Neuruppin hat viel zu bieten – vom erfrischenden Baden gehen im Ruppiner See und an Spaziergängen um das Gewässer herum oder einen Besuch des Wahrzeichens der Stadt in der Dominikaner-Klosterkirche, die eine der ältesten Backstein-Saalbauten der Mark ist. Eine Turmbesteigung des östlichen, neugotischen Kirchturms bietet einen fantastischen Ausblick auf die alt- und neubebauten Quartiere der Universitäts- und Fontanestadt sowie darüber hinaus bis weit ins Ruppiner Land hinein.
Am Ufer des Ruppiner Sees, an der Ostseite der Altstadt gelegen, erhebt sich, nach Aussage unseres bekannten märkischen Chronisten Theodor Fontane, “das einzige Gebäude von Bedeutung (…), das bei dem (…) großen Brande [Sonntag, den 26.8.1787] ,verschont blieb“1. Fontane schrieb hier über die einstige Dominikaner-Klosterkirche Sankt Trinitatis, die ‚Dreifaltigkeit’, die mit ihrem markanten neugotischen und 2012 gründlich renoviertem Turmpaar nicht nur das bedeutendste Wahrzeichen sondern auch die größte Kirche der Universitätsstadt Neuruppin ist. Eindrucksvoll wird die frühere Klosterkirche ‚Dreifaltigkeit’ von einer mit stattlichen Bäumen bepflanzten Grünfläche umrahmt. Sie erinnert uns heutige Besucher daran, dass 1841 nach noch existierenden Plänen des königlich-preußischen Gartenbaudirektors Peter Joseph Lenné hier ein parkähnliches Terrain kreiert werden sollte. Wenngleich mit der Anlage des Parks zügig begonnen worden war, wurde er jedoch niemals in Gänze vollendet. Dennoch ist die ruhige Gesamtlage, mit der aus roten Backsteinen erbauten Dominikanerkirche am Ruppiner Seeufer als schön zu bezeichnen. Zumindest auf seiner stadtabgewandten Seite kommen unermüdliche Spaziergänger leicht am Ufer entlang. Ebenso gut ist es möglich, an einigen Stellen zu baden. Obwohl es aufgrund der zahllosen privaten Grundstücke nicht immer praktisch realisierbar ist, überall an geeignete Uferstellen heranzukommen, die direkt ins Wasser führen, um problemlos Schwimmen gehen zu können.
Zwei Turmsilhouetten der Klosterkirche – markante Wahrzeichen Neuruppins
Das schlichte, ursprünglich turmlose Äußere der Dominikaner-Stiftskirche wurde 1904-07 durch ein heute noch 63 Meter hohes, neugotisches Turmpaar nach dem kühnen Entwurf des Berliner Architekten und preußischen Baubeamten Ludwig Dihm monumentalisiert. Im westlichen ‚Campanile’ befindet sich der Glockenstuhl mit drei voluminösen Glocken. Der zum Ruppiner See zeigende östliche Kirchturm dient heute als Aussichtsturm, auf den schwindelfreie Ausflügler im Verlauf einer unterhaltsamen Nachtwanderung mit einem als ‚Dominikanerpater Wichmann’ fungierenden Touristenführer hinaufklettern können. Das historisch nachweisbare Brüderpaar Wichmann und Gebhard, aus der hochadeligen Familie der Grafen von Arnstein, hatte unsere St. Trinitatis-Kirche zusammen mit dem dazu gehörigen Dominikanerkloster im Jahr 1246 gestiftet.
Ferner stand Bruder Wichmann als erster Prior, als ‚Dominikanerbischof’, dem Neuruppiner Kloster vor. Von seinem ereignisreichen Leben werden wir in einem weiteren Artikel ausführlicher lesen.
Klosterkirche St. Trinitatis, einer der ältesten Backstein-Saalbauten in der Mark
Vor uns haben wir eine frühgotische Backstein-Hallenkirche, deren geometrisches Kreuzrippengewölbe auf Rundpfeilern steht. Historisches Blattwerk schmückt den oberen Abschluss der Säulen, die Kapitelle, und die Schlusssteine der gotischen Gewölbe. Die Kirche weist im Inneren einen langgestreckten Chor auf, den sogenannten Altarraum, der in der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts in mehreren Bauphasen errichtet worden war. Der zunächst einschiffige Chorraum, in dem sich der Hochaltar und das Chorgestühl für die Mönche befinden, wurde um 1270 zu einem gestreckten Chor umgebaut und durch ein größeres Langhaus erweitert. Das ausgedehnte Langhaus bildet den Hauptteil des Gotteshauses. Es hat die Bauform einer Halle und diente der mittelalterlichen Laiengemeinde, den einfachen Neuruppiner Bürgern, als einen entfernt von den gesegneten Mönchen getrennten Andachtsort. Ebenso zeigt sich an der räumlichen Distanzierung der zwei Kirchenbereiche auch die gesellschaftliche Komplexität der mittelalterlichen Neuruppiner Gemeinde, in sakrosankte Dominikanerbrüder einerseits und in die übrige Stadtbevölkerung andererseits wobei beide Gruppen separat im Gebet versunken sind.
