Nachdem wir den Garten und den Landschaftspark Wiesenburg besucht haben, wenden wir uns dem Neo-Renaissance-Schloss zu.
Unser Buskompass-Autor beschreibt die Geschichte der Wasserburg und ihren Umbau zu einer stattlichen Schlossanlage.
Architektonisch ansehenswerte Gebäude werden vorgestellt. Erwähnung finden die Teile des Schlosses, die besichtigt werden können.
Wir gehen davon aus, dass der mythische Ursprung der Wiesenburg in einer ersten Holzburg, einem sogenannten slawischen Burgwall, lag, die zu späteren Zeiten in Stein neu errichtet worden war. Anschließend ließ unser legendärer Markgraf Albrecht der Bär die in einem Schreiben des Bischofs Wilmar von Brandenburg im Jahre 1161 erstmals als Burgwardium Wisenburg erwähnte märkische Wasserburg errichten. Der Terminus Burgward stammt aus dem Altsächsischen und bezeichnet eine Burg, die eine Schutzfunktion auf die sie umgebenen Dörfer ausübt, die zu jener wiederum in Erbuntertänigkeit stehen.
Brandenburg verliert sein Burgwardium – die Wasserburg Wiesenburg kommt zu Sachsen
Beinahe zwanzig Jahre später, 1180, kamen das Territorium mit der Wasserburg Wiesenburg an das Herzogtum Sachsen. Ihr markanter, noch aus dem 13. Jahrhundert stammender und aus Feldsteinen erbauter Bergfried weist auf eine Neugestaltung der gesamten Burganlage hin. Ausgestattet mit einer wehrhaften Ringmauer und bis zu drei Gräben diente die Wasserburg Wiesenburg als ein markanter Stützpunkt am Rande des Hohen Flämings gegen die beiden benachbarten Feudalherrschaften des Markgrafen von Brandenburg und des Erzbischofs von Magdeburg.
Die Ära Brandt von Lindau beginnt – Kurfürst Friedrich II. belehnt Friedrich Brandt mit der Burg
Nach häufigem Besitzwechsel belehnte der sächsische Kurfürst Friedrich II. der Sanftmütige in der Mitte des 15. Jahrhunderts den edlen Herren Friedrich Brandt von Lindau mit der Burg, dem Landstädtchen Wiesenburg und weiteren Dörfern. Im Verlauf des 16. Jahrhunderts büßte die kursächsische Wasserburg jedoch immer stärker an ihrer militärischen Bedeutung ein, weil die bahnbrechende Entwicklung des Schießpulvers und der Stand der prosperierenden Waffentechnik ihre Verteidigungsfähigkeiten allmählich überholt haben. Folglich konnten die im Dienst des Habsburger-Kaisers Karl V. stehenden spanischen Söldner die Feste Wiesenburg im Verlauf des Schmalkaldischen Kriegs kurz vor der Mitte des 16. Jahrhunderts in Brand stecken.
Friedrich III. Brandt von Lindau lässt ein Schloss im Stil der Renaissance erbauen
Allerdings ließ ab dem Jahre 1550 der damalige Eigentümer, Friedrich III. Brandt von Lindau, auf den erhalten gebliebenen Fundamenten der zerstörten Burg ein imposantes Schloss im zeitgemäßen Stil der Renaissance neu aufbauen. Noch in unseren Tagen trägt ein im Inneren des Schlosshofs befindliches Portal das Wappen Friedrichs III. und der Familie seiner Frau.
Außerdem wies Friedrich an, das sogenannte Männekentor und das Torhaus vor dem Schloss zu errichten, das damals noch einen schmucklosen Giebel aufwies. Sein erstgeborener Sohn, Benno Friedrich, ließ das von seinem Vater geerbte Schloss weiter im Renaissance-Stil komplementieren. In dieser Epoche, in der ersten Dekade des 17. Jahrhunderts, entstand das im Zentrum des Schlosshofs gelegene und mit einem kupferbeschlagenen Dach versehene Brunnenhäuschen, das während des Dreißigjährigen Kriegs, 1618-48, zum größten Teil zerstört wurde. Nachdem die zunächst geflüchteten Bewohner nach dem Ende des verheerenden Kriegs zurückgekehrt waren, existierten im Wiesenburger Schloss eine Bischofs-, eine Braut-, eine Schul- und eine Kurfürstenstube.
