In diesen Tagen können wir den 175. Jahrestag der Berliner Märzrevolution von 1848 feiern.
Berlin hat sich dafür etwas ausgedacht, diesen halb-vergessenen Tag zu verlebendigen, zu bebildern und zu veranschaulichen. Was war da überhaupt mit dieser Märzrevolution, der Revolution von 1848?
In Frankreich findet man in jedem Dorf Denkmäler für die Revolution von 1789. Die Losung der Französischen Revolution Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit ist heute Wahlspruch der Republik Frankreich. Man ist stolz auf seine Revolution. In Deutschland ist das ganz anders. Es gibt gerade mal fünf Gedenkorte an die Märzrevolution von 1848/49.
Im Hambacher Schloss bei Neustadt an der Weinstraße in Rheinland-Pfalz wird an die erste Großdemonstration 1832 erinnert. Im Rastatter Schloss gibt es eine Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen der deutschen Geschichte. Hier begann am 11. Mai 1849 die heiße Phase der demokratisch-badischen Revolution. Außerdem gibt es seit 2020 im Schloss Bellevue in Berlin, dem Amtssitz des Bundespräsidenten, einen Robert-Blum-Saal zum Gedenken an den populären Abgeordneten, der 1848 in Wien vom kaiserlichen Militär erschossen wurde. Erschossen wie Robert Blum wurde seinerzeit zu einem geflügelten Wort. Natürlich ist da auch noch die Paulskirche in Frankfurt am Main, der zentrale Ort der deutschen Demokratie. Hier tagte 1948/49 die erste deutsche Nationalversammlung. Die Paulskirche wird gerade renoviert und zwar weder schwung- noch gehaltvoll. Dürftige Konzepte sind ein Spiegel dürftigen Erinnerns.
Eine Reise nach Rastatt, Mainz, Frankfurt am Main und Berlin
Warum ist das so? Kann man das ändern? Schwer. Dennoch sind alle diese Orte eine Reise wert. Mieten Sie sich einen Bus und machen Sie eine Rundreise von Hambach nach Rastatt, Frankfurt und Berlin. Vielleicht sehen Sie dann unser Land mit anderen Augen? In Mainz könnten Sie auch Station machen. Hier wurde am 18. März 1793 die erste deutsche Republik ausgerufen. Dies währte zwar nicht lange, aber gut fünfzig Jahre später wurden Forderungen nach Presse und Versammlungsfreiheit, für unabhängige Justiz, für eine Verfassung und ein nationales Parlament erhoben. Überall gab es Menschen, die ihre Lage nicht länger als gottgegeben hinnehmen wollten, die mit Leidenschaft für neue Ideen stritten. So sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kürzlich in einer Rede zum Märzrevolutionsjubiläum. Diese Selbstermächtigung der Bürger macht, so Steinmeier, die Märzrevolution zu einem der wichtigsten Ereignisse der Demokratiegeschichte. Aus der Märzrevolution folgten 1918 die Novemberrevolution und die Weimarer Verfassung.
Ein bisschen ist es so wie Lenin es einmal sagte: Wenn deutsche Revolutionäre einen Bahnsteig besetzen, lösen sie vorher eine Bahnsteigkarte.
Dieser Tage wurde in Berlin der Versuch unternommen, sinnenfreudig an die Märzrevolution zu erinnern.
Pop-Art trifft Geschichte
Vom 10. bis 20. März wiesen zehn Berliner Revolutionäre den Weg zwischen Friedrichstraße und Humboldt Forum. Gestaltet und gemalt von dem international bekannten Pop-Art Künstler Jim Avignon zeigen die Figuren Persönlichkeiten von A bis Z, wie Louise Aston und wie Ernst Zinna und wie ganz verschiedene Richtungen der März Revolution 1848. Sie erzählen vom Kampf auf den Barrikaden, vom Einsatz für Demokratie, von Wagnissen und Visionen. Die bunten Figuren, wie aus einem Comic gezeichnet und in stabiler Pappe massiv auf die Straße gestellt, verschönten und verlebendigten das Stadtbild eindeutig. Der Name Jim Avignon ist im Übrigen ein Künstlername. Da der Mann in Avignon erstmals mit Malen, mit Pflastermalereien Geld verdiente, nannte er sich nach der südfranzösischen Stadt. Sein Auto war kaputtgegangen. Um die Reparatur bezahlen zu können, malte er Dali Figuren auf das Pflaster.
In Berlin hat jede Figur hatte auch einen digitalen Effekt. Hielt man seine Smartphonekamera genau in ihre Richtung, machte es plopp und ein kurzer Animationsfilm erzählte jeweils die Lebensgeschichte der Figur, des Menschen, des Bürgers, der Bürgerin.
Die Ausstellung im öffentlichen Raum war „leider“ zeitlich begrenzt, was verständlich ist, denn bei zu langer Dauer wären die hübschen Figuren sehr den Umwelteinflüssen ausgesetzt und würden dem Wetter und dem Trubel der Großstadt wahrscheinlich auf Dauer nicht standhalten. Aber so entspricht eben die kurze Lebensdauer der quirligen, poppigen Figuren auch der aufflammenden und wieder verschwindenden Märzrevolution.
Die Figuren werden im Anschluss an die Ausstellung an öffentliche Einrichtungen vergeben.
Mögen die einprägsamen Menschen mit ihrem Willen und Wunsch zur Veränderung noch lange als Bilder in unserem Gedächtnis bleiben.
Ernst Zinna und die Patenbrigade in der DDR, in Berlin-Grünau
Und ja, wer in der DDR aufgewachsen ist, dem sagt möglicherweise der Name Ernst Zinna etwas. Die Patenbrigade meiner Klasse auf der Polytechnischen Oberschule trug den Namen „Ernst Zinna“, nach dem jungen Schlosserlehrling, der mit siebzehn Jahren auf der Barrikade erschossen wurde. Patenbrigade? Das war eine vom Staat geförderte Verbindung zwischen Arbeitern in Betrieben und Kindern und Jugendlichen. Sie sollte Nähe zur Produktion in den Fabriken und Kindern und den Arbeitern schaffen, Vorbilder fördern usw. Faktisch war es so, dass wir den Betrieb unserer Patenbrigade, das Betonwerk Grünau, besichtigten, was in mir jedenfalls nicht den Wunsch weckte, Betonfacharbeiter zu werden, sondern eher sehr abschreckte. Andererseits habe ich so schon früh Fabriken von innen gesehen. Und unsere jährliche Weihnachtsfeier fand im Kulturraum des Betonwerks statt. Es gab Kakao und Kuchen, Julklapp und wir Kinder spielten kleine lustige Sketche auf der Bühne. So kam ich schon früh zum Theaterspielen.
Vertreter der Patenbrigade, meistens nur einer, der Brigadier, die anderen mussten ja arbeiten, kamen zur Zeugnisausgabe in die Schule. Und auch zum Abschlussball der 10. Klasse.