Stattliche 62,5 Meter (!) misst der mit einfachen roten Ziegeln gebaute und mit einer weißen Gewölbedecke versehene Innenraum der Kirche, wobei der eigentliche Altarraum, der Chor, ungefähr die Hälfte der Länge ausmacht. Schließlich wurde das Gotteshaus von den Dominikanern um das Jahr 1300 durch die Anfügung eines mehrseitigen Chorabschlusses, eines sogenannten Chorpolygons, vollendet und architektonisch verbessert. Die nun größeren Kirchenfenster reichen beinahe bis in die Nähe des Bodens hinab und ermöglichen dadurch, dass helleres Licht in den gesamten Altarraum scheint, über das wir uns heute ebenfalls freuen. Darüber hinaus ist es interessant zu wissen, dass die Dominikanerkirche St. Trinitatis mit zu den ältesten Backstein-Saalbauten in der Mark gehört, deren architektonische Konzeption und klassisch-gotische Formen sich an weit entfernt liegenden hessisch-westfälischen Vorbildern orientieren.
Das Neuruppiner Kloster – erste Abtei des Dominikanerordens in der Mark Brandenburg
Es ist von historischer Bedeutung, dass das Neuruppiner Kloster die erste Abtei der Dominikaner, des vom Heiligen Dominikus von Caleruega in Altkastilien 1214 gegründeten Ordens der katholischen Kirche, auf dem Gebiet der Mark Brandenburg war. Der von Papst Honorius III. 1216 neu bestätigte Ordensverband breitete sich rasch aufgrund der anhaltenden Unterstützung des Heiligen Stuhls in ganz Europa aus. Dominikaner waren in der katholischen Kirche der erste mittelalterliche Bettelorden, der das seelsorgerische Bedürfnis der Menschen mit einem neuen Armutsgedanken verband.
Im deutschen Sprachraum werden Dominikaner auch ‚Predigerorden’ genannt, neben dem es Franziskaner, den ‚Orden der Minderen Brüder’, gibt, der gleichfalls zu den Bettelorden gehört. In den folgenden Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts wurden in schneller Abfolge weitere Dominikanerabteien gegründet, die sich dem barmherzigen Dienst der städtischen Seelsorge verpflichtet fühlten. Dazu gehörten Strausberg (1254), Seehausen (1255), Prenzlau (1275), Soldin (1275), Brandenburg an der Havel (1287) und, wenngleich ein wenig verspätet, das Dominikanerkloster auf dem späteren Schlossplatz in Cölln-Berlin (1297), in der zur damaligen Zeit noch getrennt existierenden Doppel- oder auch ‚Zwillingsstadt’ an der Spree.
Apropos: interessierte Berlin-Besucher können allerdings die gesicherte Ruine der ehemaligen Franziskaner-Klosterkirche besichtigen. Sie befindet sich unweit des denkmalgeschützten U-Bahnhofs ‚Klosterstraße’ der Linie U2, in Richtung Alexanderplatz. Die gotische Klosterkirche liegt unweit der um 1250 erbauten und heute bis auf einige wenige Relikte zusammen geschrumpften mittelalterlichen Stadtmauer Berlins, in der Littenstraße im Bezirk Mitte. Zudem ist die beachtenswerte Klosterruine bereits von weitem, aufgrund ihrer markanten Größe im dortigen Kiezbild nicht zu übersehen.
