Durch den Wald streifen. Vögeln lauschen. Zum See wandern. Bei Helmstedt gibt es Naturerlebnisse und Warttürme. Außerdem erfahren wir, was es mit der geheimnisvollen Drillingskiefer im Lappwald auf sich hat.
Langweilig ist der Kiefernwald? / Mein Freund, das widerrufst du bald! / Da denk‘ ich wohl, du sahst ihn nimmer, / Wenn röthlich in den Wipfeln träumt / So still der letzte Sonnenschimmer, / Und alles rings mit Gold sich säumt. So lauten die ersten Verse des 1906 verstorbenen Schriftstellers und Dichters Heinrich Seidel. Er wurde in Mecklenburg geboren und es ist fraglich, ob er jemals an der heutigen niedersächsisch-sachsen-anhaltischen Grenze war, Genaugenommen unweit der von Fachwerkhäusern aus dem 16. und 17. Jahrhundert geprägten heutigen 25.000 Einwohner starken Kreisstadt Helmstedt. Wenn er aber doch dort gewesen sein sollte, dann ist er vielleicht achtlos an einer jungen, aufkeimenden Kiefer vorübergegangen, die wohl annähernd 130 Jahre alt ist. Jedenfalls wusste er, das entnehmen wir seinen Versen, Kiefern und die Atmosphäre zu schätzen, welche sie ihrer Umgebung verleihen. In Zeiten vor den Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels drohten noch kein Vertrocknen, keine Borkenkäferplage, kein Absterben und auch nicht das Verbrennen ganzer Kiefernwälder. Heutzutage sieht das anders aus; die von Stürmen geschlagenen Schneisen, die wir von Autobahnen und Bundesstraßen aus erblicken, erzählen ein Lied davon, wie geschwächt der Wald und insbesondere die Kiefern sind. Manchmal hilft es, den Blick vom Großen auf das Konkrete und Fassbare zu wenden – und einen solchen Ort, an dem das möglich ist, haben wir als Ausgangspunkt für unseren heutigen Tagesausflug mit dem Reisebus gewählt. Wir besuchen die Drillingskiefer, also eine Kiefer mit dreigeteiltem Stamm. Meist haben Blitzeinschläge zu solchen Spaltungen geführt. Im Laufe der Jahrzehnte entwickeln sie dann einen ganz besonderen Wuchs.
Der Lappwald und die Walbecker Warten
Düsterbeek, Rote Riede und Riole. Klangvolle Namen tragen die kleinen Bächlein, die durch den Lappwald fließen. Überhaupt ist er vereinzelt relativ feucht, da der lehmhaltige Boden ziemlich wasserundurchlässig ist. Gute Bedingungen für einen Laubmischwald – und in der Tat wachsen im Lappwald vor allem Eichen, Buchen, Erlen und Eschen. Aber es gibt auch immer wieder Flächen mit standortuntypischen und zu späteren Zeiten von der Forstwirtschaft gepflanzten Nadelbaumflächen. Schließlich könnten Sie sonst wohl kaum die Drillingskiefer im Lappwald besuchen. Auch wenn Pinus sylvestris (Waldkiefer) ganz erstaunliche Verbreitungsformen hat. Der Pollen der Waldkiefer kann mehrere Kilometer weit fliegen und auch die Samen schaffen je nach Flügelform zwischen 150 und 1000 Metern Reichweite. Hinzu kommt die Verbreitung etwa durch Eichhörnchen und Spechte. So kann sich die Waldkiefer von einer Generation zur nächsten durchaus von Standort zu Standort bewegen. Auch wir wollen uns heute ein wenig bewegen. Schließlich ist die Drillingskiefer im Lappwald der Ausgangspunkt eines Wanderparkplatzes. Wir wollen heute gemeinsam in Richtung sachsen-anhaltischer Grenze wandern. Das jenseits von Niedersachen gelegene Walbeck am nordöstlichen Ende des Lappwaldes hat besondere Geschichten zu erzählen; zu DDR-Zeiten lag der Ort innerhalb des schmalen Sperrgebiets, den niemand ohne Passierschein betreten durfte. Oftmals ist diese Historie ein Garant für verhältnismäßig gut intakte und unberührte Natur. Auch der Lappwald steht seit 30 Jahren unter Naturschutz und gehört zu einem größeren Flora-Fauna-Habitat-Gebiet; das dürfte Ihnen unter dem Kürzel FFH-Schutzgebiet ein Begriff sein. Am Waldparkplatz finden Sie Tafeln für ausgeschilderte Rundwege. Ob Sie dabei bis zur Ersten Walbecker Warte laufen oder den deutlich weiteren Weg bis zur Zweiten Walbecker Warte auf sich nehmen, bleibt Ihnen überlassen. Ein Waldweg verbindet in relativ flachem Gelände die 1,5 Kilometer voneinander entfernt liegenden Wachtürme vergangener Zeiten miteinander.
