Sommerzeit. Ferienzeit. Wer mag jetzt schon in geschlossenen Räumen sitzen? Geh aus mein Herz – und baden geh’n.
Im GRIPS Theater gab es 2003 die Premiere des Stückes „Baden gehen“ von Volker Ludwig und Franziska Steiof. Das Stück spielt in der Zeit, als der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit den Zustand Berlins mit den Worten: „Arm, aber sexy“ beschrieb und auf den Punkt brachte. Die beiden Autoren reagierten mit einem tollen Musical: Bademeister und Rentner, Sinnsucher und Liebespaare, Familien aus aller Welt mit ihren Kindern, Jugendliche aller Altersgruppen, Lehrerinnenzicken, Spieler, Pleitiers – Damen und Herren! Alle, die an einem Montag Zeit haben. Normalerweise trifft sich ganz Berlin an seiner Riviera, dem Freibad. Aber in diesem Sommer standen sie vor verschlossenen Türen. Das sanierungsbedürftige Freibad wurde von Amts wegen geschlossen. Die Stadt war pleite. Die Berliner lassen sich allerdings von einem Verbotsschild nicht von ihren Gewohnheiten abbringen, ignorierten die Absperrung und gingen baden, an ihrer Riviera: Dem Freibad oder dem See.
Das Stück steht mittlerweile nicht mehr auf dem Spielplan – aber die Badelust der Berliner ist geblieben. Lebt man doch in einer sehr wasser- und seenreichen Stadt. Daher kennt jeder dies Vergnügen.
Ich bin im Südosten von Berlin aufgewachsen in Grünau. Zwanzig Minuten mit dem Fahrrad von zu Hause entfernt gab es, jederzeit auch für Kinder verfügbar, herrliche Badestellen. Das machte mein Leben reich. Egal was sonst war: Ärger mit der Schule oder den Eltern – baden gehen ging immer leicht. Heute ist diese Ecke oft sehr voll von badelustigen freizeithungrigen Leuten. Woher kommen sie nur alle? Es gibt nämlich ein Strandbad, für die die eine gewisse Ordnung suchen: Sandstrand, Strandkorb, Schließfächer, Umkleidekabinen, Duschen, Duschkabinen, Bratwurst, Getränke und Pommes frites-Verkauf gegen einen mehr oder minder hohen Eintrittspreis – oder daneben, ein paar hundert Meter weiter, viele kleinere und größere Badebuchten, wo jeder kann der mag, mit Badeanzug oder ohne.
Alternative Badeexpress
Warum ich davon berichte: Es gibt überall im Umland von Berlin und bestimmt auch in anderen Städten wunderschöne Seen und Badestellen. Allerdings: ohne Auto sind viele ungünstig zu erreichen. Sicher, es gibt immer Wege: Per Zug und Fahrrad oder ein Stück laufen. Es wäre aber klasse, würde es an zentralen Stellen in der Stadt Bus-Expresslinien zu Badeseen geben. Von wo aus, sagen wir mal, jeder Badelustige in einer halben Stunde an einem schönen See ist. So könnte zum Beispiel die Rentnerin, die Mutter mit drei Kindern und allgemein Erholungssuchende einfacher und Benzin sparender zu ihrem See kommen. Nachhaltiger.
Die Zufahrtsstraßen zu den Seen wären unter Umständen weniger zugeparkt, denn ein Bus fasst mehr Leute als ein kleines oder großes Auto. Und der Busfahrer würde, nachdem er die Leute herausgelassen hat, wieder zurück fahren.
„Pack die Badehose ein, nimm dein kleines Schwesterlein und dann nüscht wie raus nach Wannsee -“ so sang Cornelia Froboess, damals als Conny bekannt, in ihrem berühmten Schlager 1951. Baden gehen ist etwas typisch Berlinisches! Aber auch international. So wie diese Stadt. Auch der Berliner Maler Heinrich Zille hat Anfang des letzten Jahrhunderts viele badelustige Berliner gezeichnet. Man kann sagen: in Berlin ist baden ein Klassiker!
Baden gehen ist Erholung vom Alltag, aber auch Schauplatz von Eitelkeiten und Komplexen, Sich-Entblättern, Sex, Erotik und dem Gegenteil: ein Sprung ins kalte Wasser. Dies sollte allen Menschen ohne großen Aufwand möglich sein, die das wollen.
Links
www.strandbadgrünau.de
www.berlinerbaeder.de