Unser Reisebus fährt uns in das südlich von Berlin gelegene Großbeeren.
Im Ort wollen wir den 1913 errichteten Gedenkturm für die napoleonischen Befreiungskriege von anno 1813 ansehen.
Derweil berichtet unser Autor über die historischen Ereignisse, die zur Schlacht bei Großbeeren und der Befreiung Berlins durch den preußischen General von Bülow führten.
Zu Beginn der Befreiungskriege kam es am Vorabend der legendären Völkerschlacht bei Leipzig im Herbst des Schicksalsjahrs 1813 einem Wetterleuchten gleich am 23. August zur Schlacht bei Großbeeren. In dessen Folge gelang es den mit dem Königreich Preußen verbundenen alliierten Truppen nicht nur die französische Grande Armée daran zu hindern, die brandenburgische Residenzstadt Berlin erneut zu besetzen, sondern auch die 7-jährige napoleonische Fremdherrschaft endgültig abzuschütteln. Kein geringerer als unser märkischer Chronist Theodor Fontane schilderte in seinen vielbeachteten Wanderungen durch die Mark Brandenburg den exakten Ablauf jener Bataille, die unser Buskompass-Autor historisch einordnen wird.
Von der Moskauer Winterkatastrophe Napoleons 1812 zur Schlacht bei Großbeeren 1813
Nach der erfolgten Moskauer Winterkatastrophe des illusorischen Russlandfeldzugs Napoleons im Jahr 1812 – die in Frankreich La campagne de Russie genannt wird –, sah sich der preußische König Friedrich Wilhelm III. ermutigt, dem rückweichenden Kaiser der Franzosen den Krieg zu erklären. Damit sollte die seit dem Jahr 1806 durch die französische Grande Armée andauernde Okkupation seines Königreichs endlich rückgängig gemacht werden. Aufgrund seines leidenschaftlich verkündeten Appells An mein Volk kam es zu einer nationalen Volkserhebung und zur spontanen Bildung von autonom operierenden Detachements, wie das Lützow’sche Freikorps beziehungsweise die Schwarzen Jäger, die für die Befreiung ihrer Heimat von der französischen Fremdherrschaft kämpften.Im Gegenzug ließ der geschwächte Napoleon seine 70.000 Mann starke Armee, die Armée de Berlin, unter Marschall Quidinot zur Eroberung der preußischen Metropole in Marsch setzen. Unweit des in der Niederlausitz gelegenen Landstädtchens Luckau, in dem der Kaiser bei dem vermögenden Kaufmann Vogt sein Hauptquartier bezogen hatte, überschritten die mit Frankreich verbündeten Sachsen die an der Schwarzen Elster verlaufende preußische Grenze. Am 21. August 1813 erreichten sie das circa 22 Kilometer südlich von Berlin befindliche märkische Großbeeren. In Charlottenburg hatten bereits die Schweden, in Spandau die Russen und im Süden Berlins die Preußen der alliierten Nordarmee ihre verschanzten Stellungen bezogen.
General Friedrich Wilhelm Freiherr von Bülow, der Held der Schlacht bei Großbeeren
Da sich der preußische General Friedrich Wilhelm Freiherr von Bülow gegen den ausdrücklichen Willen seines schwedischen Oberkommandierenden, des Kronprinzen Bernadotte, geweigert hatte, nach Tempelhof zurückzuziehen, war es am 23. August zur entscheidenden Schlacht bei Großbeeren gekommen.
In der Nacht beschloss der tapfere General von Bülow persönlich mit seinen gut ausgebildeten Männern des 3. preußischen Corps das vom französischen Feind besetzte märkische Dorf bei strömendem Sommerregen anzugreifen. Allerdings ließ das inzwischen nass gewordene Pulver der Füsiliere nur noch einen entschlossenen Kampf Mann gegen Mann mit dem Bajonett und Kolben zu. Im Verlauf der verlustreichen Bataille mussten über 3000 Preußen, Sachsen und Franzosen ihr junges Leben lassen. Dennoch hatte der allzeit glückliche Bülow, wie der preußische General im kessen Volksmund zukünftig genannt wurde, die drohende napoleonische Okkupation Berlins abgewendet. Nachdem sich die geschlagenen kaiserlichen Heeresverbände in das sächsische Leipzig zurückgezogen hatten, waren sie dort vom 16. bis zum 19. Oktober 1813 in der sicherlich zu den bedeutendsten kriegerischen Auseinandersetzungen der Weltgeschichte zählenden Völkerschlacht von den alliierten Truppen besiegt worden.
Der Besuch des Volksfests zur Schlacht bei Großbeeren wird gesellschaftliche Pflicht!
Noch viele Jahrzehnte nach diesem denkwürdigen Geschehen pilgerten die Berliner Bürger in die alte brandenburgische Vorstadtgemeinde. Indessen wurde zu Groß-Beeren alljährlich an diesem Tage der Befreiung ein feierlicher Gottesdienst zelebriert. Schnell entwickelte sich der 23. August zu einem sämtiche Bevölkerungsschichten vereinenden Volksfest, bei dem geschäftstüchtige Berliner extra unzählige Weinstuben und Bierstände in dem wohl berühmtesten Vorort der preußischen Hauptstadt eröffneten.