Die Ära Brandt von Lindau geht mit Adam Friedrich dem Reichen zu Ende
Am Beginn des 18. Jahrhunderts wurden unter Adam Friedrich Brandt von Lindau, genannt der Reiche, nicht nur das imponierende Hauptgebäude, der Palas, erweitert, sondern insbesondere auch der schmucke Westflügel des Schlosses umgebaut. Mit seinem Tode und der Heirat seiner einzigen Tochter endete die Ära der Familie Brandt von Lindau in Wiesenburg.
Familie von Watzdorff übernimmt das Schloss im 19. Jahrhundert
Die tiefgreifendsten Umbauten erlebte das damalige Renaissance-Schloss am Beginn der Herrschaftsübernahme durch Kurt Friedrich Ernst von Watzdorff im Jahre 1863. In den darauf folgenden 18 Jahren wurde vor allem die noble Fassade des Schlosses im en vogue gewordenen Stil der Neo-Renaissance neu gestaltet und erhielt damit sein heutiges Aussehen. Die Inangriffnahme für die Modernisierung war ein folgenreicher Blitzeinschlag im mittelalterlichen Bergfried, der eine baldige Erneuerung bedurfte. In deren Verlauf wurde der augenfällige Turm zu einem noch immer öffentlich zugänglichen 48 Meter hohen Aussichtsturm aufgestockt. Als kongeniale Baumeister fungierten der Dresdner Kunstschriftsteller und Architekt Dr. Oskar Mothes und der Berliner Carl Hense. Aus dieser Zeit stammten auch die auf dem inneren Schlosshof bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts existierenden Kastanien, die jenem einen ganz besonderen Charme gegeben haben. Sie wurden später durch geschnittene Linden ersetzt.
Schloss Wiesenburg nach dem Ende des II. Weltkriegs
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden im unversehrt gebliebenen Schloss Wiesenburg im Jahr 1947 zunächst eine Ausbildungsstätte für Lehrer eingerichtet und anschließend eine erweiterte Oberschule mit Schwerpunkt Russisch mit einem integrierten Internat untergebracht. Nach der politischen Wende 1989/90 wurde die Oberschule im Jahr 1992 endgültig geschlossen. Bereits vier Jahre später konnte eine private Investorengruppe gewonnen werden, die die gesamte Schlossanlage von Grund auf instand setzen ließ. Im Zuge dessen wurden das Schlossinnere nicht nur entsprechend den heutigen Ansprüchen in einer modernen Architektursprache saniert, sondern auch die noch vorhandenen historischen Elemente wurden freigelegt und mit in das Ensemble einbezogen.
Die heute im Wiesenburger Schloss befindlichen Wohnungen werden unter dem Motto: exklusives Wohnen vieler Schlossherren angeboten. Mittlerweile lassen es sich zahlreiche neue Bewohner fernab des nervigen Großstadtstresses im erlesenen Ambiente eines altehrwürdigen Neo-Renaissance-Schlosses gut gehen. Nachdem die langwierigen Sanierungsarbeiten im Jahr 2003 erfolgreich abgeschlossen worden waren, kamen auch die in der Gestaltung des ausgehenden 19. Jahrhunderts wiederhergestellten Außenfassaden in ihrem alten Glanz zur Geltung.
Architektur der mittelalterlichen Wasserburg – Wehrmauer und Burggräben
Bei der auf einer Anhöhe inmitten des gleichnamigen Ortes gelegenen Wiesenburg handelte es sich einst um eine mittelalterliche Wasserburg, die nach der Mitte des 16. Jahrhunderts zu einem Renaissance-Schloss umgebaut wurde. Bis in unsere Tage blieb die äußere Wehrmauer der früheren Wasserburg erhalten, die die Burganlage auf allen Seiten absichert. Aufmerksame Beobachter können an vielen Stellen noch heute zahlreiche Elemente der alten Befestigung in Form von äußeren Wehranlagen erkennen. Allerdings sind die drei hintereinander gelegenen ehemaligen Wassergräben der Burg mittlerweile für das Auge des modernen Besuchers verschwunden, weil der Ort Wiesenburg nun unmittelbar bis an die äußeren Mauern der vormaligen Bastion heranreicht.
