Wer sind Peter und Paul? Was hat Jesus damit zu tun? Und was der Dreißigjährige Krieg? Ein Stadtspaziergang durch Delitzsch bietet Barockschlösser, protestantische Kirchen und Wachtürme aus dem Mittelalter!
Peter und Paul hängen einem die Kirschen ins Maul. Wer diesen Spruch noch nicht gehört hat, der ist vielleicht nach unserem heutigen Besuch im sächsischen Delitzsch schlauer. Die Redewendung bezieht sich darauf, dass Ende Juni die Süßkirschen reif sind. Und wem nicht so geläufig ist, was es denn im Sommer mit Peter und Paul zu feiern gibt, der sei daran erinnert, dass teilweise bis ins 19. Jahrhundert hinein der 29. Juni ein Feiertag war. An diesem Tag wurde der Apostel gedacht, auf denen die christliche Kirche ruht. Mit ihrem vollen Apostelnamen heißen die beiden übrigens Petrus und Paulus. Nach Petrus wurde der Petersdom im Vatikan benannt. Petrus hat zwar Jesus Christus an seinem letzten Tag drei Mal verleugnet, wie es ihm vom Gottessohn vorhergesagt wurde, aber er ist auch der erste Zeuge der Auferstehung. Paulus, der als eifriger Missionar für das Christentum eintrat, war zunächst als Saulus gegen die frühen Christen vorgegangen. Nach seiner Wandlung zum Paulus wurde er zum glühenden Anhänger, Verfechter und Verbreiter des Christentums. Einem Märtyrertod in Rom unter Kaiser Nero sollte er ebenso wenig entkommen wie Petrus.
Die Architektur von Peter und Paul
Es scheint also offenkundig: Petrus und Paulus haben die Religionsgeschichte bedeutend geprägt und entsprechend sind unzählige Kirchen nach den beiden Aposteln benannt. Im sächsischen Delitzsch ist es die protestantische Stadtkirche aus dem 15. Jahrhundert, die den Namen Peter und Paul trägt. Gebaut wurde sie auf den Resten eines Turmes aus dem 13. Jahrhundert. Die gotische Kathedrale mit ihren architektonisch sehr passenden, die beiden Apostel symbolisierenden zwei Türmen wirkt wuchtig und gedrungen. Ihre massive Erscheinung verdankt sie in erster Linie den dunklen Backsteinen, aus denen sie errichtet ist. Auch horizontal verlaufende Linien zur Gliederung des Gebäudes verleihen Peter und Paul eine Schwere, die von den schwarz gedeckten Kirchturmdächern noch unterstützt wird. Die Lage mitten im Zentrum der Altstadt der etwa 25.000 Einwohner fassenden Gemeinde Delitzsch unterstreicht noch ihre Bedeutung.
Wie Peter und Paul Delitzsch vor der Zerstörung retteten
Peter und Paul liegt fast am Marktplatz. Und dieser wiederum nahm erste Gestalt bereits im 14. Jahrhundert an. Jahrhunderte alt sind auch viele Häuser und die Kopfsteinpflaster in Delitzsch. Ein Umstand, welcher der Tatsache geschuldet ist, dass die Stadt im 30-jährigen Krieg von 1618 bis 1648 fast unversehrt geblieben ist. Die Katholiken, verkörpert durch die Habsburger in Österreich und durch Spanien kämpften gegen die Protestanten aus Schweden, Frankreich und den Niederlanden. Ein sehr komplexer Krieg auf europäischem Boden. Jedenfalls wurde Delitzsch der Legende nach vor Zerstörung verschont, weil in einem der in die Stadtmauer eingefassten Wachtürme die Tochter des Türmers aus Langeweile das Trompetenspiel erlernt hatte. Als sie die angreifenden Truppen in der Ferne auf ihren Pferden erblickte, gab sie Signal. Die Stadt sammelte sich zur Verteidigung und der vermeintliche Überraschungsangriff lief ins Leere und wurde abgeblasen – vermutlich auch mit einer Trompete, Blasinstrumente waren damals beim Militär stark in Mode.
