Leipzig hat eine der schönsten Galopprennbahnen.
Zittern Sie mit um Sieg und Niederlage. Und ist mal kein Rennbahntag, schauen Sie einfach zu einem Flohmarkt oder zum Freilichtkino vorbei.
Auch ein Restaurant mit großem freundlichem Freisitz lockt ins Grüne zwischen Clara-Zetkin-Park und Auwald.
Über die spitzen Ohren streift ein schwacher Wind. Die Nüstern blähen sich auf. Unruhig malmen die Kiefer hin und her. Die Muskulatur spannt sich und unruhig trappeln die Hufe auf der Stelle. Die tiefschwarzen Scheuklappen dienen der Konzentration und für einen kurzen Moment gibt es tatsächlich so etwas wie atemlose Spannung. Unten auf der Rennbahn und oben auf den Rängen. Der Blick durch die Ferngläser bringt Ross und Reiter ganz nah. Die grell und auffällig gekleideten Jockeys kauern auf den Rücken ihrer Rennpferde. Da fällt auch schon der Schuss, die Metallgitter der Startboxen klappen in Bruchteilen von Sekunden zur Seite und Artax, Agadir, Eusebia und all die anderen stürzen voran. Das Galopprennen auf der traditionsreichen Scheibenholzrennbahn am Clara-Zetkin-Park in Leipzigs grünem Südwesten ist eröffnet.
Seit über 150 Jahren Trubel auf der Galopprennbahn Scheibenholz
Und es wird nur das erste von zahlreichen, von kleinen Wettpausen unterbrochenen Rennen sein, die heute stattfinden. Am Rande des Elsterflutbettes, das hier das Leipziger Zentrum von seinen westlichen Stadtteilen Schleußig, Plagwitz und Kleinzschocher trennt, fand 1867 das erste Pferderennen an diesem Standort statt. In wunderschöner Lage im Grünen, zwischen angelegten Parks und dem natürlichen Auwald. So ist es auch noch heute und so kann sich der Standort rühmen, zu den schönsten Veranstaltungsorten Leipzigs zu gehören.
Das Pferd der Pferde – das Englische Vollblut
1907 wurde das steinerne Hauptgebäude mit seinen beiden Türmen errichtet. Die Galopprennbahn wurde in den dreißiger Jahren von 1550 Metern Länge auf 1750 Meter verlängert und Kriegsschäden durch Brandbomben wurden so schnell beseitigt, dass schon 1945 wieder Rennen stattfinden konnten. Auch zu DDR-Zeiten wurde wild galoppiert, aber eher unter zentralistischen Vorgaben und wohl auch ohne den Hauch von Internationalität, der irgendwie ganz gut zum Pferdesport passt. In den 90er Jahren gründete sich der Leipziger Rennklub e.V. und richtete die Galopprennen aus. Vor 15 Jahren ging dieser zwar in die Binsen, aber der Leipziger Reit- und Rennverein Scheibenholz e.V. ging schon ein Jahr später wieder an den Start. Mit dem immer größer werdenden Interesse an Leipzig in diesen letzten 15 Jahren kamen auch vermehrt internationale Touristen. Jedenfalls galoppieren auf der Pferderennbahn durchaus auch mal englische Worte durch die Luft. Das passt natürlich ganz hervorragend bei einem Sport, der immer schon eine große Prägung durch Großbritannien hatte. Nicht von ungefähr ist die bekannteste Rasse des Galopprennsports das Englische Vollblut. Vollblüter gehen auf arabische Pferderassen zurück und sind sehr ausdauernde und leistungsstarke Pferde, die durch Zucht immer weiter für den Rennsport optimiert wurden. Es ist kein Reiterlatein, dass über 90% aller heute existierenden englischen Vollblüter auf einen einzigen Zuchthengst zurückgehen. Im Jahr 1769 war Eclipse das unschlagbare und bis dahin beste Rennpferd aller Zeiten. Alle seine 18 Rennen gewann er überlegen.