Architektur des Neo-Renaissance-Schlosses – Steinbrücke, Torhaus, Bergfried und Palas
Die zu einem eleganten Neo-Renaissance-Schloss umgebaute Wiesenburg ist eine zweigeschossige Vierflügelanlage, die sich auf einem unregelmäßigen Grundriss erhebt und die aus der mittelalterlichen Burg hervorgegangen ist. Ausflügler betreten die Wiesenburg heute über eine Brücke aus Stein, die über die ehemaligen Wassergräben führt. Sicherlich dürfte diese Steinbrücke der Nachfolger der ersten hölzernen Zugbrücke der früheren Wasserburg sein.
Wir durchschreiten das in ihrem ursprünglichen Kern noch aus dem mittelalterlichen 13. Jahrhundert stammende Torhaus, das in den belebten Formen der Neo-Renaissance gestaltet wurde. In dem Torhaus befindet sich die sogenannte Heimatstube mit der Touristen-Information, die für das breite Publikum geöffnet ist. Ebenso erfuhr der daneben stehende und in seinen Grundzügen noch an einen wehrhaften Bergfried erinnernde Hauptturm der Wasserburg bei dem Umbau zu einem mondänen Schloss eine beachtliche Neugestaltung. Im Laufe der Zeit wurde der nunmehrige Schlossturm nicht nur mit einem umlaufenden Wehrgang im neuen Stil ausgestattet, sondern an seiner Spitze auch mit einer Turmuhr versehen. Jener 48 Meter hohe Schlossturm ist ebenfalls öffentlich zugänglich.
Gegenüber dem Bergfried bzw. dem Schlossturm erhebt sich das majestätische Hauptgebäude, der ehemalige Palas der Burg, durch den eine Passage zur Schlossterrasse und zu den Gärten führt. Besonders das unterhalb der südlichen Schlossanlage liegende große Parterre des Gartens hat bis heute seine verspielte barocke Form beibehalten. Der sich daran angrenzende See dürfte einst die mittlerweile verlandeten Burggräben mit reichlich Wasser gespeist haben.
Architektur des Neo-Renaissance-Schlosses – Innenhof, Hofbrunnen und Hofportale
Das im geräumigen Innenhof des Schlosses gelegene Brunnenhäuschen aus dem Jahre 1609 wurde im 19. Jahrhundert restauriert. Sämtliche den Schlosshof umgebenen Gebäude dienten in den Zeiten der DDR zum einen als Unterrichtsräume für die erweiterte Oberschule im Fachbereich Russisch und zum anderen als Internatsgebäude für deren Schüler. Die nur noch vereinzelt ihren mittelalterlichen Kern erkennen lassenden Wohngebäude wurden nach der Wende in den 1990er Jahren renoviert.
Interessanterweise weisen die partiell barock geschmückten Hofportale einzelner Gebäude auf das einstige repräsentative Aussehen Wiesenburgs hin. Manche der Hofeingänge besitzen noch originale Relikte, die aus den Jahren 1574 und 1600 stammen, wobei das figürliche Relief über dem reizvollen Portal am Westflügel besonders gut erhalten blieb. Seit einigen Jahren dienen zahlreiche Gebäude als Vorlesungs- und Ausstellungsräume. Ebenso wird der große Schlosshof zu gut besuchten Veranstaltungen genutzt.
Hinweis
Schloss Wiesenburg ∙ Schlossstraße 1 ∙ 14827 Wiesenburg / Mark
Simones Café am Schloss Wiesenburg · Am Parkeingang · 14827 Wiesenburg / Mark
Anfahrt
Das Neo-Renaissance-Schloss Wiesenburg liegt in dem gleichnamigen Ort. Von der A9 nehmen Sie die Ausfahrt Kein Mahrzehns / Raben über Klepzig auf die B107 in Richtung Wiesenburg. In der Gemeinde Wiesenburg ist das Schloss gut ausgeschildert.
Öffnungszeiten: ganztägig geöffnet
Eintrittspreis: Außenanlage & Innenhof sind frei zugänglich, sämtliche Gebäude sind privat.
Lesenswert
Marth, Paul & Roger Rössing: Schlösser und Herrenhäuser in Brandenburg. Augsburg 1995