Nach unserem Besuch des Eigenklosters der Askanier, Lehnin und dessen drei Tochterklöstern – Paradies, Mariensee-Chorin und Himmelpfort – wollen wir die einzige Filiation von Paradies, die in der heutigen Woiwodschaft Wielkopolska gelegene Zisterze Przemęt anschauen.
Unser Autor berichtet von der Gründung des alleinigen Lehniner Enkelklosters und von der barocken Architektur seiner Abteikirche Johannes der Täufer.
Das in der populärwissenschaftlichen Literatur auch unter dem Namen Mariensee, Lacus Sanctæ Mariæ, bekannte Kloster Przemęt/Priment ist eine ehemalige Zisterzienserabtei in deren gleichnamiger Gemeinde, die im Kreis Wollstein/Powiat Wolsztyński in der westpolnischen Woiwodschaft Großpolen liegt.
Geschichte die Abtei Przemęt / Mariensee – Woiwode Zaremba organisiert einen Gründungskonvent aus der Mutterabtei Paradyż / Paradies
Wenngleich am Anfang des 13. Jahrhunderts der legendäre Herzog Władysław Odonic aus der geheimnisumwitterten Herrscherdynastie der großpolnischen Piasten vergebliche Anstrengungen unternahm, in dem einstigen Burgbezirk Przemęt ein Zisterzienserkloster zu fundieren, kam es zur endgültigen Stiftung erst gegen Ende desselben Jahrhunderts. Es war dem Erfolg des Posener Woiwoden Zaremba zu verdanken, dem es gelang, aus der im Raum Meseritz befindlichen Mutterabtei Paradyż einen Gründungskonvent unter der Leitung eines deutschen Abts in die in der westpolnischen Woiwodschaft Wielkopolska befindlichen Region Przemęt zu holen. Zunächst siedelten sich die Weißen oder auch Grauen Mönche 1278 im heutigen 12 Kilometer von Przemęt entfernt gelegenen Dorf Kaszczor/Altkloster an. Wobei uns unbekannt bleibt, an welcher Stelle sich der eigentliche Sitz der Zisterzienser befunden hat. Woiwode Zaremba war der erste, der die neue Zisterze Mariensee mit fruchtbarem Ackerland ausstattete. Die anschließende Bestätigung jener großzügigen Landschenkungen nahmen die großpolnischen Herzöge Bolesław VI., der Fromme – der Sohn von Władysław Odonic – und dessen Neffe Przemysł II. vor. Zu den weiteren Donationen zählten Wälder und Seen, mitsamt dem dazugehörigen Recht des Fischfangs, sowie Wassermühlen und Bienenstöcke. Außerdem wurden die in den Klosterdörfern lebenden deutschen Siedler nicht nur von der herzoglichen Gerichtsbarkeit, von Zehnten und Frondiensten, sondern auch von dem verpflichtenden Ausbau des Burgbezirks und an der Teilnahme bei Heereszügen freigestellt. Darüber hinaus räumten die großpolnischen Herzöge jenen die Privilegien ein, das Land zu kolonisieren und deren Liegenschaften nach deutschem Recht zu verwalten. Wir können uns gut vorstellen, dass dem benachbarten Adel die herzogliche Gunst in Bezug auf die Weißen Mönche nicht kommod war, sodass es zu provozierenden Übergriffen auf deren klösterliche Besitztümer kam. Die waffenlosen Zisterziensermönche und Siedler hatten nur die Chance, sich durch die wohlwollende Protektion des herzoglichen Souveräns vor den bösartigen Attacken des heimischen Landadels zu schützen.
Da die großpolnischen Herzöge an der Sicherung des umstrittenen Territoriums ebenso interessiert waren wie an einem einvernehmlichen Gedeihen des Klosterbesitzes, schenkten sie der Zisterze Mariensee einige in ihrem persönlichen Besitz befindliche Weiler, um die erlittenen Schäden zu kompensieren.
Umzug des Konvents nach Wieleń am Fluss Netze / Noteć –
König Władysław II. Jagiełło gestattet den Zisterziensern, ihre Abtei nach Przemęt zu verlegen
Der Umzug des Konvents in das am Fluss Netze/Noteć gelegene Wieleń, zu deutsch Fehlen, fand vermutlich im ersten Jahr des neuen, des 14. Jahrhunderts statt. Einhundert Jahre später hatte der polnische König Władysław II. Jagiełło den Weißen Mönchen erlaubt, nicht nur das verpfändete Przemęt zu kaufen, sondern auch ihre Niederlassung von Wieleń dorthin zu verlegen.
Weil der Bau des neuen Klosterkomplexes über neun Jahre andauerte, konnten die Zisterzienser erst 1418 in ihre nunmehrige Abtei Przemęt einziehen. Einmal mehr übte die Schutzherrschaft, das Patrozinium des Klosters, die heilige Jungfrau Maria aus. Damit gehörte Przemęt – als einziges Tochterkloster der neumärkischen Abtei Paradies – zu der Klosterfamilie der Mutterabtei Lehnin. Das in der märkischen Zauche befindliche Lehnin wiederum stammt über die Zisterzienerklöster Sittichenbach, Walkenried und das am schönen Niederrhein gelegene Kamp in direkter Linie von der Filiation der Primarabtei Morimond, der Abbatia Morimundus, in Burgund ab.
