Ein Schloss an der Elbe. Nicht in Dresden, sondern in Torgau. Residenzstadt, Bärenburg und der Ort, an dem US-amerikanische und sowjetische Truppen zum Ende des Zweiten Weltkrieges aufeinandertrafen. Jahrhunderte zuvor haben Martin Luther und Lucas Cranach der Ältere hier gewirkt.
Ein Schloss wie aus dem Märchen Dornröschen. Das ist der Gedanke, der einen überkommt, wenn wir mit dem Reisebus nach Torgau reisen. In die Stadt mit ehemaligem kurfürstlichem Sitz an der Elbe. Ganz falsch liegen wir damit übrigens nicht. Schließlich drehte die DEFA im Jahr 1970 hier tatsächlich. Anders als auf Schloss Moritzburg, wo der Filmklassiker Drei Haselnüsse für Aschenbrödel entstand, wurde hier Dornröschen verwirklicht. Eine vierflügelige Residenz im Renaissancestil als Filmkulisse. Wenn wir an einer Führung durch das Residenzschloss teilnehmen möchten, geht dies in Kombination mit der Ausstellung mit dem griffigen Titel Standfest. Bibelfest. Trinkfest. Dabei wird Ihnen die Geschichte von Schloss Hartenfels als Machtzentrum der Reformation ebenso nahe gebracht wie allerlei Anekdoten zu den Berühmtheiten, die sich hier aufgehalten haben. Lucas Cranach der Ältere (1472-1553) wirkte hier als Künstler des Hofes. Er gestaltete beispielsweise die Spiegelstube auf Schloss Hartenfels und war an der künstlerischen Gesamtkomposition des berühmten Wendelsteins beteiligt. Ein Wendelstein ist ein am Gebäude empor führender Treppenturm. Nach dem Vorbild der Meißener Albrechtsburg entstand auf Schloss Hartenfels eine freitragende Spirale, bei der auf eine mittlere Säule verzichtet wurde und die sich durch große Fenster nach außen hin öffnet. Der ganze Turm ist eine Erscheinung. Treffpunkt für den Ausstellungsrundgang ist übrigens der Flügel B (ja, ein Schloss ist groß), die Tickets kosten 5€ (ermäßigt 4€) und es ist dienstags bis sonntags von 10.00 Uhr bis 16.00 Uhr geöffnet.
Martin Luther auf Schloss Hartenfels
Kein geringerer als der große Reformator höchstpersönlich weihte im Jahre 1544 die Schlosskapelle von Torgau ein. Das geschah weniger bombastisch, als es bis dahin in Kirchen der Fall war, die dem Katholizismus gewidmet waren. Die Protestanten vertrauten lediglich auf das Wort, auf den Dialog mit Gott. Von einem Dialog mit Martin Luther (1483-1546) ließ sich zwar nicht jeder überzeugen (erinnert sei an den Revolutionär gegen die Obrigkeit Hans Kohlhase), aber auf Schloss Hartenfels stieß er ganz gewiss auf offenere Ohren. Sachsen war damals das Zentrum des Protestantismus, Luthers Frau Katharina von Bora (1499-1552) starb in Torgau. Dass der Kapelle zwei andere voraus gehen, wenn es um den Rang des ersten protestantischen Kirchenneubaus der Welt geht, ist nichts, worüber man sich aufregen müsste. Wir erfreuen uns an der unprätentiös gehaltenen Innengestaltung der Schlosskapelle.
