Nach unserem Besuch des Brandenburgischen Landgestüts wollen wir die Neustädter Kreuzkirche sehen, deren frühbarocke Architektur selten in der Mark angetroffen wird. Außerdem möchten wir mehr über den Prinzen von Homburg erfahren, der in seinen Lebensjahren als märkischer Landjunker viel Positives für die Entwicklung von Neustadt an der Dosse getan hatte.
Die gegen Ende des 17. Jahrhunderts über einem achteckigen Grundriss mit vier rechteckigen Kreuzarmen in der Form eines griechisches Kreuzes auf dem Spiegelberg errichtete Neustädter Stadt- oder Kreuzkirche gehört zu den wenigen aus der Frühzeit des Barock erhaltenen Gotteshäusern in der Mark Brandenburg. Folglich ist die mit dunklem Schiefer gedeckte Stadtkirche architekturgeschichtlich von besonderer Bedeutung. Erbaut wurde sie durch den generösen Förderer der kleinen Landstadt an der Dosse, den Prinzen Friedrich von Hessen-Homburg. Der dynamisch agierende Prinz hatte persönlich den Grundstein für den Bau der Kreuzkirche gelegt, als im Jahre 1673 mit den ersten Arbeiten für die Errichtung der Stadtkirche begonnen worden war. Es ist das einzige Gebäude, das aus der damaligen Epoche in Neustadt erhalten geblieben ist.
Noch vor der erfolgreichen Fertigstellung des frühbarocken Kirchenbaus änderte das wankelmütige Schicksal den weiteren Lebensweg des tatkräftigen Prinzen von Homburg. Nach dem plötzlichen Tod seines älteren Bruders Wilhelm Christoph fiel Prinz Friedrich unerwartet die Regentschaft über das am Fuße des Taunus gelegene Hessen-Homburg zu. Damit gelangte der bislang als einfacher märkischer Landjunker lebende Edelmann nun als künftiger souveräner Duodezfürst Friedrich II. in die höheren Sphären der großen Politik (1681). Da die komplexe Administration seiner Neustädter Güter im Laufe der Jahre schwieriger geworden war, sicherte der Homburger Prinz dem brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. seine generelle Bereitschaft zu, jenem seine Besitzungen an der Dosse käuflich zu veräußern. Unser für gewöhnlich gut informierter Theodor Fontane teilt seinen Lesern in dem Kapitel: ‚An Rhin und Dosse’ folgendes dazu mit. „Was er [der Prinz von Homburg] aber bis dahin [in Neustadt] gegründet hatte, lebte fort und prosperierte (…) bis zu dieser Stunde noch. Überall hatte sein Blick das Richtige getroffen, das, was den gegebenen Bedingungen entsprach.“1 Landgraf Friedrich II. von Hessen-Homburg wurde 75 Jahre alt. Er starb 1708.
Märkische Lutheraner und französisch reformierte Hugenotten beteten in derselben Kirche
Prinz Friedrich hatte bereits seit 5 Jahren als Landgraf Friedrich II. in seinem Duodezfürstenturm Hessen-Homburg im Taunus regiert, als 1686 die Neustädter Kreuzkirche feierlich eingeweiht wurde. Es werden noch einmal 10 Jahre ins märkische Land gehen, bevor der Innenraum des barocken Gotteshauses endgültig fertig gestellt werden wird (1696). Mit dem im Jahre 1685 vom toleranten Großen Kurfürsten erlassenen Edikt von Potsdam waren über 20.000 französische Glaubensflüchtige, die uns bekannten Hugenotten, Les huguenots, in die damals dünn besiedelte Mark Brandenburg emigriert.
Diese calvinistischen Réfugiés werden aufgrund ihrer vielfältigen praktischen Kenntnisse künftig mit zu Preußens merkantilem und militärischem Aufstieg beitragen. Nicht wenige Handwerker, fleißige Manufakturarbeiter, adlige Militärs, geschickte Ärzte, artistische Künstler, rede- und schreibgewandte Sprachlehrer sowie geschäftstüchtige Kaufleute mit ihrer zahlreichen Nachkommenschaft wurden in der entstehenden französischen Kolonie auf dem Neustädter Stadtteil Spiegelberg ansässig. Der Spiegelberg hat seinen Namen nach der einst dort gelegenen Spiegelmanufaktur, in der qualifizierte französische Glasmacher seit dem Ende des 17. Jahrhunderts tätig waren.
Aus diesem guten Grund wurde die barocke Kreuzkirche unmittelbar nach ihrer festlich begangenen Einweihung bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts simultan genutzt. Im herzlichen Einvernehmen diente die schmucke Stadtkirche märkischen Lutheranern und französisch reformierten Neustädter Einwohnern, wenngleich mit zwei voneinander getrennten Kanzeln, als ein gemeinsames Gotteshaus. Darüber hinaus wurde für die reformierten Gläubigen ein eigener Pastor, ein pasteur réformé, organisiert, der in französischer Sprache predigte und sogar die pastoralen Kirchenbücher in Französisch verfasste.
