Nach unserem Besuch in Boitzenburg startet unser Reisebus, um in 45 Minuten in das uckermärkische Gramzow zu gelangen.
Unser Buskompass-Autor berichtet von einem weiteren mittelalterlichen Reformorden, den Prämonstratensern, die neben den Zisterziensern am Landesausbau der Uckermark beteiligt waren.
Die imposante Ruine ihrer Stiftskirche ist auf dem Gramzower Klosterberg zu bestaunen.
Der älteste Ort in der einstigen Provinz Ucra, der heutigen Uckermark, ist Gramzow. Noch früher existierte an jener Stelle eine spätslawische Siedlung. Zusammen aufgefundene slawische und deutsche Keramik spricht für die ungebrochene Kontinuität dieses Platzes. Als dort in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts die villa Gramsowe, der Weiler Gramzow, erstmals urkundlich erwähnt wird, gehört die fruchtbare Landschaft noch den Pommernherzögen aus der Dynastie der Greifen und die Bewohner der Region sind hauptsächlich heidnische Slawen. Jene sollen, wie zuvor schon ihre Herren – die früh getauften slawischen Herzöge – nun fromme Christen werden. Folglich wird das vom Pommernherzog Bogislaw I. im Jahr 1178 gestiftete und damit erste geistliche uckermärkische Stift, das Gramzower Prämonstratenser-Kloster, zum ausgreifenden Missionsstützpunkt.
Woher stammen die Prämonstratenser?
Norbert von Xanten, legendärer Gründervater des Ordens
Im Jahr 1120 gründete der asketisch lebende Wanderprediger der Heilige Norbert von Xanten im unwegsamen Tal von Prémontré im heutigen Département Aisne im Norden Frankreichs eine Abtei für seine neue Gemeinschaft, die von jenem Ort her den Namen Prämonstratenser-Orden erhielt.
Interessanterweise sind die Prämonstratenser kein herkömmlicher Mönchsorden, sondern ein Orden von regulierten Kanonikern beziehungsweise Chorherren, die zugleich als Kleriker, also als Priester dienen. In den ersten Jahren nach ihrer Bestätigung durch Papst Honorius II. existierten Doppelklöster für Männer und Frauen, die aber aus Disziplingründen keinen Bestand hatten, so dass bald darauf ihre räumliche Trennung erfolgte. Ebenso führen die Chorfrauen, die Kanonissen, ein Leben zwischen Kontemplation und Aktion, folglich in der Betrachtung und in der Arbeit. Die Prämonstratenser streben ein gemeinschaftliches und besitzloses Leben nach dem Vorbild der Apostel an. Die Haupttätigkeiten dieses Reformordens liegen in der Seelsorge und in der Predigt des Evangeliums. Ihr helles Ordensgewand ist ein Symbol der Einfachheit und der Buße. Deshalb werden sie auch weißer Orden genannt.
Norbert von Xanten wird Erzbischof von Magdeburg –
Missionstätigkeit der Prämonstratenser
Nachdem Norbert von Xanten Erzbischof von Magdeburg geworden war, wurde der neue Orden nicht nur verstärkt in der Mission im Osten bei den heidnischen Wenden, Preußen und Letten tätig, sondern er übernahm auch kolonisatorische Aufgaben.
Schnell verbreiteten sich die Prämonstratenser in ganz Europa, vor allem aber in Frankreich und im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Einen tiefen Einschnitt bildete zum einen die Reformation, durch die der Orden fast die Hälfte seiner Klöster verlor, und zum anderen die Französische Revolution der Jahre 1789/90. Von den ehemals 250 Ordenshäusern überlebten nur gut ein Dutzend die Säkularisation, die Verweltlichung von kirchlicher Gebundenheit.
Die Architektur der Stiftskirche des Prämonstratenser-Klosters gibt Rätsel auf
Wenn sich Bus-Reisende Gramzow von Süden her nähern, so fällt ihnen schon früh die bedeutungsschwere Silhouette der den Ort eindrucksvoll überragenden Ruine der ehemaligen Kirche des Prämonstratenser-Stifts auf. Die überwältigende Abteiruine auf dem Gramzower Klosterberg gehört zu den großen Rätseln märkischer Architektur.
Noch heute überragt als einziges sichtbares Relikt der kolossalen Klosteranlage der turmartige, 24 Meter hohe Westbau der ehemaligen Klosterkirche den vom pittoresken Haus- und Cantor-See fast gänzlich umschlossenen Klosterberg.