Bruder Wichmann und seine Dominikaner im mittelalterlichen Neuruppin
Kommen wir zu Wichmann von Arnstein, dem ersten Prior, im Rang eines Bischof, des Dominikanerklosters und seinen Mitbrüdern in Neuruppin zurück. Die Markgrafen von Brandenburg aus dem Haus der Askanier hatten den Dominikanern eine Gründungserlaubnis in der Stadt am Ruppiner See erteilt, damit jene den weiteren Ausbau und die Konsolidierung der markgräflichen Landesherrschaft in der gesamten Region begleiten und unterstützen sollten. Darüber hinaus hatte der Altarraum der Stiftskirche St. Trinitatis als exquisiter Begräbnisplatz, als Grablege der Grafen von Lindow-Ruppin gedient, zu deren kleiner Herrschaft die Orte Neu- und Altruppin sowie Rheinsberg und Lindow gehörten. Außerdem standen die Dominikaner den wohlgeborenen Herren als Seelsorger und Beichtväter zur Seite, gaben kirchenpolitischen Rat und erzogen den gräflichen Nachwuchs.
Wer sich mit der Lage der Dominikanerklöster näher beschäftigt, dem kann es nicht entgehen, dass fast alle Abteien der Bettelorden im Inneren der ummauerten Städte liegen und häufig in Sichtweite der örtlichen Stadtmauer platziert sind, so auch in Neuruppin und in Berlin. Meistens erfolgte die Konstruktion der Klöster am ungemütlichen Stadtrand aus einfachen Kostengründen, da freies Bauland im Zentrum der Gemeinden zu teuer war und nicht dem Armutsideal der Bettelorden entsprochen hätte. Folglich waren Dominikaner und Franziskaner, beispielsweise bei der Versorgung von Lebensmitteln, vollständig auf die permanente Versorgung der sie umgebenen Stadtbewohner Neuruppins, Brandenburgs oder Berlins angewiesen.
Mit dieser ‚weltlich’ anmutenden Lebensweise standen die Bettelorden den Zisterziensern konträr gegenüber, die ihrem Ideal entsprechend weit von den ‚Sünden’ und den ‚Lastern’ der Städte entfernt Zuflucht in der menschenleeren Einöde suchten, in der sie ihre Abteien erbauten. Damit setzten Zisterzienser, denen es nicht erlaubt war, ihr Kloster zu verlassen, auf ihre autarke Selbstversorgung. Ihre auf den Feldern der Klöster geernteten Getreideüberschüsse ließen sie an städtischen Markttagen durch ihre Laienbrüder, den Konversen, veräußern, die auch als Kaufleute die mit Getreide und sonstigen Waren angefüllten Stadthäuser der Zisterzienserklöster verwalteten.
Neuruppiner und Berliner Dominikanermönche lebten hingegen ausschließlich von den materiellen Wohltaten und Donationen der städtischen Bevölkerungen inmitten ihrer schmucklosen Stadtklöster. Zum Ausgleich für ihre wirtschaftliche Versorgung haben sich die scharfsinnigen Dominikaner Brüder um die seelsorgerischen Anliegen der Städter gekümmert.
Dominikaner im Dienste der Inquisition – aber auch intellektuelle Geistesgrößen
Seit 1232 waren aufmerksame Dominikaner im päpstlichen Auftrag in der gefürchteten Inquisition tätig. Einerseits stärkte dieser praktische Dienst ihren kirchlichen Einfluss, andererseits belastete er aber ihr äußeres Ansehen nicht nur unter den Neuruppinern und Berlinern erheblich. Es verwundert uns daher nicht, dass die Dominikaner aufgrund ihrer eifrigen Tätigkeit im Dienste der Inquisition mit dem bösen Wortspiel: ‚Domini canes’, ‚(Spür-)Hunde des Herrn’, von den jeweiligen Städtern bezeichnet wurden. Gleichermaßen kritisch nannte die Bevölkerung im mittelalterlichen England die Dominikaner, ‚Schwarze Brüder’, ‚Black Friars’, weil jene auf ihren Wanderungen durch das grüne Inselland schwarze Kutten mit Kapuzen über ihrer weißen, wollenen Tunika, ursprünglich ein antikes Kleidungsstück, trugen.
Auf der anderen Seite der Medaille erbrachten intellektuelle Geistesgrößen des Predigerordens, wie der in der großartigen Erfurter Predigerkirche des späten 13. Jahrhunderts lebende Mystiker Meister Eckhart, auf dem Gebiet der Philosophie und der theologischen Wissenschaft bedeutende Leistungen. Nachhaltig hatten sie das abendländische Denken für kommende Jahrhunderte beeinflusst und mitgeprägt. Daneben spiegelte die zur damaligen Zeit ‚moderne’ Verfassung der Dominikaner die genossenschaftliche Selbstverwaltung mittelalterlicher Städte und der im Entstehen begriffenen Universitäten wieder.