Das Stadtfest Peter und Paul
Warum sind Peter und Paul in Delitzsch eigentlich so ein großes Ding, werden Sie sich bei einem Spaziergang durch die Altstadt vielleicht fragen. Das hat damit zu tun, dass Gedenkfeiern für die Apostel und Märtyrer Petrus und Paulus schon auf das 4. Jahrhundert zurückgehen. Im 14. Jahrhundert, so ist es für Delitzsch gesichert, gab es bereits einen Jahrmarkt mit dem Namen Peter und Paul. Daraus entwickelte sich letztlich das heutige historische Stadtfest Peter und Paul, welches immer am ersten Wochenende nach dem 29. Juni stattfindet. Dabei gibt es Gaukler, Feuerschlucker, Kostüme und nachgestellte Schlachten aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Eine besondere Wirkung entfaltet das Stadtfest aufgrund der so zahlreichen wirklich alten Gebäude. Es gibt ein Scharfrichterhaus, ein Ritterhaus und auch die im 14. Jahrhundert erbauten backsteinernen Wachtürme Hallescher Turm und Breiter Turm stehen noch. Beide Türme sind fast 50 Meter hoch, weithin sichtbar und verleihen der Stadt ein Aussehen, das andernorts Mittelalterkulisse genannt würde; aber hier in Delitzsch gibt es keine Kulissen – die Steine und die Vergangenheit sind echt. Wenn Sie mögen, tauchen Sie ein in die Stadtgeschichte. Wir haben im Folgenden auch eine Empfehlung für Sie, wo Sie sich noch intensiver mit der aufregenden und abwechslungsreichen Vergangenheit von Delitzsch auseinandersetzen können.
Barockschloss, Tiergarten und sozialistische Architektur in Delitzsch
Das barocke Schloss in Delitzsch wurde im späten 14. Jahrhundert errichtet und im 17. Jahrhundert barockisiert und erweitert. Der Schlossgarten ist so wie er heute anzuschauen und barrierefrei zu durchwandeln ist nach originalen Bauplänen aus dem 17. Jahrhundert rekonstruiert worden. Das wurde erst vor etwas über zehn Jahren umgesetzt; zuvor war kein Geld und kein Wille da. Zu DDR-Zeiten sah alles noch viel dramatischer aus. Da wäre der gesamte Ort beinahe nach und nach abgerissen worden. Gigantische Tagebauen bis an den Stadtrand des etwa 30 Kilometer entfernten Leipzig waren geplant. 1993 wurden die Pläne endgültig verworfen, die Flutungen und Renaturierungen wie im Leipziger Seenland wurden in Angriff genommen. Und so gibt es heute ähnlich wie in Leipzig eine größere Anzahl künstlich entstandener Seen rund um Delitzsch. Der Tiergarten in Delitzsch (etwa ein Kilometer nordwestlich des Barockschlosses) stammt noch aus der Zeit, als der Zukunftsentwurf für Delitzsch ganz anders aussah – sozialistische Architektur stand auf der Agenda des Staates im Jahr 1968. Wem der Weg dorthin zu lang erscheint, der hat vielleicht Lust, es sich im Restaurant Zur Schlosswache am Rande des barocken Gartens gut gehen zu lassen. Es gibt einen großen Freisitz und drinnen geht es durchaus vornehm zu. Genießen und beschließen Sie doch Ihren Tagesausflug nach Delitzsch bei Zanderfilet und Rinderroulade mit Rotkohl und Klößen. Im Frühling wird selbstverständlich auch Spargel aus der Region serviert. Alternativ können Sie als Gruppe auch an einem richtig deftigen Ritteressen teilnehmen; mit Wachteln, Wildschweinen und Forellen. Für die genauere Planung kontaktieren Sie die Schlosswache – auch Gauklerprogrammeinlagen und Musik können auf Wunsch organisiert werden!
Hinweise
Am Rande der Altstadt finden Sie die Möglichkeit, mit dem Reisebus zu parken. Die Wege zwischen Peter und Paul, dem Halleschen Turm, dem Breiten Turm und dem Barockschloss sind alle gut zu Fuß zu bewältigen.
Peter und Paul finden Sie, wenn sie vom Breiten Turm am östlichen Ende der Altstadt die Breite Straße 200 Meter nach Westen laufen – Sie gehen direkt auf die Kirche zu. Die Altstadt selbst ist von einem Wassergraben umgeben.
Das Restaurant Zur Schlosswache finden Sie in der Schlossstraße 28 in 04509 Delitzsch. Für Reservierungen nehmen Sie bitte über die Rufnummer 034202-35500 oder über die E-Mail-Adresse info@schlosswache-delitzsch.de Kontakt auf.
Unmittelbar neben dem Restaurant finden Sie auch die Barockkirche selbst; die Postadresse unterscheidet sich nur in der Hausnummer: Schlossstraße 31, 04509 Delitzsch
Lesenswert
Die Briefe des Apostel Paulus im Neuen Testament. Oder vielleicht ein Buch über mittelalterliche Stadtentwicklung wie Hinter festen Mauern von Bernd Fuhrmann aus dem Jahr 2014. Hier geht es zwar in erster Linie um große europäische Städte und nicht um die sächsische Kleinstadt Delitzsch, doch die reiche Bebilderung macht einiges her und wir lernen einiges über Stadtmauern, Türme und Wassergräben.