Die Bärenburg von Schloss Hartenfels in Torgau
Es hat eine lange Tradition und doch ist sie eher zweifelhaft. Über fast 500 Jahre reicht die Bärenhaltung im Burggraben von Schloss Hartenfels in die Vergangenheit zurück. Seit 1425 war das offenbar ein beliebtes Hobby der Herrschenden. Ein Symbol für Macht und Überlegenheit. Die kuscheligen Plüschbären von heute hatte damals jedenfalls noch keiner im Sinn. In der Folgezeit dienten sie eher der Belustigung. Sogenannte Bärenhatzen wurden auf der Burg inszeniert, d.h. sie wurden von Hunden gejagt oder gegeneinander aufgehetzt. Grausam aus heutiger Sicht. In der Mitte des 18. Jahrhunderts war erst einmal Schluss damit, während der Schlacht bei Torgau gab es wichtigeres zu tun, als sich um Bären zu kümmern. Doch in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde die Tradition tatsächlich wieder aufgenommen. Es wurden erfolgreich Bären gezüchtet, doch deren Schicksal war oft nicht weniger qualvoll als in den Jahrhunderten zuvor. Dutzende Tiere wurden an Zirkusse verkauft. Inzwischen leben noch zwei Jungbären mit den brummelig bärigen Namen Bea und Benno im Burggraben sowie die schon 35 Jahre alte Jette. Man muss dem Projekt zugute halten, dass die gesamte Anlage von mehreren Tierpflegern betreut wird und seit dem Jahr 2021 noch mehr auf eine artgerechte Haltung geachtet wird – soweit das jedenfalls in einem Burggraben möglich ist. Am besten machen Sie sich selbst ein Bild von Meister Petz – imposant sind diese Wildtiere allemal, auch wenn sie vielleicht doch eher in die weiten Wälder des Ostens gehören.
An der Elbbrücke am Schloss Hartenfels trafen die Alliierten aus Ost und West 1945 aufeinander
Der weite Osten ist ein gutes Stichwort, um Ihnen noch ein Ereignis aus ganz anderen Zeiten als heute nahezubringen. Wie wandelbar, seltsam, grausam und hoffnungsvoll Geschichte doch sein kann. Truppen aus dem fernen Osten und aus dem damals ebenso fernen Westen trafen sich am 25. April 1945 direkt an und auf der teilweise zerstörten Elbbrücke, um einander wortwörtlich die Hände zu reichen. Hitlerdeutschland war besiegt – sowjetische Soldaten unter Leutnant Alexander Silwaschko und US-amerikanische Soldaten unter Leutnant William Robertson begegneten sich überschwänglich. Keine zwei Wochen später, am 08. Mai 1945, trat die vollständige Kapitulation des Nationalsozialistischen Regimes in Kraft. Die Begegnung ereignete sich an den Ufern einer Stadt, in der sich damals ein Sitz des Reichskriegsgerichtes befand. Der noch vorhandene Brückenkopf (heute eine Art Aussichtsplattform) und eine Tafel, die den damals entstandenen Geist der Elbe beschwört, könnten nicht passender in die heutige Zeit passen. Der Text mahnt wörtlich Differenzen ausschließlich mit friedlichen Mitteln zu lösen und appelliert an alle Nationen am gemeinsamen Wohl der gesamten Menschheit zu arbeiten. Ein ferner Traum in sehr unruhigen Zeiten.
Hinweise
Die Adresse von Schloss Hartenfels lautet: Schlossstraße 27, 04860 Torgau
Für Führungen können Sie sich an das Torgau-Informations-Center am Markt 1 wenden. Die Rufnummer lautet 03421-701415 / E-Mail-Adresse: info@tic-torgau.de
Der Wendelstein und der Hausmannsturm sind leider nicht barrierefrei zugänglich, aber ansonsten sind die Ausstellungsräume auch für Rollstühle befahrbar. Barrierefreie Toiletten gibt es am Residenzschlossflügel D.
Parkplätze für den Reisebus finden Sie auf dem Parkplatz an der Straße der Jugend oder am Parkplatz am Schiffsanlegeplatz Pestalozziweg. Da haben Sie gleich einen Blick auf die Elbe.
Im Schlosscafe gibt es Kaffee und Kuchen, bei gutem Wetter können Sie sich auch in den Hof setzen, von wo Sie auf den Wendelstein blicken. Öffnungszeiten sind mittwochs bis freitags von 12.00 Uhr bis 17.00 Uhr und am Wochenende von 11.30 Uhr bis 18.00 Uhr. Telefon: 03421-7018088
Das Restaurant Herr Käthe hat täglich von 11.30 Uhr bis Abends geöffnet. Laut Homepage ist um 21.00 Uhr Küchenschluss und Sie können für Gruppen bis zu etwa 20 Personen unter der Rufnummer 03421-778665 reservieren. Von knackigen Salaten bis zu herzhaften Speisen wird hier einiges geboten.
Lesenswert
Wir empfehlen mal in einem Buch mit Zeichnungen von Lucas Cranach dem Älteren zu blättern oder einmal die Luther-Bibel aufzuschlagen. Beides sind richtige Einstimmungen für einen Besuch mit dem Reisebus auf Schloss Hartenfels