Das Ende des Neuruppiner Dominikanerklosters in Folge der Reformation
Im Jahr 1517 verlor das Dominikaner-Kloster im Zuge der Reformation seine Funktion und wurde gleichgültig abgerissen. In diesem Zusammenhang weist unser allseits informierter Historiograph Fontane in seinem Buchkapitel ‚Neu-Ruppin’ darauf hin, dass in der Klosterkirche eine Inschrift aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts angebracht ist, in der die formale Übereignung des Gotteshauses seitens des brandenburgischen Kurfürsten Joachim II. Hector an die Stadt Neuruppin ausgesprochen wird.
Ähnliche im Lapidarstil formulierte Notizen, gesellen sich zur eben genannten Inschrift hinzu, so dass sie „den Eindruck äußerster Kahlheit und Öde“2 verringern, wie Fontane es ausdrückte, woran die sonst sehr hübsche St. Trinitatis-Kirche leidet. Die sorgfältige Restaurierung von antiquierten Inschriften dürfte die mitunter nüchterne Atmosphäre, auch in vergleichbaren Bauwerken aus jener Epoche, für uns heutige Besucher in jedem Fall positiv beleben.
Fontane überliefert uns Historisches – ‚Maus und Ratte’ in der Klosterkirche
Fontane überliefert uns ferner eine amüsante Geschichte über den schmucklosen Innenraum der St. Trinitatis-Kirche. Jener war trotz sämtlicher Inschriften immer noch kahl genug geblieben, um sich an ‚Maus und Ratte’ zu erfreuen, die ein gewissenhafter Maler bei seinem Deckenanstrich in einer halb legendären „Tradition“ an das Gewölbe gemalt hatte. Diese „Tradition“ ist nach Auskunft unseres Neuruppiner Gewährsmannes folgende: „Wenige Tage, nachdem die Kirche, 1564, dem lutherischen Gottesdienst übergeben worden war, schritten zwei befreundete Geistliche, von denen einer noch zum Kloster hielt, durch das Mittelschiff und disputierten über die Frage des Tages. „,Eher wird eine Maus eine Ratte hier über die Wölbung jagen“’, rief der Dominikaner, „,als dass diese Kirche lutherisch bleibt.“’ Dem Lutheraner wurde jede Antwort hierauf erspart; er zeigte nur an die Decke, wo sich das Wunder eben vollzog.“3
Immer wieder hilft Baumeister Schinkel aus – die St. Trinitatis-Kirche im 19. Jahrhundert
Im den Jahren 1806-13, zur Zeit der napoleonischen Fremdherrschaft in Preußen, wurde das gotische Gotteshaus wiederholt durch feindliche Truppen der Grande Nation entweiht. Ab 1807 betrieben französische Besatzer in der ehemaligen Dominikaner-Klosterkirche zunächst ein Feldlazarett, anschließend ein Mehllager und zu ‚guter’ Letzt eine eigene Bäckerei à la française. Während des fortlaufenden Kriegs verfiel die würdevolle Kirche dermaßen, so dass sie über 30 Jahre lang nicht mehr für den öffentlichen Gottesdienst zu gebrauchen war. Durch eine königliche Order Friedrich Wilhelms III. von Preussen wurde die St. Trinitatis-Kirche ab 1834 nach wohldurchdachten Plänen des Neuruppiner Baumeisters und talentiertem Sohn der Stadt, Karl Friedrich Schinkel, umfangreich restauriert sowie in Gegenwart des königlichen Nachfolgers Friedrich Wilhelms IV. am 16. Mai 1841 wieder eingeweiht. Nach den vielen Zahlen, Fakten und Geschichten bringt uns unser ‚magischer’ Reisebus wieder schnell in die heutige Zeit zurück.
Literatur
1-3Zit. Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Bd. 1, Die Grafschaft Ruppin. Hg. von Christfried Coler, Berlin 1960. Kapitel: Neu-Ruppin. Die Klosterkirche, Seiten 65, 66 & 67
Kampe, Johann Friedrich Christian: Ältere Geschichte der Herrschaft Ruppin und der Stadt Neuruppin, bearbeitet und kommentiert von André Stellmacher. Potsdam 2018
Müller, Hans: Dome ∙ Kirchen ∙ Klöster – Kunstwerke aus zehn Jahrhunderten, ein Tourist-Führer. Berlin/Leipzig 21986. S. 177f. Zur Dominikaner-Klosterkirche St. Trinitatis in Neuruppin