Finanzielle Schwierigkeiten stellen sich ein – Reformen in den polnischen Zisterzienserklöstern
Die Verlegung der Abtei von Wieleń in das unweit entfernt gelegene Przemęt und deren dortiger Neuaufbau führten zu finanziellen Engpässen, sodass die Weißen Mönche alle Hände voll zu tun hatten, die wirtschaftlichen Verhältnisse ihres Konvents zu stabilisieren. Einhergehend mit der allgemeinen Stagnation war auch das mentale Niveau des geistigen Ordenslebens gesunken. In dieser prekären Situation konnte der erste polnische Abt, der der Primenter Zisterze in der Mitte des 16. Jahrhunderts vorstand, gleichermaßen keine schnelle Abhilfe leisten. Erst die 1580 eingeführten und in sämtlichen polnischen Zisterzienserklöstern durchgeführten Reformen führten auch in Przemęt zu einer erheblichen Verbesserung der wirtschaftlichen Lage. Die allmähliche Gesundung der Finanzen erlaubte es den Weißen Mönchen, ein gemauertes Kloster zu errichten und mit dem Bau einer neuen Klosterkirche zu beginnen. Weil die Errichtung des sakralen Bauwerks aufgrund eines verheerenden Schwedeneinfalls unterbrochen werden musste, konnte er frühestens in den achtziger Jahren des 17. Jahrhunderts fortgeführt werden. Erst 1696 wurde die barockisierte Klosterkirche dem Heiligen Johannes dem Täufer, Święty Jan Baptysta, geweiht.
Zisterzienser von Przemęt engagieren sich in der Seelsorge und dienen in fünf Pfarrkirchen
Das 18. Jahrhundert wurde zu einer Epoche der günstigen Entwicklung des Monasteriums. Aufgrund der ansehnlichen Überschüsse in der klösterlichen Eigenwirtschaft war es den Weißen Mönchen möglich geworden, größere Gewinne zu erwirtschaften, die sie wiederum in für die Abtei vorteilhaften finanziellen Operationen einsetzten. Überdies wirkte sich die bessere pekuniäre Lage auch in spiritueller Hinsicht günstig auf die Zisterzienser aus. Infolgedessen engagierten sie sich in der nachbarlichen Seelsorge und dienten in fünf Pfarrkirchen. Im Jahr 1742 fielen die Konventsgebäude einem schrecklichen Flammeninferno zum Opfer. Glücklicherweise konnte zügig mit der baulichen Behebung der entstandenen Schäden begonnen werden.
Kloster Przemęt nach der zweiten polnischen Teilung – Teile der Klosterbibliothek gelangen nach Berlin
Nach der zweiten Teilung Polens im Januar 1793 beschleunigte sich der Niedergang der Abtei Przemęt rapide. Dies führte unter anderem dazu, dass 42 Jahre später, 1835, die formelle Schliessung des Klosterkonvents erfolgte. Dementsprechend wurden die mittelalterlichen Klostergebäude abgerissen. Bedauerlicherweise sind von den ehemaligen Gebäuden nur noch einige spätgotische Fragmente des einstöckigen Südflügels und des Kreuzgangs erhalten geblieben. Ebenso wurde die kostbare Klosterbibliothek in alle Winde zerstreut, wobei die wertvolleren Bücher und Handschriften nach Berlin abtransportiert wurden und der Rest in private Hände gelangte. Nach der Auflösung des Zisterzienserkonvents diente deren doppeltürmige Klosterkirche Sankt Johannes der Täufer der ländlichen Gemeinde Przemęt als katholische Pfarrkirche. Dieses würdevolle Gotteshaus konnte am Ende des 19. Jahrhunderts nicht nur dank privater Spenden erneuert werden.
Die einstige Klosterkirche Sankt Johannes der Täufer, Święty Jan Baptysta
Wie wir bereits gelesen haben, wurde die Johannes dem Täufer geweihte Abteikirche im späten 17. Jahrhundert erbaut. Ihre reiche Innenausstattung ist den Epochen des Barocks, des Spätbarocks, des Rokokos sowie des Klassizismus zuzurechnen. Unter dem vielfältigen Interieur des imposanten Gotteshauses sind die aus schwarzer Eiche mit kostbaren Schnitzereien versehenen Kunstwerke hervorzuheben. Dazu gehören der geschnitzte Thron des Abts sowie die mit figuralen und floralen Schnitzwerk verzierten Beichtstühle und Bänke.
Zu dem bewundernswerten Dekor der Primenter Zisterzienserkirche zählen ferner der prächtige Rokoko-Hochaltar, die mit metaphorischen Malereien geschmückten Seitenaltäre, die Kanzel, das Taufbecken, Ölbilder, zahlreiche Statuen und der die gesamte Breite des Chors einnehmende Orgelprospekt. Eine opulente Sammlung angefertigter Paramente – liturgischer Gewänder, etc. – sind ebenfalls in der ehemaligen Klosterkirche Sankt Johannes des Täufers zu sehen.
Hinweis
Klasztor Przemęt / Mariensee · 64-234 Przemęt / Priment · Powiat Wolsztyński / Kreis Wollstein · Województwo Wielkopolskie / Großpolen
Lesenswert
Dehio, Georg: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Nordostdeutschland, 1922, Band 2