Vom Lappwald zum Lappwaldsee
Wenn wir nach Vollendung unseres Rundweges Lust auf ein zweites Ausflugsziel bekommen, lohnt es sich entweder im direkt angrenzenden Helmstedt einzukehren oder sich den Lappsee anzuschauen. Der Lappsee ist ein ehemaliger Tagebau, der noch bis ins Jahr 2032 geflutet werden soll. Er wird dann der viertgrößte See Niedersachsens sein. Schon heute ist er 70 Meter tief und Fische tummeln sich in seinem Blau. Er ist an bestimmten Stellen als Angelgewässer freigegeben. Es ist die typische Mischnutzung für Tagebaufolgelandschaften, wie es sie etwa auch in der sächsischen Oberlausitz oder im Leipziger Seenland gibt. Badespaß, Naherholung, Wanderungen, sportliche Aktivitäten und Freizeitgestaltung. Dahin geht auch die Reise des über 120 Millionen Kubikmeter Wasser fassenden Lappsees. Die niedersächsisch-sachsen-anhaltische Grenze verläuft übrigens genau durch den Lappsee; vor Jahrzehnten war hier kein See, sondern die sogenannte Zonengrenze. Von der geografischen Randlage der ehemaligen BRD-Orte und DDR-Orte ist heute nichts mehr zu spüren; der Lappsee liegt jetzt im nördlichen Zentrum Deutschlands zwischen Magdeburg und Braunschweig. Daher ist die Region übrigens auch gut über die A2 zu erreichen; ein durchaus touristischer Vorteil.
Letzte Worte am Rande vom Lappwald
Bevor wir nun endgültig wieder in den Reisebus steigen und uns auf den Heimweg machen, denken wir an die Kiefern, die wir an einigen Stellen des 500 Hektar großen Lappwaldes haben stehen sehen. Die bis zu 50 Meter hohen Bäume (im Lappwald sind sie nicht so hoch) können bis zu 600 Jahre alt werden. Jedenfalls ohne Rodungen und Klimawandel. Mit ihrer Pfahlwurzel gräbt sich die Waldkiefer über 5 Meter tief in den Boden und mit ihrem Wurzelwerk bilden Pilze wie etwa der essbare Butterröhrling symbiotische Gemeinschaften. Doch nach den Fakten soll die Lyrik von Heinrich Seidel noch einmal das Wort erhalten: Nun, lieber Freund, ich frage wieder: / Schlägst du nicht deine Augen nieder / Und sprichst beschämt: Man irrt sich bald! / Ich bin besiegt und ganz geschlagen / Und will es niemals wieder sagen: Langweilig ist der Kiefernwald!
Hinweise
So erreichen Sie auf einfachstem Weg die Drillingskiefer vom Lappwald: Sie fahren von der A2 an der Ausfahrt Nr. 62 (Helmstedt-Zentrum) ab und fahren die Walbecker Straße (L644) in Richtung Bad Helmstedt. Bereits in der ersten Rechtskurve nach etwa 200 Metern finden Sie den Waldparkplatz an der Drillingskiefer. Hier kann der Reisebus parken und hier startet auch der Rundweg.
Vom südlichen Helmstedt aus (Parkplatz Lappwaldsee) erreichen Sie am bequemsten den von dort aus nah gelegenen Lappwaldsee. Dort angekommen gibt es auch einen Aussichtspunkt mit Schautafeln, welche die Vergangenheit der Tagebaulandschaft und den entstehenden Lappwaldsee erläutern.
Und nicht vergessen: auch ein Ausflug nach Helmstedt oder ins nah gelegene sachsen-anhaltische Walbeck mit seiner Jahrhunderte alten Stiftskirchenruine lohnt.
Lesenswert
Der Roman Die Kieferninseln spielt nicht in Niedersachsen, sondern im fernen Japan. Es ist eine tiefgründige, ruhig erzählte und lesenswerte Geschichte. Es geht um das Leben und den Tod. Und auch der Mond geht im Büchlein still über den Kieferninseln auf. Die Kieferninseln kostet 11 € als Taschenbuch.