Hier kann man baden und mitten in Berlin einen unbeschwerten Sommertag verbringen.
Birgt der Name Plötzensee nicht noch eine weitere Erinnerung?
Was ist hier jenseits von Sonne, Wasser, frischer Luft und Badespaß noch zu finden?
Berlin macht gerade Ferien. Die Stadt ist stiller und leerer als sonst. Sogar der Kiosk bei mir an der Ecke hat geschlossen, der Besitzer ist am Meer in der Türkei. Was ihm wirklich zu gönnen ist. Ist er doch das ganze Jahr für die Nachbarschaft da. Selbst im sonst sehr fleißigen Architekturbüro gegenüber meiner Wohnung sitzt nur ein einziger Mensch, der anscheinend etwas nacharbeiten muss. Die Musikschule, ebenfalls gegenüber, hat natürlich auch Sommerferien.
Sommerfreuden für Jung und Alt
Was liegt näher, als an einen See zu gehen. Der Plötzensee und sein Strandbad sind gerade mal 3 Kilometer entfernt. Mit dem Fahrrad sind das fünfzehn Minuten. Ich war schon öfters da. Es ist schön dort. Ich bin im Berliner Wald- und Seengebiet aufgewachsen und im See schwimmen gehört für mich zu Sommer. Hier empfiehlt es sich, ins Strandbad zu gehen, Wildbaden ist seit 2021 verboten, denn die Flora und Fauna soll geschützt und erhalten werden. Das Strandbad Plötzensee wurde 1928 erbaut und bot damals den Arbeiterfamilien aus dem Wedding Naherholung. Das architektonisch interessante und hübsche Torgebäude sowie die umgebenden Badehäuser stehen heute unter Denkmalschutz. Die Pächter halten die Anlage in Schuss und bieten dem erholungssuchenden Städter alles, was sie in einem Strandbad suchen: Pizza, Pommes, Eis und kühle Drinks. Mancher Berliner verbringt seinen gesamten Sommerurlaub hier.
Der 7,8 Hektar große und an einigen Stellen bis zu 7 Meter tiefe Plötzensee ist ein beliebter Treffpunkt besonders auch der jungen Leute. Mitten im Berliner Bezirk Wedding gelegen, bietet er bei kurzer Anfahrt aus Berlin-Mitte großen Erholungswert und Sommerfreude. Selbst Karpfen sind hier mitunter zu fangen – natürlich nur mit Angelschein – und Hechte, Welse, Zander und Plötzen.
Es gibt da aber noch eine andere Bedeutung des Wortes Plötzensee. Diese ist mit Angst und Schrecken, Not und Schmerz verbunden. Als ich selbst vor Jahren noch nicht wusste, dass man im Plötzensee auch baden kann, erschien es mir wie ein Sakrileg, als meine Kinder mal erzählten Wir waren den ganzen Samstag im Freibad Plötzensee. Es war herrlich da. Ich wollte ihnen nicht den Spaß verderben, sagte aber: Ihr wisst schon, dass dort der Hinrichtungsort der Nazis war?
Ein Ort des Schreckens und der Unmenschlichkeit
Im Gefängnis Plötzensee wurden zwischen 1933 und 1945 weit über 2800 Todesurteile vollstreckt. Was heißt überhaupt vollstreckt? Hier wurden Menschen ermordet, die für ein besseres Deutschland als das der Hitler-Diktatur waren. Heute wird hier aller Opfer des NS-Regimes gedacht.
Kürzlich war ich zur Gedenkveranstaltung der Bundesregierung anlässlich des 78. Jahrestages des 20. Juli 1944 eingeladen. Diese fand in der Gedenkstätte Plötzensee statt. Bei dieser sehr würdigen Gedenkstunde sprachen der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck und Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey bzw. deren Vertreter, da sie beide gerade Corona hatten, und die belarussische Bürgerrechtlerin Swetlana Tichanowskaja. Sie war anwesend und holte mit ihrer Rede den Einsatz für Freiheit und Menschenrechte in die heutige Zeit.
Die Gedenkstätte Plötzensee ist ein Ort des Grauens und der Erinnerung. Hier wurden die Beteiligten am Aufstand des 20.Juli 1944 nach dem Urteil des Reichskriegsgerichts ermordet. Ebenso die Mitglieder der Widerstandsorganisation Rote Kapelle und zahlreiche andere Menschen.
Ihre Angehörigen mussten für jeden Hafttag in Plötzensee 1,50 Reichsmark und für die Vollstreckung des Urteils 300 Reichsmark bezahlen. Für die Übersendung dieser Kostenrechnung wurden den Hinterbliebenen 12 Pfennige in Rechnung gestellt. So funktionierte Deutschland zu dieser Zeit. Nein, es funktionierte eben nicht, denn 1945 fiel das Deutsche Reich im Schutt und Asche. So war der scheinbar vergebliche Widerstand der Mutigen und Aufrechten nicht vergebens. Wir können heute froh sein, dass es aufrechte Menschen gab und es ist richtig, sich daran zu erinnern.
Die Anreise mit dem Bus ist gut möglich. Die Gedenkstätte ist seit diesem Jahr barrierefrei erreichbar.
Das Gefängnis in Plötzensee war nach 1939 ein Ort des Todes für Menschen aus allen Teilen des deutsch besetzten Europas. Die Gedenkstätte Plötzensee ist heute ein europäischer Ort der Erinnerung.
Und ja: Man darf auf der anderen Seite des Sees heute auch baden, schwimmen, in der Sonne liegen und Spaß haben.