Von den Sorben kennt man allgemein die bunt bemalten Ostereier und das Osterreiten. Wo kann man etwas über diese Volksgruppe erfahren? Wie leben sie heute? Was gibt es zudem Besonderes in Bautzen zu erfahren und heute zu besichtigen?
In den siebziger Jahren des letzten Jahrtausends musste ich mit meiner Mutter öfter von Berlin nach Bautzen fahren. Ich war damals zwölf bis an die zwanzig Jahre. Wir fuhren mit dem Zug über Dresden und dann weiter nach Bautzen. Angekommen fielen mir im Stadtbild Frauen in sorbischer Tracht auf. Ich kann mich bis heute an sie erinnern. Sie trugen lange dirndlartige Kleider, hatten Schürzen umgebunden und trugen Hauben auf dem Kopf, den Hinterkopf zierte eine große schwarze oder weiße Schleife. Solche Kleider kannte ich aus Berlin nicht. Dergleichen hatte ich noch nie gesehen. Die Frauen auf dem Marktplatz sahen interessant aus, anders und fremdartig. Im damaligen Berlin schauten die Leute mehr oder weniger alle ähnlich aus. Es gab so gut wie keine Menschen aus anderen Kulturen.
In Bautzen waren die Straßenschilder zweisprachig bedruckt. Auch auf dem Poststempel der Briefe, die wir, adressiert an meine Mutter, monatlich aus Bautzen erhielten, war die Schrift zweisprachig. Bautzen und Budysin war auf dem runden Stempel gedruckt.
Bunte Eier und kunstvolle Trachten
Heute kann man die Kultur der in der Lausitz seit tausend Jahren beheimaten slawischen Minderheit im Sorbischen Museum Bautzen kennenlernen. In der Trachtengalerie die Vielfalt der Kleider bewundern, die sich oft von Dorf zu Dorf unterschieden. Man kann erfahren, wie es den Sorben gelang, über Jahrhunderte ihre Sprache und Kultur zu bewahren.
Heute werden Trachten zu verschiedenen Anlässen getragen. Zur Vogelhochzeit am 25. Januar, einem Kinderfest, zur Erstkommunion, Firmung und zu natürlich zu Hochzeiten. Dann aber mit Stolz. Ein Brautkleid wird heute mit mindestens 150 Nadeln festgesteckt und es dauert zwei Stunden, bis die Braut angezogen ist. Ein Fest der Farben und Formen.
Ebenso die bekannten Sorbischen Ostereier. In der etwas farblosen DDR waren sie eine Rarität und gingen in Kunstgewerbe-Geschäften unter dem Ladentisch weg beziehungsweise man musste zugreifen, wenn man sie irgendwo sah. Ursprünglich war der Brauch folgendermaßen: Zu Karfreitag wurden sie für die Patenkinder in Wachsbatik-Technik gestaltet und bemalt und am Ostersonntag an sie verschenkt. Je reicher und bunter die Eier bemalt waren, desto mehr wünschte man dem Kind Gesundheit und Wohlergehen.
Die Sorbische Sprache wird weiter in einigen Grundschulen gelehrt und in Familien zu Hause gesprochen.
In der Simultankirche
Der Dom St. Petri zu Bautzen ist eine der größten und ältesten Simultankirchen Deutschlands und das höchste Bauwerk in Bautzen. Simultankirche bedeutet, dass mehrere christliche Konfessionen die Kirche in Parität gleichzeitig benutzen. 1213 bis 1221 gebaut wird das Gotteshaus nach der Reformation, ab 1543, von der evangelisch-lutherischen und der römisch-katholischen Kirche nach Vertrag von beiden Konfessionen benutzt. Das ist selten. Das im Laufe der Jahrhunderte mehrfach umgebaute gotische Bauwerk ist der älteste Kirchenstandort der Oberlausitz, zählt zu den wichtigsten Kirchenbauten in Sachsen und ist somit ein wichtiger Zeitzeuge.
Und eine Gedenkstätte
An eine andere Minderheit als die Sorben erinnert heute die Gedenkstätte Bautzen, an die Strafgefangenen. Die ehemaligen Gefängnisse Bautzen I, bekannt als Gelbes Elend und Bautzen II, das ehemalige Gefängnis der Staatssicherheit der DDR, wurden zur Bestrafung und zum Wegsperren politischer Gegner benutzt. Dies geschah während der Nazizeit, während der sowjetischen Besatzungszeit und in der DDR.
Im ehemaligen Gefängnis Bautzen II befindet sich heute die Gedenkstätte Bautzen. Besucher können Zellen, Höfe, ehemalige Besucherzimmer und eine umfangreiche Ausstellung besuchen. Die Dauerausstellung zum Nationalsozialismus, zum sowjetischen Speziallager Bautzen und zum Stasi-Gefängnis informiert am Beispiel von ausgewählten Einzelschicksalen über die historischen Hintergründe. Man kann etwas über das Leben der Menschen erfahren, die hier verschwunden sind. Manche für immer. Auch über das Gefängnispersonal und deren Lebensgeschichten wird berichtet. Bildhaft und vor Ort. Ebenso über die Arbeitsbedingungen der Häftlinge und Strafen wie Arrest und Einzelhaft.
Ich finde, auch solche Geschichten gehören zu Reisen und dem Besuch von Städten und anderen Orten.
Mein Vater, Adolf-Henning Frucht, war von 1968 bis 1977 in der Strafvollzugsanstalt Bautzen II inhaftiert. Meine Mutter durfte ihn alle viertel Jahr dreißig Minuten besuchen und monatlich einen Brief auf zwei A4 Seiten schreiben. Dieser wurde natürlich von der Stasi gegengelesen und gegebenenfalls zensiert. Wenn der heiß erwartete Brief schließlich bei uns ankam, trug er immer den besagten Stempel von Bautzen und Budysin. Wir Kinder durften unseren Vater nicht besuchen. Man ging davon aus, dass ein Besuch für Kinder zu schrecklich sei und hoffte, dass sie ihre Verwandten vergessen. Die Inhaftierten sollten mit Kindesentzug bestraft werden. Nur einmal kurz vor meinem sechzehnten Geburtstag, im August 1973, konnte ich meinen Vater eine halbe Stunde sehen und besuchen.
Doch dies ist eine andere Geschichte.