Wir besuchen die am Belziger Hagelberg befindlichen Denkmäler, die an die dortige Landwehrschlacht während der von 1813 bis 1815 erfolgten Befreiungskriege gegen die napoleonische Fremdherrschaft erinnern.
Unser Autor berichtet über das sogenannte Kolbengefecht, das sich wenige Wochen vor der schicksalsweisenden Leipziger Völkerschlacht ereignete und über die Männer, die in den Landwehreinheiten dienten.
Auf Anraten seiner Generäle und Militärreformer Gneisenau, Scharnhorst und Clausewitz hatte König Friedrich Wilhelm III. jenen zugestimmt, am 17. März 1813 eine preußische Landwehr ins Leben zu rufen. In der Landwehr sollten 17- bis 40-jährige Männer ohne Rücksicht auf ihren Stand Dienst tun können, die zum stehenden Heer nicht eingezogen worden waren. Im Unterschied zum stehenden Heer konnten in der Landwehr auch gebildete bürgerliche Kriegsschüler ein begehrtes Offizierspatent erhalten. Folglich waren die Landwehroffiziere jenen des stehenden Heeres theoretisch gleichgestellt. Es waren reife Bürger, Bauern und Handwerker, die es eher verstanden, Werkzeuge oder einen Pflug zu führen, als den Kuhfuß zu bedienen, wie der Vorderlader pejorativ genannt wurde. Weil in der Landwehr auf den ersten Blick nicht die erste Blüte Preußens in den Kampf zog, schien auch der militärische Wert jener Einheiten geringer zu sein. Ein weiteres Problem bildete die militärische Ausbildung der Landwehrleute, da viele Männer bislang kaum eine Waffe in der Hand gehalten hatten. Ebenso ließ die Qualität der Waffen zu wünschen übrig. Im Jahr 1813 standen für die gesamte Landwehr beinahe durchgängig alte Flinten und nur 55.000 brauchbare Gewehre zur Verfügung.
Erst peu à peu konnten eingekaufte englische, ausgediente österreichische und erbeutete französische Feuerwaffen an die Männer in den einzelnen Landwehreinheiten verteilt werden. In ihrem äußeren Erscheinungsbild glichen die Landwehrmänner weniger disziplinierten Soldaten als langbärtigen Räubern, wie sie den kampferfahrenen napoleonischen Truppen entgegenzogen. Indessen marschierten die couragierten Landwehreinheiten mit einem fröhlichen Lied auf den Lippen oder mit einem kräftigen russischen Ура, Hurra, das sie sich von den pfiffigen Kosaken abgeschaut hatten.
Dunkle Wolken ziehen sich über dem Belziger Hagelberg zusammen
Im Verlauf des 24. August 1813 wurde eine unter dem Kommando des preußischen Infanterie-Generals und Trägers des Ordens Pour le Merité Carl Friedrich von Hirschfeld operierende 11.500 Mann starke Landwehrdivision von Brandenburg an der Havel in Marsch gesetzt. General Hirschfelds Landwehrmänner gingen einem aus 9.000 Mann bestehendem und vom französischen Divisionsgeneral Jean-Baptiste Girard befehligtem Korps entgegen, das die bei Großbeeren vor den Berliner Stadttoren geschlagenen Truppen des Herzogs von Reggio, Marschall Oudinot, verstärken sollte. Unser Buskompass-Autor berichtete.
General Hirschfelds Landwehrdivision marschiert in Richtung Belzig
Hirschfeld erhielt mitten in der Nacht zum 27. August die Order, das beim märkischen Ziesar gesichtete französische Korps zu stellen. Seine Landwehrdivision marschierte deshalb in den äußersten Westen Brandenburgs. Weil die Preußen die dort vermuteten Franzosen aber nicht vorfanden, eilten sie in Richtung Belzig. Girards Männer biwakierten auf den bis zum Hagelberg verlaufenden Höhenzügen. Vom vorgeschobenen Vorwerk Steindorf aus konnte General Hirschfeld das französische Feldlager sehen. Mit Erstaunen erkannten die Preußen, dass die Franzosen ihr Augenmerk in Gänze auf Belzig gerichtet hatten. Folglich gelang es der Landwehrdivision unbemerkt in den Rücken des napoleonischen Korps zu gelangen. Hirschfeld beschloss darauf hin ad hoc die französischen Verschanzungen anzugreifen. Die um 1 Uhr am Mittag begonnene Truppenbewegung der Preußen konnte vom Feind unbemerkt durchgeführt werden. Allerdings kam im Verlauf des Marsches ein starker Sommerregen auf, der während des gesamten Nachmittags an Stärke zunahm. Nachdem die preußischen Landwehrbataillone aus dem sie schützenden Steindorfer Wald getreten waren, sichteten sie nördlich des Dorfes Lübnitz eine berittene Schwadron feindlicher Cavalerie-cuirassiers, die mit Hilfe des vordersten brandenburgischen Husarenregiments in die Flucht geschlagen werden sollte. Hingegen entwickelte es sich anders als gedacht. Kurz nachdem sich das erste Husarenregiment entfaltet hatte, folgten ihm die beiden anderen Kavallerieregimenter, die einige Momente später die gesamte Linie vor sich her trieb. Wenngleich die französischen Cavalerie-cuirassiers kopflos flohen, überritten sie partiell ihre eigene Infanterie. Trotzdem gelang es den beiden robust stehenden Bataillonen dem beherzten Anstürmen der Eskadrons der preußischen Landwehr zu widerstehen. In dieser Eile war es den atemlosen Reitern nicht mehr vergönnt, die französische Infanterie anzugreifen.
