Unser Reisebus fährt das im Landkreis Teltow-Fläming südlich von Berlin gelegene Zisterzienserkloster Zinna an.
Der Buskompass-Autor berichtet von der ältesten zwischen Elbe und Oder befindlichen Marienkirche des Ordens der Zisterzienser.
Es werden die tiefe Marienverehrung der Weißen Mönche geschildert und ihre immensen Verdienste um den märkischen Landesausbau gewürdigt.
Das östlich der Elbe gelegene Land wies im hohen Mittelalter keine strukturierte Form auf, wie wir es uns heutzutage vorstellen. In jenen Gebieten hatten sich kleine und kleinste Herrschaften im langen Verlauf des 12. Jahrhunderts entwickelt, von denen einige nur kurzzeitig, andere hingegen für einen längeren Zeitraum existierten. Zu den letzteren gehörte das Territorium des reichen Magdeburger Erzstifts im Lande Jüterbog, der einstigen slawischen Siedlung Jutriboc. Es umfasste die Regionen um die heutigen Städte Jüterbog, Luckenwalde und Dahme. Der durchsetzungsstarke Erzbischof Wichmann von Magdeburg hatte den Ort Jüterbog nicht nur zum östlichsten Vorposten seines Erzstifts erhoben, sondern auch zu einem bedeutenden Zentrum des Fernhandels nach Schlesien, Polen und bis in die ferne Ukraine ausgebaut. Überdies hatte der mächtige Kirchenfürst die Stadt Jüterbog zum Sitz der Mutterkirche des Landes auserkoren.
Erzbischof Wichmann von Magdeburg stiftet das Zisterzienserkloster Zinna im Lande Jüterbog
Darüber hinaus war von dem tatkräftigen Erzbischof um das Jahr 1170/71 das Zisterzienserkloster Zinna gegründet worden. Der Name Zinna dürfte sich von einer slawischen Gewässerbezeichnung herleiten. Wahrscheinlich bezog er sich auf das 4 Kilometer von Jüterbog entfernt gelegene Dorf Czinnow, bevor er von jenem Marktflecken auch auf das Kloster übertragen wurde. Für das Gebiet, das heute Fläming genannt wird, konnte Wichmann Neusiedler aus Flandern und den niederdeutschen Landen gewinnen. Jene Siedler ließen sich in den baumkargen, aber fruchtbaren, südlich von Jüterbog gelegenen Hochebenen nieder. Nördlich der Stadt verlief indessen der Wiesenfluss Nuthe und seine zahlreichen Nebengewässer in einem weiträumigen Sumpfgebiet, dessen Kolonisation sich als problematisch herausstellte. Hier boten sich die diszipliniert agierenden Zisterzienser als unermüdliche Kolonisten bei dem beschwerlichen Landesausbau an. Die Weißen Mönche garantierten zum einen die angestrebte Urbarmachung des Gebiets und zum anderen gewährleisteten sie neben der aktiven Grenzsicherung auch die stetige Verbreitung des christlichen Glaubens unter den heidnischen Slawen, die wir einst auch Wenden nannten.
Kein geringerer als unser märkischer Chronist Theodor Fontane schilderte das aufopferungsvolle Wirken der Zisterzienser in seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg mit folgenden Worten: Tief in heidnische Lande hinein waren die Mönche von Cisterz mit dem Kreuz in der Linken, mit Axt und Spaten in der Rechten, lehrend und ackerbauend, bildend und heiligend vorgedrungen (…).
Mutterkloster Altenberg entsendet einen Abt und 12 Brüder in sein Tochterkloster Zinna
Von dem bei Köln am schönen Rhein im Bergischen Land gelegenen Zisterzienserkloster Altenberg, Vetus Mons, waren ein Abt und elf Brüder nach Zinna entsandt worden. Altenberg selbst war ein Tochterkloster, eine Filiation von Morimond, das als eine von vier Primarabteien direkt aus dem französischen Mutterkloster Cîteaux des Ordens in Burgund hervorgegangen war. Interessanterweise sind im Klosterwappen von Morimond die Versalien MORS (lat. Tod) und VITA (lat. Leben) um das Kreuz Christi gruppiert. Neben der überwiegenden Zahl der von Morimond beaufsichtigten Tochterklöster führt auch die Zinnaer Zisterze in ihrem ansprechenden Wappen eine Variation jenes mystischen Symbols.
