Jeder kennt das Schloss Bellevue aus den Nachrichten, der Tagesschau – fährt man allerdings plötzlich mit dem Bus 100 vorbei, staunt man: denn es ist schöner als im Film.
Neulich habe ich an den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier geschrieben. Ich wollte ihm jemanden für das Bundesverdienstkreuz vorschlagen. So geht das nämlich: Jeder und jede kann jemanden vorschlagen, den er oder sie für würdig hält, da sie besondere Leistungen für die Allgemeinheit vollbracht hat. Also genau genommen: anregen kann jeder, vorschlagen werden die jeweiligen Ministerpräsidenten der jeweiligen Bundesländer. Also schrieb ich an das Bundespräsidialamt, Ordenskanzlei, 10110 Berlin. Und das ist hier nebenan im Schloss Bellevue. Ich schlug meine Cousine vor, eine Ärztin, die seit über zehn Jahren einmal pro Jahr für vier Wochen in Nepal arbeitet. Unentgeltlich, in ihrem Urlaub, auf eigene Kosten – nur Teile des Fluges wurden von einer Hilfsorganisation übernommen. Sie ist Anästhesistin und leistet dort im Team im Krankenhaus eine überlebensnotwendige Arbeit. Auch von Unruhen und kriegerischen Auseinandersetzungen unter lebensgefährlichen Umständen ließ sie sich nicht abschrecken. Auch nicht von der mangelnden Hygiene. Mitunter läuft eine Ratte durch den OP – denn Ratten sind heilig. Zudem betreute sie über Jahre eine afghanische Flüchtlingsfamilie mit vier jugendlichen Kindern in Kiel – besorgte ihnen Ausbildungsplätze, ging mit zu Ärzten, Ämtern und in die Schulen, kümmerte sich um die Töchter, dass sie zum Beispiel ein Fahrrad reparieren können – und nahm sie mit zum Reiten und Schwimmen. Die Familie, es sind Hazara, eine Volksgruppe, die in Afghanistan verfolgt und ermordet wird – hat jetzt einen Aufenthaltsstatus und kann in Deutschland bleiben. Alles dank meiner Cousine! Sie erhielt nach etwas über einem Jahr der Prüfung – auch über das Auswärtige Amt – das Bundesverdienstkreuz durch Ministerpräsident Daniel Günther.
Ich finde, so etwas gehört auch zur Demokratie im Schloss Bellevue.
Es gibt allerdings auch die Geschichte, dass ein Paketbote einen Päckchen an den Bundespräsidenten nicht zustellte und an den Absender zurück schickte, weil Frank-Walter Steinmeier nicht am Briefkasten stand. Auch das ist Berlin.
Begründung: „Der Empfänger war nicht zu ermitteln: Name nicht auf Klingel/Briefkasten.“
Das Päckchen war adressiert an: Bundespräsidialamt, Herrn Frank-Walter Steinmeier, Spreeweg 1, 10557 Berlin.
Doch nun zurück zum Schloss Bellevue – es wurde 1785 im klassizistischen Baustil als Dreiflügelanlage für Prinz August Ferdinand, dem Bruder Friedrichs des Großen erbaut, 1954 bis 1959 nach schweren Kriegsschäden im Zweiten Weltkrieg wieder her gestellt. Es ist seit 1994 Amtssitz des Bundespräsidenten. Nicht weit entfernt vom Bundeskanzleramt und Bundestag liegt es am Rande des Tiergartens, Berlins größtem Innenstadtpark. Schon der erste Bundespräsident Theodor Heuss hat als Zeichen für das große politische Ziel des wiedervereinigten Landes hier an der Spree einen Sitz bezogen. Sein offizieller Sitz war allerdings damals Bonn, es durfte auf Grund der deutschen Teilung nicht Berlin sein.
Heute ist es so: Ist die Standarte, die Fahne, oben, hält sich der Bundespräsident in Bellevue auf. Ist er auf einem anderen Amtssitz oder auf Reisen, wird die Fahne eingeholt.
Es ist immer schön, zu jeder Tages- und Nachtzeit am Schloss Bellevue mit dem Bus vorbeizufahren. Das große Haus sieht würdig und elegant aus. Es wird abends und nachts hell beleuchtet und strahlt immer anders und neu. Bei schönem Wetter kann man es sich auf dem Rasen davor bequem machen, fotografieren und vielleicht erlangt man einen Blick auf die Königin Elisabeth von England, die gerade zu Besuch kommt. Einmal im Jahr wird das Bürgerfest des Bundespräsidenten ausgerichtet – das heißt, jeder und jede kann dann die Räume im Schloss und den Garten besichtigen, sich hier aufhalten und Spezialitäten aus den Bundesländern probieren.
Im Dezember der Pandemie wurde Schloss Bellevue für einige Tage speziell illuminiert: Wünsche und Hoffnungen der Menschen leuchteten auf die Fassade des hohen Hauses projiziert auf. Künstlerische Lichtprojektionen zeigten Botschaften und Gedanken der Menschen in ganz Deutschland. Bei diesem Projekt mit dem Titel „Lichtblicke“ konnte sich jeder beteiligen und seine Ideen einschicken. Auch das ist Demokratie. Schloss Bellevue war in diesen Tagen ein Anziehungspunkt für viele Besucher. Draußen, an der frischen Luft konnte man sich – mit Abständen – versammeln.