Eine sechseckige, in der Bauform eines originellen Hexagons errichtete Kapelle war offenbar zur Hälfte mit in die Westfront des Langhauses einbezogen worden. Mittig darüber schwebt ein imposantes Rudiment des einstmals reich gegliederten Westgiebels einer Hallenkirche. Er lehnt sich zur Ostseite hin an einen auf vier Pfeilern ruhenden Stützbau an.
Bedauerlicherweise brannten die mächtige Klosterkirche und deren sämtliche Wirtschaftsgebäude im 18. Jahrhundert aus. Bis auf dieses erhaltene Westbaufragment wurde in der Folgezeit der riesige Baukomplex sukzessive abgebrochen. Offensichtlich finden sich seine Mauersteine in zahlreichen Häusern der kleinen Siedlung Klosterberg wieder. Die sichtbar gebliebene Ruine ist in der Zeit des aufblühenden historischen Interesses im 19. Jahrhundert zeichnerisch dokumentiert und interpretiert worden. Dazu gehört eine detaillierte Zeichnung des berühmten Architekten Friedrich August Stüler, der das Neue Museum in Berlin erbaut hat, von dem unser Buskompass-Autor berichtete.
Die Pommernherzöge bescheren dem Gramzower Stift eine Blütezeit –
die Uckermark kommt zur Mark Brandenburg, 1250 –
keine Zuwendungen durch die neuen Landesherren an das Stift
Nachdem im Jahr 1178 die Gründung des Stifts durch Herzog Bogislaw I. erfolgt war, konnten sich die Gramzower Prämonstratenser bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts aufgrund der pommerschen Schenkungen, Donationen, eine umfangreiche Grundherrschaft aufbauen. Gegenstand des ehrgeizigen Bauprogramms an ihrem Kloster scheinen der Erfolg ihres Missionierungsprogramms und die Taufe der früh christianisierten Pommernherzöge gewesen zu sein. Außerdem spielten die ehrwürdigen Stiftspröpste eine nicht unbedeutende Rolle in der Nachbarschaft als Schlichter und Richter. Sie arbeiten nicht nur in verschiedenen Kommissionen mit, sondern sie stellen auch Urkunden aus und vollstrecken Testamente. Allerdings scheint sich der Konvent der Gramzower Prämonstratenser ihrer gefährdeten Grenzlage zwischen den Pommernherzögen und den aus dem Süden vordringenden märkischen Askaniern sehr wohl bewusst gewesen zu sein.
Ohne ihre guten Kontakte zu der herrschenden Greifendynastie im Norden aufzugeben, wählten die Prämonstratenser im Jahr 1245 die Brandenburger Markgrafen zu den Vögten des Gramzower Stifts. Fünf Jahre später fällt tatsächlich die gesamte Uckermark an die expansionsfreudigen Askanier. Vermutlich dürfte sich der Prämonstratenser-Konvent von seiner vorauseilenden Unterstellung unter die brandenburgische Autorität ein besseres Verhältnis erhofft haben. Offenbar waren nachweisbare pekuniäre Zuwendungen von Seiten der neuen märkischen Landesherren ausgeblieben. Demzufolge mussten sich die Gramzower Prämonstratenser am Beginn des 14. Jahrhunderts die Einnahmen aus dem uckermärkischen Land mit zehn weiteren Klöstern teilen. Unverkennbar genoss der Zisterzienserorden in höherem Maß die wohlwollende Gunst der brandenburgischen Markgrafen.
Markgraf Woldemar hält sich im Gramzower Prämonstratenser-Stift auf –
die Uckermark ist erneut ein Teil von Pommern, 1354-1472
Der letzte regierende Vertreter der märkischen Askanier-Dynastie, der hochfahrende und unstete Markgraf Woldemar, auch Waldemar der Große genannt, hielt sich gegen Ende seiner Regierungszeit mit seinem Hof im Prämonstratenser-Stift auf. Mehrere vor Ort ausgestellte Urkunden beweisen zwei Aufenthalte Woldemars in den 1310er Jahren. Sie sind die ersten und einzigen nachweisbaren Besuche eines askanischen Markgrafen in dem uckermärkischen Prämonstratenser-Kloster überhaupt. Die folgende Zeit ist, wie überall im Land, unruhig. Nach dem Tod Woldemars im Jahr 1319 und dem endgültigen Aussterben der askanischen Markgrafen zwölf Monate später werden die unsicheren Zeiten kaum mehr eine weitere Bautätigkeit in Gramzow erlaubt haben. Nachrichten darüber fehlen aus jenen Jahren. Überdies hatten die Pommernherzöge die Gedanken an die Rückgewinnung der an die Brandenburger Markgrafen verloren gegangenen Uckermark noch lange nicht aufgegeben, zumal Barnim I. von Pommern mit Mathilde, einer Tochter Ottos III. des Frommen von Brandenburg, verheiratet gewesen war. Dies zeigt sich in der Geschichte der immer wieder aufflammenden Kämpfe. Bogislaw IV. von Pommern-Wolgast, der älteste Sohn Barnims I., griff die Mark ab dem Ende des 13. Jahrhunderts wieder militärisch an. Sollte ihm der Gramzower Konvent dafür den Boden bereiten? Die Förderung geistlicher Konvente, besonders der grundbesitzenden Landklöster, zur Einflusssicherung und -ausweitung an und jenseits der Grenze zum Nachbarn ist häufig in der norddeutschen Geschichte zu beobachten. Tatsächlich ist das Prämonstratenser-Kloster, das in den Kämpfen um die Uckermark dicke benomen und begastet worden war 1354 mit syme gantzen eygen noch einmal an Pommern zurückgekommen und erlebte daraufhin erneut eine landesherrliche Förderung. Bis in das Jahr 1472 blieb die Uckermark erneut bei Pommern, um danach bis heute ein Teil Brandenburgs zu sein.
