Unser Reisebus fährt nach Werder an der Havel.
Im Ortsteil Petzow wollen wir das gleichnamige Schloss und dessen englischen Landschaftspark des vermögenden Ziegelbarons von Kaehne anschauen.
Unser Buskompass-Autor berichtet von der Architektur des Herrenhauses und von der böhmischen Flüchtlingsfamilie Kaehne, die von mittellosen Bauern bis an die Spitze der preußischen Gesellschaftspyramide gelangte.
Das heute in das mittelmärkische Landstädtchen Werder an der Havel eingemeindete Dorf Petzow wurde zum ersten Mal im Jahr 1419 urkundlich erwähnt. Zu jener Zeit gehörte es den mächtigen Herzögen von Sachsen-Wittenberg. Noch im späten 15. Jahrhundert kam die Petzower Gemeinde in den Besitz des für die Mark Brandenburg bedeutenden Zisterzienserklosters Lehnin, dessen kluge Mönche sehr wohl um die Qualität der vor Ort gewonnenen Tonerde wussten. Nach der durch den brandenburgischen Kurfürsten Joachim II. Hector vollzogenen Reformation und der einhergehenden Säkularisation sämtlicher märkischer Klöster wechselten die Eigentümer des Ortes Petzow im 16. Jahrhundert mehrmals schnell hintereinander. In diesem Zusammenhang ist es nachweislich überliefert, dass die aus dem Königreich Böhmen stammende protestantische Großfamilie Kaehne zu Beginn des 17. Jahrhunderts einige Besitzungen in Petzow übernommen hat. Das Oberhaupt des Familienverbandes, der pater familias, Peter Kaehne, hatte – wie 30.000 andere Protestanten auch – Böhmen nach der verlorenen Schlacht am Weißen Berg (1620) verlassen müssen. Peter Kaehne ließ sich in dem von der Pest, dem berüchtigten Schwarzen Tod, und vom Dreißigjährigen Krieg in Mitleidenschaft gezogenen Petzow nieder. Dort übernahm er in der Mitte des 17. Jahrhunderts das örtliche Lehnschulzengut. Mit Peter Kaehne beginnt der kontinuierliche gesellschaftliche Aufstieg der böhmischen Familie von einfachen Bauern zum vermögenden Ziegelbaron, zum Eigentümer eines stattlichen Herrenhauses in Petzow und zum geachteten Mitglied des preußischen Landadels.
Landwirtschaft, der Abbau von Tonerde und Ziegeleimanufakturen bilden den Grundstock des Vermögens der Familie Kaehne
Zunächst bildeten die Erträge aus der Landwirtschaft die erste finanzielle Grundlage der böhmischen Familie Kaehne. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts spezialisieren sie sich darüber hinaus auf den gewerbsmäßigen Abbau der heimischen Goldader, einer Sorte von Tonerde. Sie bildete neben der Landwirtschaft den zweiten Wirtschaftszweig der Familienmitglieder. Nachdem die Kaehnes im Jahr 1734 die königliche Ziegelei in Grelle in Pacht nehmen konnten, errichteten sie knapp 20 Jahre später ihre erste eigene, mit einem Ringofen ausgestattete Ziegelei an der Löcknitz. Anschließend konnten sie nicht nur die Pacht der Glindower Ziegelei bei Werder, sondern auch die der renommierten Potsdamer Ratsziegelei für sich erwerben.
Einen ersten finanziellen und auch gesellschaftlichen Achtungserfolg erreichte schließlich Karl Friedrich August Kaehne, nachdem es ihm am Beginn des 19. Jahrhunderts möglich geworden war, die Königlich Preußische Ziegelei zu kaufen. In Folge dessen wurde auch das damalige Gut Petzow zu einem Rittergut umgewandelt. Einige Zeit danach erklommen die Kaehnes die oberste Sprosse der gesellschaftlichen Leiter. Nachdem der Ziegelbaron Karl Friedrich August das Adelsdiplom verliehen bekommen hatte, war die gesamte Familie von Kaehne endlich im Kreis der märkischen Junker aufgenommen worden.