Ebenso festlich wurden das vierzig- und das fünfzigjährige Jubiläum der siegreichen Schlacht mit lauten Blasmusiken und einem großen, die Sommernacht erhellenden Feuerwerk begangen. Dafür mussten die Berliner Schulen ihre aufgeregten Pennäler dorthin schicken, die Handwerksbetriebe hatten ihre Lehrjungen zu entsenden und auch der in der Spreeresidenz ansässige Adel bekam die königliche Order, an jener geschichtsträchtigen Geselligkeit teilzunehmen. Wir können uns lebhaft vorstellen, dass das immense Volksfest in Großbeeren damals längst eine politische Reichweite über Preußens Grenzen hinaus erlangt hatte.
Der monumentale Gedenkturm von 1913 für die Napoleonischen Befreiungskriege
Zur unvergesslichen Erinnerung an die fulminante Schlacht bei Großbeeren ließen die einflussreichen Honoratioren der märkischen Gemeinde und des gesamten Teltower Kreises unter Zuhilfenahme von Spendengeldern hundert Jahre nach dem bravourösen Sieg des preußischen Militärs einen weithin sichtbaren sowie aus Stahlbeton konstruierten Gedenkturm in nur halbjähriger Bauzeit errichten.
Über dem hohen Eingangsportal des kolossalen, stilistisch dem Jugendstil zuzurechnenden Turms steht in goldenen Lettern geschrieben: Hier wurde am 23.8.1813 die französische Armee von den preußischen Truppen unter General von Bülow geschlagen. Der Sieg bewahrte Berlin vor drohender französischer Besatzung. Im Inneren des eindrucksvollen Monuments informiert uns im kürzlich modernisierten Untergeschoss eine kleine Museumsstube über den dramatischen Verlauf der nächtlichen Bataille.
Von dem im Souterrain befindlichen Museum führen 137 Stufen einer eisernen Wendeltreppe zu der luftigen Aussichtsplattform des Gedenkturms hinauf, von der aus sich den Besuchern ein fantastischer Ausblick bietet. Vor deren Augen ist bei klarem Wetter die rund zwanzig Kilometer entfernt gelegene Stadtsilhouette von Berlin sichtbar, deren augenfälligster Punkt das am Horizont liegende Heizkraftwerk Lichterfelde bildet.
Vom 32 Meter hohen Gedenkturm hinab können wir die zwischen dichten Baumwipfeln versteckte und von Karl Friedrich Schinkel entworfene Großbeerener Dorfkirche entdecken, die im Jahr 1820 aus der Taufe gehoben worden war. Die lokalhistorisch eminente Schinkelkirche hatte die preußische Regierung den mutigen Bürgern von Großbeeren zur Gratifikation für die gewonnene Schlacht übereignet. Auf ihrem hübschen Kirchhof erhebt sich der ebenfalls von dem genialen Baumeister Schinkel entworfene gusseiserne Obelisk, der gleichermaßen an die sieggekrönte Bataille der Befreiungskriege erinnert. In einem nachfolgenden Artikel werden jene weiteren Denkmäler in Großbeeren zu den Ereignissen des Jahres 1813 näher beschrieben.
Das umstrittene Volksfest in unserer Zeit
Alljährlich treffen sich am letzten Augustwochenende nicht nur die Großbeerener Einwohner anlässlich ihres geschichtsträchtigen Siegesfests in historischen Uniformen und mit antiquierten Waffen, um das martialische Schlachtgetümmel auf dem originalen Schauplatz nachzustellen. Natürlich ist diese ambivalente Festgesellschaft ein wenig umstritten. Allerdings beteuern jene passionierten Freizeitmilitärs, dass es ihnen keinesfalls um eine unreflektierte Glorifizierung des Krieges geht, sondern dass sie bestrebt sind, die überlieferten Ereignisse lebendig zu erhalten und den Gefallenen beider Seiten zu gedenken. Dessen ungeachtet verwundert es mitnichten, dass es auch mahnende Wortmeldungen und besorgte Stimmen gibt, die sich mit dem ganzen Militärspektakel nicht gänzlich anfreunden können. Diejenigen erfreuen sich lieber an dem gleichzeitig stattfindenden Lampionumzug der Kinder.
Hinweis
Gedenkturm Großbeeren ∙ Dorfaue, Gedenkturm ∙ 14979 Großbeeren
Öffnungszeiten von Mai bis September – jeden 2. und 4. Sonntag im Monat von 15 bis 18 Uhr
Führungen außerhalb der Öffnungszeiten sind ganzjährig – im Winter je nach Wetterlage – nach Absprache möglich. Kontakt: 0 33 7 01 / 32 88 43
Eintritt: Erwachsene 2,00 € · ermäßigt 1,00 €
Lesenswert
Fontane, Theodor: Spreeland – die Schlacht bei Großbeeren, in: Wanderungen durch die Mark Brandenburg, München 1959, Band 4
Bauer, Frank: Großbeeren 1813. Die Verteidigung der preußischen Hauptstadt. Berg am See 1996