Auflösung des Klosters im 16. Jahrhundert – französische Hugenotten nutzten die Stiftskirche
Leider wissen wir wenig über die Auflösung des Prämonstratenser-Stifts im Zuge der Säkularisation im 16. Jahrhundert.
Wie üblich gehen auch das Gramzower Kloster und seine Besitzungen in die Hände des brandenburgischen Landesherren über. In jener Zeit wird die monumentale Stiftskirche nur noch zur einen Hälfte als Gotteshaus genutzt, der andere Teil dient als profaner Getreidespeicher. In den Jahren von 1687 bis 1714 wurde die Klosterkirche den in die Uckermark eingewanderten Hugenotten der französisch-reformierten Gemeinde für ihren Gottesdienst überlassen. Allerdings konnten sich die Réfugiés jenseits des Rheins nicht lange an ihrer neuen Kirche erfreuen.
Nach einem Großbrand wird die Klosteranlage als Baustoffreservoir genutzt –
der weitere Zerfall der Ruine wird gestoppt, 1885 –
umfassende Bestandssicherung in den 1990er Jahren
Im Sommer des Jahres 1714 zerstörte das Feuer eines verheerenden Großbrands die gesamte Klosteranlage, sämtliche Wirtschaftsgebäude und einige Wohnhäuser in Gramzow. Viele Jahrzehnte blieb die Ruine des Klosters unbeachtet und wurde als Baustoffreservoir benutzt, bis sie peu à peu immer mehr verfiel. Erst im Jahr 1885 kann der weitere Zerfall gestoppt werden und die erneuerungsbedürftige Ruine wird mit staatlichen Mitteln instand gesetzt.
Was bis heute erhalten blieb, sind ein Teil des weithin sichtbaren und reich gegliederten Westgiebels der Stiftskirche sowie die Relikte der originellen sechseckigen Kapelle. In den 1990er Jahren erfolgte eine umfassende Bestandssicherung. Im Zuge der sorgfältigen Sanierung des Klosterplatzes erhielt eine der schönsten sakralen Ruinen der Uckermark ein würdevolles Ambiente. Mächtig ragt der Torso der ehemaligen Stiftkirche in die uckermärkische Landschaft, um die neugierigen Besucher bei ihrem Anblick in ihren magischen Bann zu ziehen.
Einige Bänke auf dem Klosterberg laden uns zum Entspannen und zum Betrachten dieses tradierten Zeugnisses der Vergangenheit ein. Nach unserer lehrreichen Stippvisite können wir die 400 Meter vom Klosterberg bis zum Gasthof Grüner Baum in der Prenzlauer Straße 51 zu Fuß spazieren, um dort unsere Erlebnisse noch einmal Revue passieren zu lassen. Danach steigen wir wieder in unseren Reisebus ein, der uns zu einer weiteren Sehenswürdigkeit in der lebendigen Uckermark bringt.
Hinweis
Die Klosterruine ist barrierefrei und ganztägig zu besichtigen.
Klosterruine des Prämonstratenser-Stifts Gramzow, Klosterberg 18, 17291 Gramzow
Gasthof & Eisdiele Grüner Baum, Prenzlauer Straße 51, 17291 Gramzow, Telefon: 39861 – 821
Lesenswert
Enders, Liselotte: Die Uckermark – Geschichte einer kurmärkischen Landschaft vom 12. bis zum 18. Jahrhundert. Weimar & Böhlau 1992