Folglich konnte Karl Friedrich August von Kaehne standesgemäß heiraten. Durch seine Frau, Elisabeth Alwine von Kleist-Colochau, war er nun mit dem ältesten märkischen Adel verwandt. Ziegelbaron von Kaehne war nicht nur der geachtetste und wohlhabendste Mann des Ortes Petzow, sondern er bekleidete auch das honorige Amt eines märkischen Rats und er war darüber hinaus ein ehrbarer Gutsbesitzer geworden.
Karl Friedrich Schinkel entwirft Ziegelbaron von Kaehne ein repräsentatives Herrenhaus
Wir zählen sowohl die ausgedehnte Gutsanlage mit ihrem repräsentativen Herrenhaus beziehungsweise das Schloss, dessen englischen Landschaftspark als auch das mittelmärkische Petzower Dorf zu den am besten erhaltenen ländlichen Ensembles aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Mark Brandenburg. Natürlich wollte auch der vermögendste Mann in Petzow, der allseits respektierte Karl Friedrich August von Kaehne, seinem neuen gesellschaftlichen Stand entsprechend logieren. Es verwundert uns deshalb nicht, dass sich der wohlsituierte Ziegelbaron um das Jahr 1825 das imposante Schloss Petzow nach einem Entwurf des weithin bekannten preußischen Architekten und Städteplaners Karl Friedrich Schinkel erbauen lassen konnte.
Schinkel konzipiert das Hauptgebäude als eine Melange aus Tudor- und italienischem Baustil
Schinkel konzipierte das majestätische Hauptgebäude des Petzower Schlosses als eine geschickte Melange aus englischem Tudor- und norditalienischem Baustil. Die sorgfältig verputzten und sonnengelb gestrichenen Fassaden erinnern durchaus an die italienische Toskana.
Im pittoresken Hauptgebäude haben wir einen zweigeschossigen neogotischen Putzbau vor uns, der von vier runden Tudortürmen begrenzt wird und der mit einem leicht vorspringenden Mittelrisalit versehen worden ist. Sowohl die britischen Tudortürme als auch die Gartenseite des Herrenhauses sind jeweils mit einem Zinnenkranz bekrönt. Hingegen werden die beiden Schmalseiten des herrschaftlichen Gebäudes mit einem Staffelgiebel abgeschlossen.
Überdies sind jene Schmalseiten einige Jahre nach der Vollendung des Herrenhauses durch seitliche Anbauten erweitert worden. An einigen Fenstern des Erdgeschosses fallen deren reiche Barockgitter sofort in das Auge des Betrachters. Durch die großen neogotischen Fenster an der Südseite kann das wärmende Sonnenlicht in die Räume und Säle gelangen. Interessanterweise wurde das prächtige Hauptgebäude des Petzower Schlosses ohne einen einzigen Backstein erbaut. Dies sollte uns bei einem gut betuchten Ziegelbaron eigentlich nachdenklich stimmen.
Die Wirtschaftsgebäude des Petzower Ritterguts
Von den Wirtschaftsgebäuden des Ritterguts ist das mit hübschen Ziergiebeln versehene Waschhaus bis heute erhalten geblieben. Es liegt auf der gegenüberliegenden Seite des Haussees. Zu Zeiten, als die Kaehnes noch die Eigentümer des Petzower Herrenhauses gewesen waren, wird viele Seife aus dem Waschhaus in den See geflossen sein. Jetzt beherbergt das aus dem 19. Jahrhundert stammende Häuschen ein apartes Museum, das allerdings während der Wintermonate geschlossen bleibt.
Ein weiteres, ebenfalls im 19. Jahrhundert erbautes Wirtschaftsgebäude ist die mit einer Vorlaube versehene Gutschmiede. Erwähnenswert ist zweifelsohne das sogenannte Spritzenhaus, das gleichermaßen aus der Zeit unseres Ziegelbarons von Kaehne stammen dürfte.
Mittels einer kleinen malerischen Bogenbrücke überqueren wir anschließend einen Kanal, der den Petzower Haussee mit der Havel verbindet. Unser Weg führt uns in den ausgedehnten Schlosspark.
