Nach unserem informativen Besuch der interessanten Denkmäler für die napoleonischen Befreiungskriege von anno 1813 und der ansehenswerten Schinkelkirche im märkischen Großbeeren steigen wir wieder in unseren bequemen Reisebus ein, der uns zum unweit gelegenen Schloss Diedersdorf bringt, das jetzt in einem eingemeindeten Großbeerener Ortsteil liegt.
Das heutige Schloss Diedersdorf, wie wir es vor uns sehen, wurde auf den noch vorhandenen Fundamenten eines älteren Gebäudes am Ende des 18. Jahrhunderts errichtet. Auftraggeber für den Bau des neuen Herrenhauses war Ernst Friedrich Wilhelm von Bandemer, der einige Jahre zuvor, 1793, als preußischer Hauptmann a. D. und hoch dekorierter Ritter des Ordens Pour le Mérite aus dem im Rheinland stattfindenden Ersten Koalitionskrieg gegen das revolutionäre Frankreich in seine brandenburgische Heimat zurückkehrte. Die Wurzeln des aus einer typischen preußischen Adelsfamilie stammenden und inzwischen zum Teltower Landrat avancierten Ernst von Bandemer gehen auf alten pommerschen Uradel zurück, der vermutlich slawischen Ursprung besaß. Neben zahllosen Gutsbesitzern diente eine stattliche Reihe der männlichen Familienmitglieder derer von Bandemer als tapfere Offiziere in der preußischen Armee.
Ernst von Bandemer besaß noch einen im Jahre 1769 geborenen jüngeren Bruder, Bogislav, der als Eleve in der renommierten, auf der Brandenburger Dominsel gelegenen Ritterakademie ausgebildet wurde. Der zuletzt im Rang eines Majors dienende Bogislav erbte nach seiner Demission aus dem preußischen Militär das märkische Schloss und das prosperierende Gut Diedersdorf nach dem Tod seines älteren Bruders im Jahr der erfolgreichen Märzrevolution 1848.
Die Friederike-Amelie-von-Bandemersche-Offizierstöchter-Stiftung wird 1893 gegründet
Nachdem auch der jüngere Bogislav bald darauf gestorben war, gingen sowohl das stattliche Herrenhaus als auch die sie umgebenen Ländereien an eine entfernte Cousine der beiden Brüder, Marie Friederike Caroline von Bandemer, über. Allerdings war jener unverheiratet gebliebenen Base der Bandemer Brüder ebenfalls keine lange Freude an ihrem neu erworbenen Eigentum beschieden, da auch sie bereits im Jahr 1854 verstarb. Nach dem lang erwarteten Ableben ihrer ehemaligen Gesellschaftsdame und einzigen Erbin, Berta Schweizer, im Jahr 1893, änderte sich hingegen auch die bisherige Funktion des herrschaftlichen Schlosses. Auf ausdrücklichen Wunsch des von Marie Friederike von Bandemer verfassten Testaments sollte das märkische Herrenhaus in eine Friederike-Amelie-von-Bandemersche-Offizierstöchter-Stiftung für ledig lebende Offizierstöchter ab 40 Jahren umgewandelt werden, die nun gegründet wurde. Die umfangreichen Liegenschaften der Bandemers bewirtschaftete am Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts ein gewisser Carl Viktor Liepmann als fleißiger Pächter. Sein auf Schloss Diedersdorf im Jahre 1901 geborener Sohn, Hans Karl Liepmann, erlangte später in der frühen Bundesrepublik einige bleibende Popularität als viel gelesener Jagdschriftsteller.
Die Bandemersche-Offizierstöchter-Stiftung muss Schloss Diedersdorf 1911 veräußern
Im zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts musste die in finanzielle Turbulenzen geratene Bandemersche-Offiziertöchter-Stiftung sowohl das junkerliche Herrenhaus als auch das gedeihliche Gut Diedersdorf an die neu gegründete Immobiliengesellschaft Berliner Stadtgüter veräußern. Deren damaliger Direktor, Doktor Heinrich Ruth, bewohnte das imposante Schloss bis zum Beginn des II. Weltkriegs höchst persönlich.
Schloss Diedersdorf in den Zeiten der DDR 1949-1989
Während der vierzigjährigen DDR-Herrschaft wurden nicht nur das ehemalige Herrenhaus, sondern auch die dazugehörigen Ländereien in ein sogenanntes Volkseigenes Gut, VEG, umgewandelt. Zeitweise nutzte die Diedersdorfer Gemeinde einen Trakt des einstigen Schlosses als administratives Gebäude. In einem anderen Gebäudeteil wurden mehrere Wohnungen eingebaut und vermietet. Außerdem ordnete der Gemeinderat an, im renovierten Souterrain des Herrenhauses eine zur damaligen Zeit beliebte Speisegaststätte mit Deutscher Küche einzurichten. Schließlich wurden im Jahr 1982 das gesamte Schlossareal mit seinem angrenzenden Landschaftspark unter Denkmalschutz gestellt.