Nervenkitzel beim Pferdewetten
Ein solches Prachtpferd hier am Scheibenholz am Start zu haben, würde das Wetten vielleicht einfacher machen, mag sich der eine oder die andere wohl denken, bevor es während der Rennpausen des Tages eilig wieder zu den Wettkassen geht. Eine erste Orientierung zu den Siegchancen bietet sich für den aufmerksamen Beobachter aber schon beim sogenannten Aufgalopp. Wenn vor dem eigentlichen Beginn der Rennen die stolzen und vor Kraft berstenden Tiere durch das Rund des Scheibenholzes geführt werden oder sich in ruhigerem Schritt schon mal die Muskulatur warmlaufen. Ein besonderes Vergnügen ist es, in den Pausen die Tribüne zu verlassen, die Rennbahn zu kreuzen und sich ganz nah an die Pferde heranwagen zu dürfen. Hier wird die Energie der Tiere noch intensiver spürbar. Manche Hengste wirken ruhig und ausgeglichen, vielleicht etwas zu entspannt, um allzu viel Geld auf sie zu verwetten. Andere wirken voller Energie und aufgekratzt. Auch das kann des Guten zu viel sein und der Wetteinsatz geht verloren, weil sich ein Pferd in der ersten Hälfte des Rennens zu schnell verausgabt. Wie Leichtathleten beim 400- oder 800-Meterlauf kann ein Rennpferd plötzlich einbrechen und auf den letzten Metern den schon geglaubten Sieg verspielen. Da hilft dann auch kein Jockey mehr, der mit seinem Leichtgewicht von maximal 55 kg mit dem Pferd zu verschmelzen scheint. Ein bunter Punkt auf einer vorbeischießenden Mähne.
Sächsische und französische Küche statt Hafer im Sack
Das ganze Wetten ist zwar sehr aufregend, aber zumindest in Leipzig bei Weitem nicht so elitär, wie man es sich vielleicht vorstellt. Hier kommen Jung und Alt zusammen und es herrscht ein gelassenes Treiben und Miteinander auf den Tribünen. Es scheint auch keine Kleiderordnung zu geben, wenngleich doch einige ihre Freude zumindest am Spiel mit der Eleganz zu haben scheinen. Auch wird durchaus mal mit einem Sekt angestoßen. Aber wen wundert es, wenn man aus einem Kleinstbetrag aus einem Bauchgefühl heraus vielleicht einen kleinen Schein gemacht hat. Dann muss die Freude wieder unters Volk. Und was gibt es da Schöneres, als eine Runde springen zu lassen. Falls Sie nicht in den Genuss kommen, macht das nichts, denn Sie können sich darauf freuen, nach dem Rennen in der großen Rennbahn Gastronomie zu speisen. Dort gibt es französisch Leichtes und sächsisch Deftiges. Auch große Gruppen finden hier Platz. Dasselbe gilt für den 300 Menschen fassenden und zum Scheibenholz gehörenden schönen Biergarten, der zwischen Hauptgebäude und dem Elsterflutbett liegt. Von letztgenanntem ist er nur getrennt von einem geschotterten Fahrrad- und Spazierweg.
Das Elsterflutbett. Naherholung an der Galopprennbahn Scheibenholz
Das Elsterflutbett ist im Grunde ein aus Hochwasserschutzgründen umgeleiteter Teil der Leipzig durchfließenden Weißen Elster. Auf dem grade verlaufenden Elsterflutbett trainieren Rudersportlerinnen und –sportler das ganze Jahr über in ihren Booten. Vom professionellen Einer bis zum vollbesetzten Achter ist hier einiges zu bestaunen. Aber auch viele Freizeit-Paddler ziehen hier ihre Bahnen oder steuern ihre Faltboote aus dem Leipziger Stadtzentrum zum Cospudener See, der mittels Schleusen gut erreichbar ist. Am besten lässt sich das Treiben beobachten, wenn man sich auf den Rennbahnsteg begibt. Dies ist eine Fußgängerbrücke, die direkt vom Haupteingang der Galopprennbahn auf das andere Ufer des Elsterflutbettes führt.