Architektur und architektonisches Vorbild der Kreuzkirche auf dem Spiegelberg
Über dem geschweiften schiefergedeckten Kuppeldach des frühbarocken Kirchengebäudes erhebt sich ein achteckiger Turm mit seiner weithin sichtbaren Turmuhr. Darüber befindet sich ein offener turmartiger Aufsatz, die sogenannte Laterne, mit ihrer glockenförmigen Haube, deren Abschluss wiederum in die Turmbekrönung mündet. Sie wird geziert durch den Turmknopf, die Windrose und eine kleine Wetterfahne mit der Jahreszahl 1686, sowie einem großen Stern auf der Spitze des Turms.
Es ist viel diskutiert und verschiedene Theorien sind aufgestellt worden, welcher bekannte Kirchenbau als ein leuchtendes Vorbild für die Neustädter Barockkirche gedient haben könnte? In diesem Zusammenhang besagt eine mögliche Hypothese, dass eventuell niederländische Kirchen als ein Modell für den Bau der Kreuzkirche in Neustadt an der Dosse fungierten.
Als ein überlegenswertes Argument wird angeführt, dass der Große Kurfürst nach dem verheerenden Dreißigjährigen Krieg, 1618-48, verstärkt holländische Baumeister für den dringend benötigten Wiederaufbau in die Mark Brandenburg geholt hatte. Ein weiterer Grund, so wird argumentiert, ist, dass der junge Friedrich Wilhelm in der niederländischen Provinz Südholland, in Leiden, studierte und in Arnhem,- Arnheim,- im Gelderland, sowie in der Hauptstadt Amsterdam des Königreichs der Niederlande, Koninkrijk der Nederlanden, vier ihn prägende Jugendjahre lang gelebt hatte. Außerdem stammte seine erste, pragmatisch denkende und politisch engste Beraterin, seine geliebte Gemahlin Luise Henriette aus dem noch heute die Niederlande regierenden Haus Nassau-Oranien, Huis Oranje-Nassau. Folglich wird die am Beginn des 17. Jahrhunderts nach den Entwürfen des niederländischen Architekten und Bildhauers Hendrik de Keyser an der drei Kilometer langen Prinsengracht erbaute Noorderkerk, die Nordkirche, in Amsterdam als ein Vorbild für die später errichtete frühbarocke Kreuzkirche in Neustadt gesehen.
Ebenso bildet der achteckige Grundriss mit vier rechteckigen Kreuzarmen der Amsterdamer Noorderkerk ein griechisches Kreuz, exakt wie bei der Neustädter Stadtkirche an der Dosse.
Altar, Altarbild und Kanzel – das reiche Inventar der Kreuzkirche
Das einheitliche Inventar stammt weitgehend aus dem späten 17. Jahrhunderts, aus der Epoche, in der die Kreuzkirche erbaut wurde. Nach Osten hin erhebt sich die Schauseite der Orgel, der Orgelprospekt, mit der harmonisch in die Brüstung der Orgelempore eingearbeiteten Kanzel. In die links und rechts des vieleckigen, des polygonalen, Kanzelkorbs angebrachten Kartuschenfeldern wurden Bibelsprüche aus dem Alten Testament geschrieben. Darunter sehen wir das eine feierliche Abendmahlszene zeigende Altarbild, dessen Maler uns leider nicht bekannt ist. Wir wissen allerdings, dass es sich um einen Künstler aus einer holländischen Schule des 19. Jahrhunderts gehandelt haben muss. Auf dem Altar befinden sich ein Kruzifix, eine Bibel sowie 6 Kerzen und Blumenschmuck. Die beiden seitlichen in die Sakristei führenden Durchgänge in der Altarwand werden von jeweils zwei korinthischen Säulen flankiert, die wiederum von traubenbehangenen Weinranken und goldenem Olivenlaub umschlungen werden. Der gesamte Innenraum der Kirche wird durch große Fenster erhellt. Das durch sie hindurch scheinende Licht gibt dem Inventar, dem Blattgold und der Marmorierung an den Emporen ein harmonisches Gesamtaussehen.
Hinweis
Der Eingang zur Kirche ist ebenerdig und barrierefrei gelegen.
Anschrift
Stadt- bzw. Kreuzkirche
Kirchplatz
16845 Neustadt (Dosse)
Tel.: 033970-13265
Literatur
1Zit. Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Bd. 1, Die Grafschaft Ruppin, An Rhin und Dosse, Prinz Friedrich von Hessen-Homburg. Hg. von Christfried Coler, Berlin 1960. S. 221-229, hier S. 229
Vgl. Büttner; Horst, u.a.: Kunstdenkmäler von Berlin und Potsdam, Bildband IV, hg. vom Institut für Denkmalpflege, Berlin 1987. S. 104, Nr. 216, Text zur Stadt- bzw. Kreuzkirche in Neustadt (Dosse) + schwarz-weiß Bildtafel 216
Vgl. Müller, Hans: Dome· Kirchen· Klöster – Kunstwerke aus zehn Jahrhunderten. Ein Tourist-Führer. Berlin & Leipzig 21986, S. 178 zur Stadt- bzw. Kreuzkirche in Neustadt (Dosse)