Die funktionelle Metamorphose des Schlosses Diedersdorf nach der Wiedervereinigung
Gleich nach der glücklichen Wiedervereinigung erwarb ein privater Investor das mittlerweile baufällig gewordene Schloss Diedersdorf. Noch im gleichen Jahr, 1990, ließ der neue Eigentümer den einstigen im französischen Barockstil angelegten Hof- und Gemüsegarten, jardin potager, des Herrenhauses zu einem gut besuchten Biergarten für bis zu 2.000 Gäste umgestalten. Jener ländliche Garten erhielt bereits zwei Jahre später einen konventionellen Bier- und Grillpavillon. Zudem wurde der hübsche Schlosspavillon aufgebaut.
Bald darauf konnten im inzwischen fertig renovierten Kuhstall erste Veranstaltungen stattfinden. Im Sommer des Jahres 1993 öffnete mit einem rauschenden Fest die mit einer großen Terrasse versehene Gastwirtschaft Pferdestall und im darauf folgenden Herbst taten sich die Pforten des soliden Restaurants Schmiede ebenfalls glanzvoll auf.
Für Kinder und deren jung gebliebene Eltern wurde ein gern frequentierter Streichelzoo mit kleinen Tieren auf dem ehemaligen Schlosshofareal eingerichtet. Darüber hinaus wurde den jüngsten Schlossbesuchern das Schöller-Spielschloss in einer umgebauten Remise als sogenannter Indoorspielplatz zum Toben und Krabbeln sowie zum Klettern und Rutschen übergeben. Ebenfalls in den späten 1990er Jahren wurde am gleichen Platz der am Beginn des 20. Jahrhunderts ausgebrannten Schlossscheune eine neue Markthalle erbaut. Daran grenzt eine mit vier Geschäften ausgestattete Ladenstraße, die kauffreudige Kunden zum Bummeln gehen und zum Geld ausgeben einlädt. Noch im letzten Jahr des vergangenen Millenniums konnte nach einer langen Zeit mühevoller Instandsetzungsarbeiten die mit strengen Auflagen versehene Restaurierung des denkmalgeschützen Herrenhauses vollendet werden.
Zukünftig stehen den angereisten Gästen neben dem gediegenen Schloss-Salon für diverse Matineen und Vernissagen nun auch acht gehobene Zimmer mit Bad en suite im Vier Sterne superior Standard nach der maßgeblichen DEHOGA Hotelqualifizierung zur Disposition. Damit verfügt der sogenannte Landgasthof I über insgesamt 17 komfortable Zimmer. Im Jahr 2008 konnte schließlich der neue Landgasthof II mit 18 weiteren Suiten und Zimmern seine ersten Feriengäste begrüßen. Weil hungrige Urlauber und Reisende auch verköstigt werden wollen, wurde eine erlesene Königliche Schlossbäckerei zur leiblichen Bewirtung eingerichtet. Für die trockenen Kehlen der Besucher erfreut sich die Verkostung unterschiedlicher Obst- und Gemüsegeister in der markanten Schlossbrennerei einer stetig wachsenden Beliebtheit.
Seit dem zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts kann das ehemalige Herrenhaus Diedersdorf auch für informative Seminare und Symposien gebucht und genutzt werden. Dafür stehen den externen Initiatoren die mit modernstem Equipment ausgestattete Jägerstube und die Brandenburg-Stube zur Verfügung. Mit dem altfränkischen Hexenhaus entstand nicht nur ein dritter Tagungsort, sondern auch ein bequemer Platz für ein anschließendes gemütliches Beisammensein.
Am stillen, mit weißen Seerosen bewachsenen Schlossteich wurde ein entzückender Seepavillon errichtet. Last, but not least erhielt der geräumige Innenhof des bemerkenswerten Herrenhauses durch die geschickte Verwendung von rustikalen Feldsteinen eine neue und gleichwohl alte Pflasterung, wodurch der landwirtschaftliche Charakter des früheren Bandemer’schen Domizils vorteilhaft betont wird.
Hinweis
Schloss Diedersdorf ∙ Kirchplatz 5-6 ∙ 14979 Großbeeren OT Diedersdorf
Kontakt: 0 33 79 – 35 35 0
Lesenswert
Preuß, Hiltrud und Carsten Preuß: Die Guts- und Herrenhäuser im Landkreis Teltow-Fläming, Berlin 2011