Eintauchen ins Dunkel. Durchstoßen ins Licht.
Entdecken Sie, wie die alte Bildtechnik der Panoramen zu neuem Leben erweckt wurde. Faszinierende Bilderwelten in gigantische Größe.
Wer sich gerne begeistern lässt, wird das Panometer Leipzig lieben!
Vom Himmel über Leipzig aus betrachtet sähe es aus wie der Querschnitt eines gigantischen Fernglases. Zwei steinerne Kreise, verbunden durch einen rechteckigen Gebäudeblock. Tauchen wir ein in die beiden vor uns liegenden Welten am Rande der Leipziger Südvorstadt. Im 19. Jahrhundert diente die Doppelkonstruktion der Versorgung der Leipziger Bürger mit Gas. Mit einem Durchmesser von 57 Metern und eine Höhe von 30 Metern ist der größerer der beiden ehemaligen Gasometer überwölbt von einem geschlossenen Kuppeldach. Eine einzigartige Konstruktion, die am Anfang der 2000er Jahre saniert wurde. Die Schwedlerkuppel wurde nach seinem Erfinder, dem Bauingenieur Johann Wilhelm Schwedler benannt und ist eine sich über weite Räume spannende Dachkonstruktion aus Stahl. Eine statische Meisterleistung aus dem 19. Jahrhundert. Zur gleichen Zeit, zu der auf der anderen Seite des Atlantiks mit ähnlich waghalsigen Stahlskelettkonstruktionen Chicago den Höhenflug der Hochhäuser einleitete. Wir aber blicken zunächst auf den etwas kleineren Bruder, den ehemaligen Gasometer I. Ihm fehlt die geschlossene Kuppel, aber die berühmte Eisenkonstruktion liegt frei und offen. Zu betrachten ist dies alles aus dem öffentlich zugänglichen Innenraum, in dessen Zentrum man auf einer grünen Wiese steht und sich ein wenig wie im römischen Kolosseum fühlt. Über drei Etagen reihen sich Rundbögen aneinander, das Gebäude ist offen und somit lichtdurchflutet und ganzjährig dem Wetter ausgesetzt. Es gibt Gruppenführungen, die einem beim Rundgang über das ehemalige Gasometergelände die Statik und die Geschichte des Gebäudes nahebringen.
Der Ursprung der Panoramen
Aber können diese zweifelsohne spannenden Ausführungen die mehreren Millionen Besucher erklären, die seit Beginn unseres Jahrtausends diesen Ort aufgesucht haben. Nicht ganz. Dafür musste das Herzblut eines aus einer iranisch-deutschen Familie stammenden Künstlers mit dem Mut von Investoren zusammenfinden. Yadegar Asisi ist in Leipzig aufgewachsen, hat in Dresden Architektur studiert, wurde Ende der 70er Jahre aus der DDR ausgewiesen und hat in Berlin Malerei studiert. Er gilt als Liebhaber von Panoramen. Diese Sicht auf Alles, so in etwa die Übersetzung aus dem Griechischen, ließ sich im 18. Jahrhundert der irische Künstler Robert Barker patentieren. Er zeigte gegen Eintritt eine 360⁰-Ansicht der irischen Hauptstadt Edinburgh. Später auch von London, was der Erfindung zum endgültigen Durchbruch verhalf. In dieser direkten Traditionslinie können wir Asisi sehen, der inzwischen die ehemaligen Gasometer von Leipzig, Dresden, Berlin, Wittenberg und Pforzheim in nach ihm benannte Asisi-Panometer verwandelt hat. Das Kunstwort aus Panorama und Gasometer könnte treffender nicht sein und als solches blickt das zweite Rohr unseres überdimensionalen Fernglases in den Leipziger Himmel. Vielmehr wendet es allerdings seinen staunenden Blick nach innen; und mit ihm die vielen begeisterten Besucher.
Super erreichbar. Das Panometer Leipzig ist komplett barrierefrei
Direkt am Panometer gibt es einen Parkplatz für Reisebusse und alles ist ebenerdig oder barrierefrei mit dem Aufzug zu erreichen. Im geschlossenen und dunklen Gebäude befindet sich eine gigantische Leinwand, gleichsam ein runder Horizont ohne Anfang und Ende. Hier pulsiert das Künstlerherz. Angefangen hat es 2003 mit einer Darstellung des Mount Everest, zum 50. Jahrestag seiner Erstbesteigung. Seitdem gab es Ausstellungen zu Leipzig im Jahr der Völkerschlacht, zum Great Barrier Reef, zum Amazonasgebiet und zum antiken Rom.
