Nach unserem Besuch des Neuen Museums wollen wir uns die ebenfalls von Friedrich August Stüler konzipierte Alte Nationalgalerie auf der Museumsinsel ansehen.
Unser Autor berichtet vom Bauentwurf bis zur architektonischen Errichtung und der inneren Raumgliederung des Gebäudes. Zum Schluss gibt er einen Ausblick auf einige Meisterwerke, die dort zu bewundern sind.
Die Alte Nationalgalerie wurde im Jahr 1861 gegründet. Der Grundstock für deren spätere Sammlungen bildete das testamentarische Vermächtnis des Konsuls, Bankiers und Mäzens, des geborenen Berliners Joachim Heinrich Wilhelm Wagener, von 262 zeitgenössischen Gemälden an den preußischen König. Konsul Wageners großzügige Schenkung war mit dessen tiefem Wunsch verbunden, dass eine würdige Galerie für exzellente Maler von zeitgenössischer Kunst geschaffen wird.
Gemeinsamer Bauentwurf – Friedrich August Stüler und Friedrich Wilhelm IV. planten die Alte Nationalgalerie zusammen
Der kühne Entwurf für die Alte Nationalgalerie stammte aus den Jahren 1862-65 des thüringischen Architekten des Neuen Museums in Berlin und der Neuen Orangerie in Potsdam, Friedrich August Stüler. Der hochrangige preußische Baubeamte Stüler orientierte sich auch an den persönlichen Skizzen des architekturbegeisterten Königs Friedrich Wilhelm IV. Beide Persönlichkeiten favorisierten die Idee, einen erhöhten klassischen Podiumstempel zu erbauen, der als eine Freistätte für Kunst und Wissenschaft dienen sollte. In seinem Inneren galt es, dass tempelförmige Gebäude mit mehreren Hörsälen in seinem Unterbau und einem angeschlossenen Festsaal in seinem Obergeschoss auszustatten.
Architekt Johann Heinrich Strack setzte Stülers Pläne in die Tat um
Die Bauausführungen konnten erst nach Stülers Tod im Jahr 1865 durch den Architekten der Schinkelschule Johann Heinrich Strack in den Jahren von 1866-76 in Angriff genommen werden. Darüber hinaus konzipierte Strack auch das umfangreiche Programm der Innendekoration.
Die tempelartige Alte Nationalgalerie wurde über einem hohen, aus Nebraer Sandstein verkleideten Unterbau mit einer vorgelagerten Freitreppe konstruiert. Zudem ist durch den zweigeschossigen Unterbau der tempelförmige Oberbau städtebaulich wirkungsvoll hervorgehoben. Die imponierende Stirnseite der Alten Nationalgalerie wurde mit einer korinthischen Säulenvorhalle, einem sogenannten Pronaos, versehen. Vor dem massiven Unterbau befindet sich beiderseitig des Eingangsportals eine weit ausladende und doppelläufige Freitreppe. Die beiden Längsseiten des Oberbaus sind mit Halbsäulen, sogenannten Pilastern, versehen. Hingegen wurde die Rückseite der Alten Nationalgalerie mit einer halbkreisförmigen, den großen Hauptraum des imposanten Gebäudes abschließenden Apsis geschlossen.
Figürliches Bildprogramm an der Alten Nationalgalerie – das monumentale Reiterstandbild Friedrich Wilhelms IV.
Insgesamt ist die Alte Nationalgalerie sowohl durch reiche Ornamente als auch durch zahlreiche Skulpturen festlich dekoriert. Unsere Altvorderen wollten mit ihrem bildkünstlerischen Programm nicht nur die nationale Kunst und Kultur gewürdigt wissen, sondern sie bemüßigten sich auch, sich in deren ehrwürdige Traditionen zu stellen. Folglich wurde in der markanten Säulenvorhalle ein langer Relieffries angebracht, der die einzelnen Etappen der Entwicklungsgeschichte der deutschen Kunst darstellt. Darüber befindet sich im dreiseitigen Giebelfeld die allegorische Personifikation der Germania, die als die Beschützerin der Künste auftritt. Schließlich stellt die bekrönende Giebelgruppe die drei bildenden oder gestaltenden Künste dar. Am Treppenanfang erkennen wir die Allegorien der Bildhauerei und der Malerei. Währenddessen sich am oberen Treppenende die Personifikationen des Kunstgedankens und der Kunsttechnik befinden.