Hautnahe Erkenntnisse über die mittelalterliche Lebenswirklichkeit der Weißen Mönche
Preußischer und friderizianischer Sparsamkeit gehorchend, wurde die bewundernswerte Klosterkirche Sankt Maria nach der Säkularisation im 16. Jahrhundert als evangelische Stadtpfarrkirche weiter genutzt. Sie ist bis dato das älteste vollständig erhaltene Bauwerk der Zisterzienser zwischen Elbe und Oder. Darüber hinaus unterscheidet sich die Zinnaer Klosterkirche von ihren märkischen Pendants in einem nicht ad hoc wahrnehmbaren Punkt. Sie wurde komplett aus heimischen Feldsteinen errichtet. Die bearbeiteten Feldsteine haben sich als solides Baumaterial sämtlicher Umbauversuche späterer Jahrhunderte hartnäckig widersetzt. Aus diesem Grund können wir bis heute die ursprüngliche Konzeption des Innenraums einer frühen Zisterzienserkirche hautnah erleben. Das Gebäude weist nämlich die Originaltemperaturen des Mittelalters auf. Beispielsweise liegt das erreichbare Maximum auch in den warmen Sommermonaten Juli und August bei lediglich 16° Celsius. Unser Wissen um die Zisterzienser, die tagaus, tagein etwa 7 Stunden in ihrem Gotteshaus zubrachten, um zu singen und zu beten, dürfte durch diese neue Erkenntnis in die mittelalterliche Lebenswirklichkeit bereichert worden sein. Nach dem Wecken um 3.15 Uhr sprachen die Weißen Mönche um 3.30 Uhr das Nachtgebet, um 6.15 Uhr feierten sie mit dem Morgengebet die Heilige Messe und um 19.30 Uhr vollzogen die Chormönche das Abendgebet, bevor sie sich um 20.00 Uhr zur Nachtruhe zurückzogen.
Romanischer und gotischer Baustil finden in der Zinnaer Marienkirche harmonisch zueinander
In der Klosterkirche haben wir eine spätromanische, dreischiffige Basilika mit einem kreuzförmigen Grundriss vor uns. Ihr Langhaus weist eine stattliche Länge von 51 Metern auf. Hingegen wurde das Querschiff der Zinnaer Marienkirche von den mittelalterlichen Bauhandwerkern mit einer Breite von nur 31 Metern für eine Zisterzienserkirche vergleichsweise bescheiden konzipiert und ausgeführt. Darüber hinaus ist die einstmals flache Holzdecke im Verlauf des spätmittelalterlichen 15. Jahrhunderts durch das noch immer vorherrschende Gewölbe ersetzt worden. Nicht nur uns heutige Besucher dürften die kunstvoll gestalteten und bemalten Schlusssteine des Kreuzrippengewölbes ansprechen. Sie bilden neben florealen Motiven auch Tierdarstellungen wie einen Pelikan, einen Löwen und einen Adler ab. Die beiden letzteren sind die Attribute der Evangelisten Markus und Johannes.
In der Analogie an Jesu als den eigentlichen Schlussstein ziert das Haupt Christi auch den zentralen Baustein, der das Konstrukt der gesamten Kirche in sich zusammenhält. Der komplette Innenraum der brandenburgischen Marienkirche ist entsprechend den Ordensregeln schlicht gestaltet. Die zentrale Vierung und die Querschiffarme der Zinnaer Klosterkirche besitzen einen quadratischen Grundriss. An den Chor, den eigentlichen Altarraum, auch Sanktuarium genannt, schließt sich in seinem Inneren eine halbrunde, außen dagegen eine polygonale Apsis an.
Entsprechend geschlossen sind die vier Seitenkapellen, deren äußere jeweils Tonnenwölbungen aufweisen. Indessen haben die inneren Kapellen schon zeitlich jüngere Kreuzrippengewölbe. Damit weist uns die imposante Marienkirche bereits auf die architektonisch interessante Übergangsphase vom älteren romanischen zum jüngeren gotischen Baustil hin. Wenngleich einzelne Bauelemente der gotischen Epoche zuzuordnen sind, bleibt der überwältigende Gesamteindruck der Zinnaer Klosterkirche jedoch noch der romanischen Raumauffassung verbunden.
Ein weitere, bis heute die aufmerksamen Besucher in ihren Bann ziehende unsichtbare Komponente des märkischen Gotteshauses ist die phänomenale Akustik. Folglich dürfte das überwältigende Erlebnis der Raumwirkung durch sakrale Musik in der altehrwürdigen Marienkirche anlässlich einer feierlichen Messe oder eines Konzertes kaum jemanden unberührt lassen. Zu guter Letzt sei den regen Buskompass-Reisenden empfohlen, die hübsche Marienkirche bei tiefstehender Abendsonne zu besuchen, weil die Lichteffekte jeden aufmerksamen Beobachter verzaubern dürften.
