Nachdem wir das ansehenswerte Renaissance-Rathaus in Niemegk besucht haben, wollen wir auch die kursächsische Postmeilensäule der märkischen Landstadt in Augenschein nehmen.
Unser Buskompass-Autor berichtet von Pfarrer Zürners geometrischem Messwagen, mit dem er die einzelnen Entfernungen entlang der kursächsischen Straßen genau vermessen konnte.
Wie wir bereits lesen konnten, steht im brandenburgischen Thermal-Soleheilbad Bad Belzig inmitten des entzückenden Naturparks Hoher Fläming eine kursächsische Postmeilensäule.
Gut 10 Kilometer oder eine Viertelstunde mit dem Reisebus entfernt, befindet sich das märkische Landstädtchen Niemegk, in dem sich ebenfalls eine im Jahr 1725 aufgestellte Distanzsäule befindet. Beide sächsischen Landstädte waren in der Folge des Wiener Kongresses im Jahr 1815 zur Provinz Brandenburg im Königreich Preußen gekommen. Im folgenden Essay wollen wir uns mit dem in Marieney geborenen evangelischen Pfarrer und versierten Kartografen Adam Friedrich Zürner befassen, der maßgeblich mit zur Errichtung der kursächsischen Postmeilensäulen beigetragen hat.
Pfarrer Zürner vermisst im Auftrag August des Starken Kursachsen neu
Im Jahr 1713 hatte der regierende Kurfürst Friedrich August I. von Sachsen – den wir besser unter dem Namen August den Starken kennen – den aus dem sächsischen Vogtland stammenden Pfarrer Adam Friedrich Zürner mit der exakten Neuvermessung sämtlicher kursächsischer Straßen beauftragt. Der sich lieber mit darstellender Geometrie und Feldmesskunst als mit Theologie und Seelsorge beschäftigende Zürner sollte auf Geheiß seines Landesherren, des Kurfürsten, eine Post-Karte anfertigen, um Aemter samt denen darinnen befindlichen Herrschaften, Rittergütern, Städten, Dörfern und dergleichen mehr in mappas geographicas [zu] bringen. Wenngleich es damals bereits Karten mit aufgezeichneten Entfernungsangaben gab, waren jene ungenau, weshalb Zürner sie neu vermessen musste.
Zürner konstruiert sich seinen geometrischen Messwagen selbst
Da Zürner einige praktische Geschicklichkeit im Umgang mit den mechanischen Künsten besaß, konstruierte er sich zunächst eine bequeme Reisekutsche, seinen geometrischen Messwagen, der ein eingebautes Uhrwerk enthielt. Mittels des Hinterrads wurde über ein Schneckengetriebe ein Zählwerk angetrieben, auf dessen Zifferblatt die Länge des absolvierten Weges abgelesen werden konnte. Zusätzlich zu dieser Methode gab es noch ein so genanntes Einzelrad, das mit Hilfe der Umdrehung des Rades ebenfalls die Entfernungen messen konnte. Beide Methoden ermöglichten es Zürner eine penible Vermessung der sächsischen Poststraßen vorzunehmen. Außerdem wurden im Jahr 1722 auch die Maßeinheit für die Entfernungen zur Kursächsischen Postmeile vereinheitlicht, wobei eine Meile gleich 9,062 Kilometer entsprach.
Pfarrer Zürner umrundet drei Mal die Welt
Es war Zürner nunmehr möglich, mit seinem geometrischen Messwagen in den Jahren von 1712 bis 1732 sämtliche Straßen Sachsens zu vermessen. Während jener Zeit legte er nicht nur eine Strecke von 18.000 Meilen zurück, sondern er konnte sich zugleich rühmen, mehr als drei Mal um die Erde gefahren zu sein. Da der amtierende Pfarrer von Skassa bei Großenhain auf seinen Reisen die Missstände der sächsischen Landstraßen im Detail kennen gelernt hatte, war er in der Lage, seinem modernisierungsfreudigen Landesherren einige nützliche Vorschläge für deren praktische Verbesserung zu unterbreiten.
Immer der Ärger mit den lieben Talern
Des Weiteren konnte Zürner als Kurfürstlich Sächsischer und Königlich Polnischer Geograf es bei August dem Starken durchsetzen, dass ab dem Jahr 1722 an sämtlichen Poststraßen nicht nur Viertelmeilensteine, Halb- und Stundensäulen aufgestellt wurden, sondern dass auch schattenspendende Bäume angepflanzt worden sind. Darüber hinaus wies der sächsische Kurfürst an, dass an jedem Stadttor eine steinerne Distanzsäule mit fortlaufenden Nummern aufgestellt werden sollte. Allerdings mussten für deren kostspielige Errichtung die Untertanen der einzelnen Städte und Gemeinden selbst aufkommen. Da sich zahlreiche Kämmerer weigerten, der kurfürstlichen Order Folge zu leisten und auf ihre notorisch klammen Kommunalkassen verweisen konnten, wurden aber in einigen Orten statt der anvisierten Distanzsäulen vor jedem Tor nur eine auf dem Marktplatz der Stadt aufgestellt.
Insgesamt war auf diese Weise ein für die damalige Zeit außergewöhnlich genaues Vermessungssystem entstanden. Es zeichnete sich durch die hohe Präzision der Entfernungsangaben, seine landesweite Umsetzung und durch die prunkvolle Säulengestaltung als eine kursächsische Meisterleistung des 18. Jahrhunderts aus.
Hinweis
Kursächsische Postmeilensäule · Ecke Großstraße, Wittenberger Straße, Straße der Jugend und Lindenstraße ∙ 14823 Niemegk· Landkreis Potsdam-Mittelmark
Die kursächsische Postmeilensäule steht auf einem kleinen Platz und ist jederzeit, auch barrierefrei, ereichbar. Direkt gegenüber des imposanten Baudenkmals befindet sich das Hotel & Restaurant Zum Alten Brauhaus, in dem bei Bedarf eingekehrt werden kann.
Regeneration & Übernachtung
Hotel & Restaurant Zum Alten Brauhaus ∙ Lindenstraße 1 ∙ 14823 Niemegk
Restaurant Öffnungszeiten: Mo – Fr: ab 17:00 Uhr
Samstag & Sonntag: 11:30-14:00 Uhr
Telefon: 03 38 43 / 50 900
Lesenswert
Beierlein, Paul Reinhard & Erhard Taubert: Aus Leben und Werk Adam Friedrich Zürners. Plauen, 1972