Drei preußische Landwehrbataillone werden von einer französischen Batterie beschossen
Der abseits der drei Landwehrbataillone wartende und ein starkes Detachement, ein autonomes Truppenkorps, kommandierende Oberstleutnant, der junge Fürst Reuß, hatte das spontane Vorpreschen der preußischen Kavallerie für den angekündigten Hauptangriff der gesamten Division gehalten. Aus diesem Grund rückte er mit seinen ungestümen Männern auf eine bei Steindorf gelegene Anhöhe vor. Nachdem seine Soldaten den Höhenzug erklommen hatten, wurden sie von einer südlich der Lübnitzer Mühle befindlichen Batterie der napoleonischen Divisionsartillerie beschossen. Sobald die erste Kanonenkugel die ersten Opfer in einem der drei Landwehrbataillone gefordert hatte, kehrte es um und war trotz aller vergeblichen Appelle seiner strengen Feldwebel zu keinem weiteren Vormarsch mehr zu ermuntern. Diesem Beispiel folgten die beiden anderen Bataillone, bis die kaiserliche Batterie ihren mörderischen Artilleriebeschuss eingestellt hatte.
Die preußischen Landwehrbataillone bringen sich in Stellung
In der Zwischenzeit hatten sich von der preußischen Hauptarmee eine drei Bataillone umfassende Avantgarde, die Vorhut, drei nachfolgende Formationen und die Artillerie gegen das befestigte Lager des französischen Generals Girard in Stellung gebracht. Im Detail mussten die Bataillone des linken Flügels gegen den sogenannten Belziger Busch und den unweit entfernt gelegenen Hüttenberg vorgehen, während der rechte Flügel das kleine Dorf Lübnitz befehden sollte. Während das weitere Vorrücken der Männer des linken Flügels durch eine tiefere Talsenke verlangsamt wurde, konnte der rechte Flügel nicht nur das inzwischen brennende Lübnitz einnehmen, sondern auch die decouragierten Franzosen in die Richtung des Hagelbergs zurückdrängen.
Major von Bornstedt wagt viel und verliert alles
Am Nachmittag gegen 16 Uhr waren drei Landwehrbataillone des rechten Flügels am Fuß des Triftbergs angelangt, zwei weitere standen vor dem Hagelberg und das Sechste hatte die daneben gelegene Höhe mit seiner bekrönenden Windmühle erklommen. Als sich das erste Bataillon bis auf 1000 Schritte der französischen Stellung genährt hatte, schlugen eine Reihe von Kugeln aus den Vier- und Achtpfünder-Kanonen der auf dem Triftberg formierten Geschütze des Kaisers der Franzosen in die Reihen des vordersten Landwehrbataillons ein. In der irrtümlichen Annahme des Kommandeurs des ersten Bataillons, Major von Bornstedt, dass ihm das Zweite und das Dritte folgen würden, entschloss er sich die auf dem Triftberg positionierte kaiserliche Batterie zu erobern. Als Bronstedts Männer den nahen Scheitelpunkt der Höhe bis auf 200 Schritt Entfernung bewältigt hatten, ließ der Major seine Leute nicht nur das Bajonett aufpflanzen, sondern auch mit einem lauten Hurra gegen die feindliche Batterie losstürmen. Allerdings wurde der mutige Angriff des ersten preußischen Landwehrbataillons durch das geübte Feuer der in losen Formationen operierenden napoleonischen Scharfschützen, der geachteten Chasseurs, der Jäger, oder auch Tirailleurs – der sogenannten Plänkler – der leichten Infanterie zum Halten gebracht. Schnell entwickelte sich ein stehendes Feuergefecht, bei dem das erste Landwehrbataillon unterlag und seinen ungeordneten Rückzug antreten musste, in dessen Eile es die übrigen Bataillone mit sich fortriss. Der erfahrene, die Chance des Augenblicks ergreifende Divisionsgeneral Girard ging stante pede zum Gegenangriff über, sodass das Dorf Klein Glien, der Hagelberg und die Lübnitzer Mühle wieder in die Hände des kaiserlichen Korps gelangten. Da die derangierten Linien der Preußen zwischen dem Belziger Busch und dem kleinen Birkenwäldchen zurückdrifteten, wurden auch die beiden dort als letzte Reserve verbliebenen Landwehrbataillone des rechten Flügels mit in den allgemeinen Sog hineingezogen.
Oberstleutnant Friedrich von der Markwitz rettet mit der Hilfe von zwei russischen Kosakenregimentern die Preußen aus einer prekären Lage
Just in diesem schicksalhaften Moment trafen drei vom Oberstleutnant Friedrich August Ludwig von der Marwitz geführte Bataillone vom linken Flügel an dem Ort des Geschehens ein.
