipp August von Briest setzt seine Ideen um – vom barocken Schlossgarten zum englischen Landschaftspark
Der englische Landschaftspark in Nennhausen gehört zu den ältesten Parkanlagen in ganz Brandenburg. In den 80er Jahren des 18. Jahrhunderts war der bis dato barocke, das Herrenhaus umgebende Garten von Philipp August von Briest in einen großen Landschaftspark nach englischem Vorbild umgestaltet worden. Im Verlaufe dessen wurde der Park über seinen inneren Kernbereich hinaus auf eine neue Gesamtfläche von 40 Hektar erweitert. Seit damals verbindet eine gepflanzte Eichenallee den Nennhausener Park mit dem angrenzenden Wald. In einer eigenen Baumschule hatte Philipp von Briest die einheimischen Gehölze herangezogen, die noch heute den imposanten Charakter des Naturparks prägen. In diesem Zusammenhang ist es interessant zu sehen, dass der an der südwestlichen Parkgrenze gelegene Eichenhain von den unermüdlichen Bemühungen Philipps von Briest zeugt, die immer wiederkehrenden Flugsanddünen durch permanente Aufforstungen zu befestigen.
Die alte Fouqué-Eiche ist nicht mehr – die Gedächtnisurne für Hans Christian von Briest
Bedauerlicherweise ist 2006 die über 450 Jahre alte Fouqué-Eiche zusammen gebrochen, die heute nur noch als eine eindrucksvolle Baumruine besichtigt werden kann. Schließlich hatte Philipp von Briest zum treuen Gedenken an seinen jung verstorbenen Bruder Hans Christian eine barocke Sandsteinvase in der Form einer klassischen Gedächtnisurne auf einer von Bäumen gesäumten Grünfläche aufstellen lassen, die inzwischen fachkundig restauriert werden konnte.
Vor einiger Zeit gab die mittelmärkische Gemeinde ein kostspieliges Parkpflegewerk in Auftrag, um den verwilderten Park denkmalgerecht wieder herzustellen. Nach deren Vollendung stehen der Nennhausener Landschaftspark und das glanzvolle Schloss unter Denkmalschutz. Am Abend des Tages können wir uns in dem Restaurant Alte Brennerei Liepe ausruhen, bevor wir wieder in unseren Reisebus einsteigen.
Hinweis
Schloss & Park Nennhausen ∙ Fouqué-Platz 4 ∙ 14715 Nennhausen
Das in Privatbesitz befindliche Herrenhaus öffnet seine Pforten nur zu kulturellen Veranstaltungen. Allerdings lädt der Schlosspark zu Spaziergängen ein.
Ein behindertengerechter Tagungs- und Standesamtsraum befindet sich im Parterre der Orangerie mit einer eigenen Terrasse zum Park.
Eine geräumige Ferienwohnung liegt im 1. OG der Orangerie. Sie wohnen nicht nur ruhig auf dem Schlossparkareal, sondern auch zentral im Ort Nennhausen.
Restaurant ∙ Alte Brennerei Liepe ∙ Breite Straße 44 ∙ 14715 Nennhausen
Anfahrt
Nennhausen liegt 65 Kilometer westlich von Berlin. Mit dem Reisebus fahren Sie auf der B5 in Richtung Nauen, Ribbeck, hinter Selbelang nach links in Richtung Brandenburg/Marzahne abbiegen. Von dort folgen Sie der Beschilderung.
Lesenswert
Kamps, Ute; Heike Mortell & Bernhard Rengert: Nennhausen, in: Schlösser und Gärten der Mark. Berlin 2004