Flohmärkte und Freilichtkino auf dem Rennbahngelände
Übrigens ist es auch für den Reisebus möglich, fast bis hierher heranzufahren. Ein Parkplatz lässt sich am Rennbahnweg oder an der am Clara-Zetkin-Park entlangführenden Karl-Tauchnitz-Straße finden. Die Pferderennbahn Scheibenholz scheint auf Publikumsverkehr eingestellt. Auch wenn es nur eine Handvoll Renntage gibt jedes Jahr zwischen Mai und Oktober ist hier immer einiges los und sowohl das Rennbahngelände als auch die Umgebung ist stets eine Reise wert. Die Gastronomie auf dem Gelände der Galopprennbahn hat ganzjährig zumindest an den Wochenenden geöffnet und es gibt regelmäßig Flohmärkte und Freiluftkino. Im angrenzenden Park lockt mit der Parkbühne eine große Freilichtbühne mit hochkarätigen Konzerten und mit dem Glashaus gibt es ein weiteres sehr lichtes Restaurant inmitten des Parks. Hier lässt es sich lecker Brunchen und es gibt ebenfalls einen großen Freisitz.
Die Sachsenbrücke – Geheimtipp für Leipzigbesucher
Einen letzten Vorschlag wollen wir noch denen machen, die sich nach einem langen und trubeligen Tag auf der Rennbahn nach ein paar Schritten am Wasser sehnen. Vielleicht haben Sie ja Lust, ein wenig ihren Gedanken nachzuhängen. Ein kleines Stück nördlich des Rennbahnsteges spannt sich die Sachsenbrücke über das kühle Nass. Hier zetern die Stockenten und mit etwas Glück steht auch mal ein Graureiher am Ufer. Aber vor allem trifft sich hier ganz Leipzig. Es ist einer der beliebtesten öffentlichen Orte zwischen den westlichen Stadtteilen und der lebendigen Südvorstadt. Also doch ein wenig Sehen und Gesehen werden wie auf der Tribüne der Galopprennbahn. Aber wenn dann die Sonne langsam tiefer steht über den Baumwipfeln oberhalb der Böschung des Elsterflutbettes, dann legt sich endgültig die Aufregung des zurückliegenden Tages. Das nervenaufreibende Wetten, die Erinnerung an ein ausgebrochenes Pferd oder an das erschöpfte, aber glückliche Lächeln eines triumphierenden Jockeys verblassen langsam. Dann fühlt man sich nochmal richtig jung, wenn man die vorbeiziehenden Studierenden beobachtet, die sich auf der Sachsenbrücke einfinden, um ein Bier zu trinken, um in kleinen Gruppen Musik zu machen oder einfach nur um Freunde zu treffen. Wir stehen mit einem Glas Wein ein wenig abseits, zählen unsere Gewinne und Verluste und nehmen uns vor, bald mal wieder zu kommen!
Hinweise
- Das Gelände und die Gastronomie sind auch barrierefrei mit dem Rollstuhl zu erreichen. Nur die Zuschauertribüne leider nicht. Das bedeutet, man kann ähnlich wie in einem Fußballstadion unten an den Rand der Rennbahn; im Zweifel ist man also sogar noch näher dran am Geschehen.
- Kontakt zur Rennbahn Gastronomie: 0341-99990030 oder info@rennbahn-leipzig.de
Direkten Kontakt zur Rennbahn bekommen Sie über 0341-33730063 oder Sie wenden sich per E-Mail an info@scheibenholz.com
Sehenswert
Vielleicht machen Sie sich einmal den Spaß und schauen eine Folge einer alten Pferdeserie im Internet. Wie wäre es mit einer aus den USA der 50er Jahre (Fury), einer britischen Produktion der 70er Jahre (Black Beauty) oder einem deutschen Serienversuch von 1989 (Rivalen der Rennbahn).