Das Interieur der Sankt Marienkirche
Der überwiegende Teil des Interieurs der Zinnaer Zisterzienserkirche entstammt aus den Jahrhunderten nach der lutherischen Reformation. An dieser Stelle sollen die beiden in der Zeit um 1500 angefertigten Glasfenster in der abschließenden Apsis genannt sein. Sie zeigen die beiden Ordensgründer, den Heiligen Benedikt von Nursia und Bernhard von Clairveaux.
Vor dem Altar können wir die größte Besonderheit der Marienkirche besichtigen. Es handelt sich um ein rechteckiges Feld aus buchstabengeschmückten Tonfliesen, die in den Fußboden des Altarraums eingelassen worden sind. Sie geben in gotischen Majuskeln aneinandergereiht den lateinischen Text der Verkündigung Marias nach dem Evangelisten Lukas wieder: Sei gegrüßt Maria, Du Gnadenvolle, der Herr sei mit Dir, Du Gesegnete unter den Frauen, und gesegnet ist die Frucht Deines Leibes. Jene auch englischer Gruß genannte Würdigung zeugt von der ausgesprochenen Marienverehrung der Weißen Mönche.
Repräsentative Gebäude des Zinnaer Klosters – die Alte und die Neue Abtei
Die um das Jahr 1330 erbaute Alte Abtei beherbergte zunächst das Hospital des Zinnaer Klosters. Das augenfälligste architektonische Element dieses Gebäudes ist sein beispielgebender Staffelgiebel, der mit kunstvollem Maßwerk geschmückt wurde. Seine dekorative Schaufassade kündet von der Macht und dem Wohlstand des märkischen Zisterzienserklosters.
Es ist nicht auszuschließen, dass jener Giebel von der mittelalterlichen Bauhütte errichtet wurde, die auch das im Barnim gelegene Zisterzienserkloster Chorin erbaut hatte. Dementgegen ist der darüber befindliche Uhrenturm erst im 16. Jahrhundert hinzugefügt worden. An die Südwand der Alten Abtei schließt sich die ein wenig zurückgesetzte Neue Abtei an, die in der Mitte des 15. Jahrhunderts fertiggestellt wurde. Ihr mustergültiger Schaugiebel ähnelt in seiner symmetrischen Stufenform dem der Alten Abtei. Allerdings ist seine ausgefeilte Formensprache mit ihren Blenden und ihren vertikal aufsteigenden Strebepfeilern handwerklich routinierter ausgefallen. Sämtliche Stufen des gestaffelten Giebels enden in einer zauberhaften steinernen Maßwerkrose. Der an die Westseite angefügte Treppenturm stammt aus der Renaissance, in der die Neue Abtei als repräsentatives Schloss genutzt worden war.
Kloster Zinna besaß kein eigenes Tochterkloster
Entgegen der im spätmittelalterlichen 15. Jahrhundert blühenden Wirtschaftskraft der Zinnaer Zisterze kam es zu keinen Tochtergründungen des Klosters. Die Äbte von Zinna übten lediglich die obligatorischen Visitationspflichten gegenüber dem Marienkloster in Jüterbog und dem Nonnenkloster Marienkammer in dem bei Halle an der Saale befindlichen Glaucha aus. Indessen sandte die Zinnaer Zisterze gemeinsam mit den Klöstern Lehnin und Dobrilugk einige Mönche zur Besiedlung eines uns namentlich nicht bekannten Klosters in Ungarn aus.
Hinweis
Kloster Zinna ∙ Am Kloster 6 ∙ 14913 Jüterbog OT Kloster Zinna ∙ Landkreis Teltow-Fläming
Museum Kloster Zinna ∙ Öffnungszeiten: Di-So: 10-17 Uhr ∙ Telefon: (0 33 72) 43 95 05
Evangelisches Pfarramt Kloster Zinna ∙ Am Kloster 1 ∙ Telefon: (0 33 72) 43 21 76
Anfahrt
Kloster Zinna liegt direkt an der B 101, etwa 4 Kilometer nördlich der märkischen Stadt Jüterbog und 55 Kilometer südlich von Berlin.
Lesenswert
Badstübner, Ernst: Klosterbaukunst und Landesherrschaft. Zur Interpretation der Baugestalt märkischer Klosterkirchen, in: Friedrich Möbius, Ernst Schubert (Hrsg.): Architektur des Mittelalters. Funktion und Gestalt. Böhlau & Weimar 1984