In höchster Not gelang es seinen tapferen Männern, den französischen Vorstoß zum Stehen zu bringen. Im gleichen Augenblick rückten auf der Ostseite die drei verbliebenen Bataillone des linken Flügels auf den vom Feind gehaltenen Hagelberg vor. Bereits beim ersten preußischen Ansturm konnten die französischen Soldaten das nur mäßig besetzte Dorf Klein Glien nicht mehr halten. Da General Girard jetzt an der rechten Flanke und im Rücken gleichzeitig bedroht wurde, beschloss er seinen geordneten Rückzug anzutreten. Um seine Verluste so gering wie möglich zu halten, hatte Girard vier kaiserliche Bataillone am Hagelberg postiert. Jenen gelang es, die an diesem neuralgischen Punkt eindringenden Landwehrmänner partiell in den Belziger Busch zurückzudrängen. Als ein herbei eilendes französisches Cavalerie-cuirassiers Regiment damit begann, die zurückweichenden Preußen zu attackieren, schien sich das Blatt noch einmal für den Feind zu wenden.
Im Verlauf ihrer tiefsten Verzweiflung galoppierten den Preußen aber zwei unter dem Befehl des einstigen General-Adjutanten des Zaren, Alexander Iwanowitsch Tschernyschjow, stehende russische Kosakenregimenter entgegen, um die französische Kavallerie endgültig zu vertreiben. Nachdem sich die zurückweichenden Landwehrbataillone durch den russischen Vorstoß gestärkt fühlten, machten sie auf der Stelle kehrt, um von dem Oberst Friedrich von der Marwitz angeführt, erneut gegen die kaiserlichen Truppen vorzugehen.
Ihr Angriff richtete sich auf den wegweisenden Hagelberg. Aufgrund des Dauerregens und des nass gewordenen Pulvers begann ein tödlicher Kampf mit Bajonett und Kolbenschlag, der der Landwehrschlacht seinen zweiten legendären Namen Kolbengefecht am Hagelberg einbrachte.
Als die im ungestümen Angriffsdrang operierenden Landwehrmänner das enge Gefecht für sich entschieden hatten, gingen auch die auf der französischen Seite kämpfenden sächsischen Kontingente des Königs Friedrich August I. mit wehenden Fahnen zu den Preußen über. Während dessen wurde der befehlshabende General und Offizier der Ehrenlegion Jean-Baptiste Girard nicht nur schwer verwundet, sondern er geriet auch in anschließende Gefangenschaft. Seine Division, von der nur knapp 3000 Mann nach Magdeburg zurückkehrten, hatte so gut wie aufgehört zu existieren. Hingegen waren unter den preußischen Kriegsopfern 37 tote Offiziere und 1.721 Infanteristen zu beklagen. Die gefallenen Landwehrmänner wurden an der unterhalb des Kienbergs gelegenen Preußenhecke bestattet, während die Franzosen an der hinter dem Gutshof Glien wachsenden Franzosenhecke ihre letzte Ruhestätte fanden.
Gleich zwei Denkmäler stehen am Hagelberg
Am Hagelberg können wir gleich zwei Denkmäler anschauen, die an die siegreiche Landwehrschlacht von 1813 erinnern, die im Volksmund Kolbengefecht genannt wird. Das in einem kleinen Waldstück an der Dorfstraße zwischen Lübnitz und dem Hagelberg stehende Alte Denkmal zeigt seinen heutigen Besuchern den ereignisreichen Hauptschauplatz des damaligen Kolbengefechts an.
Das vom preußischen Souverän Friedrich Wilhelm IV. im Jahre 1849 persönlich eingeweihte Alte Denkmal bildet das markante Konterfei des Siegers am Hagelberg, des Infanterie-Generals Carl Friedrich von Hirschfeld, Träger des Roten Adlerodens, ab.
Hingegen befindet sich das sogenannte Neue Denkmal ein wenig abseits der soeben erwähnten Dorfstraße am südlichen Ausgang der Hagelberger Gemeinde.
Auf dem Plateau des mit seinen stolzen 201 Metern höchsten Bergs des Flämings und zweithöchsten Bergs der Mark Brandenburg können sich historisch interessierte Ausflügler selbst auf bebilderten und gut erklärenden Schautafeln näher zur Schlacht am Hagelberg informieren. Gleich daneben ist es für die Besucher möglich, sich in einem Gipfelbuch zu verewigen, das am ehrwürdigen Gipfelkreuz des Hagelbergs seinen Platz gefunden hat.
Hinweis
Denkmäler am Hagelberg bei Bad Belzig ∙ 14806 Hagelberg ∙ Landkreis Potsdam-Mittelmark
Lesenswert
Bauer, Frank: Hagelberg 27. August 1813, in: Kleine Reihe Geschichte der Befreiungskriege 1813-1815, Potsdam 2008, Heft 22
Kunze, Reiner: Das Gefecht bei Hagelberg, in: Belziger Heimatkalender 1988