Über dem großen Haupteingang thront das beherrschende Reiterstandbild des Gründers der Nationalgalerie, Friedrich Wilhelms IV., das im Jahr 1886 durch den aus einer italienischen Familie stammenden Berliner Bildhauer Alexander Calandrelli ausgeführt wurde. Indessen stammt der Bronzeguss von dem hauptstädtischen Bronzegießer Carl Gustav Hermann Gladenbeck, der auch die legendäre Viktoria auf der Siegessäule auf dem Großen Stern im Großen Tiergarten schuf.
Innere Raumgliederung der Alten Nationalgalerie – der große Kuppelsaal
Die innere Raumgliederung der Alten Nationalgalerie ist kompliziert. Ihr Eingang führt uns durch einen kryptenförmigen Vorraum. Von dort aus gelangen die Besucher über den breiten Treppenaufgang und die sich daran anschließenden Säulenarkaden in das Vestibül zum ersten Ausstellungsgeschoss. In jenem Geschoss befindet sich eine Halle mit reichen Wand- und Deckenmalereien, die die bekannten Helden der altgermanischen und skandinavischen Nibelungensage zum Thema haben.
Über der links vom Vestibül befindlichen Treppenhalle verläuft ein weiterer Fries zur Entwicklung der deutschen Kultur. Eine fortlaufende Reihe von Porträtgruppen reicht bis zu dem Zugang zum ersten Hauptgeschoss. In deren Mittelachse sind drei Oberlichtsäle hintereinander gereiht.
Den Anfang macht der einleitende Kuppelsaal, der noch weitgehend seinen ursprünglichen Zustand aufweist. Direkt an den augenfälligen Kuppelsaal schließen sich die beiden nachfolgenden Säle an, die allerdings im Jahr 1935 verändert wurden. Insgesamt nehmen sämtliche Oberlichtsäle nicht nur zwei Etagen ein, sondern sie führen auch in kleinere Seitenkabinette.
Die Alte Nationalgalerie 1944-45 – schneller Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg
Ursprünglich war die Alte Nationalgalerie allseitig von vier Säulengängen umgeben. Der an der Nordseite gelegene Gang wurde jedoch bei der Einrichtung des benachbarten Pergamonmuseums teilweise beseitigt.
Auf diesem umgrenzten Areal sind diverse Bildwerke aus der Sammlung der Nationalgalerie ausgestellt. Schwere Kriegsschäden, die besonders in den beiden letzten Kriegsjahren 1944-45 an der Alten Nationalgalerie verursacht wurden, konnten schon in den frühen 1950er Jahren wieder behoben werden.
Zeitlose Meisterwerke des 19. Jahrhunderts in der Alten Nationalgalerie
Als eine der bedeutendsten Sammlungen der Kunst des 19. Jahrhunderts zeigt die Alte Nationalgalerie zahllose Meisterwerke von Caspar David Friedrich, Adolph von Menzel, Édouard Manet, Claude Monet, Auguste Renoir und Auguste Rodin. Zu den unvergesslichen Klassikern gehören Karl Friedrich Schinkels Gotischer Dom am Wasser, Auguste Rodins Der Denker, Édouard Manets Im Wintergarten, Auguste Renoirs Im Sommer und Adolph von Menzels legendäres Eisenwalzwerk.
Hinweis
Alte Nationalgalerie, Bodestraße 3, 10178 Berlin-Mitte
Telefon: (030) 266 42 42 42
Öffnungszeiten: Di.+ Mi. 10-18 Uhr, Do. 10-20 Uhr, Fr.-So. 10-18 Uhr, Mo. geschlossen
Barrierefrei: Die Alte Nationalgalerie ist bedingt rollstuhlgeeignet. Rechts vom Haupteingang ist eine Rampe vorhanden.
Eintritt: 10 EUR, ermäßigt 5 Euro, (auch bei Sonderausstellungen)
Anfahrt: Buslinien 100, 300 & N5. Haltestelle: U-Bahnhof Museumsinsel, 300 Meter zu Fuß
Lesenswert
Maaz, Bernhard (Hg.): Die Alte Nationalgalerie. Geschichte, Bau und Umbau. Berlin, 2001
Schuster, Klaus-Peter: Die Alte Nationalgalerie. Köln, 2003