Bereits während der Bronzezeit war das Parkareal der Kaehnes bewohnt
Archäologische Ausgrabungen haben ergeben, dass sich schon in der Bronzezeit, also vor 4000 Jahren, Menschen auf dem Areal der heutigen Petzower Gemarkung angesiedelt hatten. Im Verlauf der gründlichen Grabungskampagnen konnten heilige Plätze jener kleinen Personengruppen im Bereich des späteren Nutzgartens der Familie Kaehne eruiert werden. Darüber hinaus sind dem Brandenburger Landesdenkmalamt auf dem weiten Parkareal an mehreren Stellen diverse Relikte von frühzeitlichen Holzpalisaden und Holzhäusern bekannt. Später diente das Parkgelände für viele Jahrzehnte dem ertragreichen Ackerbau.
Der Schlosspark von Peter Joseph Lenné gestaltet
Der im Jahre 1838 im klassischen Landschaftsstil angelegte Schlosspark in Petzow wurde von dem großen preußischen Gartenarchitekten Peter Joseph Lenné gestaltet. Die hohe Parkmauer um das Herrenhaus herum verdeutlicht einerseits Ziegelbaron von Kaehnes gesellschaftliche Stellung und andererseits weist sie auf dessen gute finanzielle Lage hin. In die äußere Umfassungsmauer des Landschaftsparks sind drei neogotische Tore aus der Bauzeit des Schlosses mit einbezogen worden. Das Hoftor wurde sowohl mit einem eleganten Tudorbogen als auch mit einem dekorativen Zinnenkranz versehen. Zusätzlich gibt es in der weitläufigen Parkanlage eine von Baumeister Schinkel entworfene Fischerhütte zu sehen. Es handelt sich um einen quadratischen Putzbau mit einem überragenden Zeltdach. Ein wenig abseits und verborgen befindet sich die stilvolle Erbbegräbnisstätte der Familie von Kaehne.
Schloss Paetzow in unseren Tagen
Im Jahr 1961 hatten die verheerenden Flammen eines Großbrands die historischen Scheunen, Remisen und weitere Nebengebäude des Herrenhauses bis auf ihre Grundmauern zerstört.
Bedauerlicherweise ist es bis heute nicht geplant, jene zum Schloss dazu gehörenden Wirtschaftsgebäude wieder aufzubauen. Hingegen wurde das altehrwürdige Schloss Petzow im Jahr 2013 verkauft und danach umfangreich saniert. Es entstanden Wohnungen, die bereits von den ersten Mietern bezogen werden konnten. Bevor wir uns der nach den Plänen von Karl Friedrich Schinkel erbauten Petzower Dorfkirche auf dem unweit entfernt gelegenen Grelleberg zu wenden, stärken wir uns im Schlossgarten-Restaurant Drei Kaehne.
Hinweis
Schloss Petzow ∙ Zelterstraße 5 ∙ 14542 Werder (Havel) OT Petzow ∙ Landkreis Potsdam-Mittelmark
Öffnungszeiten
Mai – Oktober: Sonnabend und Sonntag ∙ Führungen jeweils um 15:30 Uhr ∙ Preis: 9 € (inkl. Führung)
Führungen in englischer Sprache sind auf Anfrage möglich. Guided tours in English are available on request.
Schlossparkbesuche sind nur im Rahmen von Gruppenführungen möglich. Beachten Sie bitte, dass nicht sämtliche Wege befestigt sind. Deshalb wird festes Schuhwerk empfohlen.
Restaurant Drei Kaehne ∙ Öffnungszeiten
Mai–Oktober: Freitag: 13:00 – 18:00 Uhr ∙ Samstag und Sonntag: 11:00 – 18:00 Uhr
Lesenswert
Fischer, Bernd Erhard: Petzow. Ein Landsitz am Schwielowsee – eine Spurensuche. Berlin 1991
Fontane, Theodor: Der Schwielow und seine Umgebungen, in: Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Havelland. Petzow. Band 3, mehrere Auflagen