Die Kraft und die Schönheit des Lebens. Asisis Philosophie
Aktuell (und noch bis März 2022) kommt das Panometer mit einer vermeintlich etwas unscheinbareren Ausstellung daher. Carolas Garten – Eine Rückkehr ins Paradies ist ein Blick in den heimischen Schrebergarten. Aber was für ein Blick. Man kommt sich selbst wie ein winziges Insekt vor, wenn man die riesigen Blumen, Blüten und Pollen betrachtet, die sich auf der 3500 Quadratmeter großen und 32 Meter hohen Leinwand vor einem erheben. Da hilft auch nicht der Aufstieg (oder die barrierefreie Aufzugfahrt) auf den im Zentrum stehenden 15 Meter hohen Aussichtsturm, von dessen oberster Terrasse erst der volle Rundumblick zur Geltung kommt. Nicht minder faszinierend ist die Technik, die den Darstellungen zugrunde liegt. Mit einfacher Fotografie ist es da nicht getan. Um eine sage und schreibe 20 Meter große Biene perfekt scharf abzubilden, bedienten sich Asisi und sein Team der Rasterelektronenmikroskopie. Mit großem wissenschaftlichen Aufwand wurden Skizzen angefertigt, tote Bienen eingesammelt, zur Trocknung bedampft und mit einem Elektronenstrahl abgetastet. So werden sonst kleinste Objekte bis zur Größe von einzelnen Molekülen gescannt und dann von einem Computer in graphische Darstellungen umgerechnet. Auch die Biene im Asisi-Panometer musste naturgetreu nachcoloriert werden, Verzerrungen wurden modelliert (für den Ausdruck auf der im Rund aufgespannten Leinwand), Schatten und Spiegelungen hinzugefügt. Das Ergebnis ist eine absolut überwältigende Lebendigkeit. Oder um es in Asisis eigenen Worten wiederzugeben: „Ich glaube an die Kraft und Schönheit des Lebens. Diese kann man auch in einer so einfachen Sache wie einem Garten entdecken. Vom großen bis ins kleinste Detail.“ Vielleicht kein Zufall, dass das Zitat von Yadegar Asisi auch eines des mittelalterlichen Schutzpatrons der Natur und der Tiere sein könnte, dem heiligen Franz von Assisi. Weitere Makroaufnahmen gibt es in der Begleitausstellung zu sehen. Es gibt auch stets einen Blick hinter die Kulissen, also Filmmaterial zur Entstehungsgeschichte der Panoramen und zur aktuellen Ausstellung. Ohnehin lohnt es sich sehr, dem bedächtigen und zugleich leidenschaftlichen Künstler sein Ohr zu leihen. Ein ruhender Pol in der Hast der Zeit. Ein Künstler, der Erlebnisse schafft, die zusammen führen.
Das Panometer Leipzig – ein Versprechen auf die Zukunft!
Ab dem Frühjahr 2022 blickt das Asisi-Panometer wieder auf die ganz großen Ereignisse der Welt – mit New York 9/11 wird der Augenblick einen Atemzug vor der Katastrophe (so bewirbt es das Panometer) dargestellt. Ein ruhiges und zugleich pulsierendes New York, unmittelbar bevor der Terroranschlag vom September 2001 die Welt auf den Kopf stellen sollte. Ein letztes Innehalten in diesem mit Krisen übervollen Jahrhundert. Lassen Sie sich nicht entmutigen, sondern ermutigen zu einer Reise nach Leipzig, zu den faszinierenden Welten von Yadegar Asisi.
Hinweise
Die 45minütigen Führungen sind in der Regel auf 20 Personen begrenzt; davon abweichend werden sie aufgrund der Covid-19 Pandemie aktuell nur in 10er Gruppen angeboten. Es lohnt sich also, sich vorher nach den aktuellen Bestimmungen zu erkundigen.
Ein Kilometer Luftlinie nach Osten liegt das Völkerschlachtdenkmal. Auch dort gibt es einen großen Parkplatz, an dem Reisebusse stehen können. Hier finden Sie das griechische Restaurant und Café Pellorus. Warme Küche gibt es dort i.d.R. bis 21.30 Uhr. Auch große Gruppen möglich. Kontakt: 034186327869
Wenn Sie sich einen Kilometer nach Westen orientieren, treffen Sie auf die Karl-Liebknecht-Straße. Auf dieser bekannten Flaniermeile in der Leipziger Südvorstadt finden sie ebenfalls zahlreiche gastronomische Angebote, vom Schnellimbiss bis zum asiatischen Restaurant.
Lesenswert
Zu empfehlen ist der Ausstellungskatalog zu Carolas Garten – Eine Rückkehr ins Paradies.
Es gibt sogar eine Gesamtwerkschau zu allen Asisi-Panoramen, die von 2003 bis 2018 umgesetzt wurden, in einer gebundenen Ausgabe. Nicht ganz günstig, aber einen intensiveren Einstieg oder vertiefendere Nachbereitung gibt es wohl kaum: , Panoramen von 2003 bis 2018, herausgegeben von der asisi F&E GmbH und über den Buchhandel bestellbar.
Außerdem lohnt es sich, im Internet mal nach der spannenden Geschichte der Panoramen vom 18.Jahrhundert bis heute zu recherchieren.