Wir feiern in diesem Jahr den 300. Geburtstag (!) der kursächsischen Postmeilensäulen, deren erste steinerne Exemplare im Auftrag des Kurfürsten August des Starken im Jahr 1722 in Dresden aufgestellt wurden.
Unser Reisebus fährt uns in das brandenburgische Bad Belzig, wo wir eine kursächsische Postsäule und die imposante Burg Eisenhardt anschauen wollen.
Im Zuge der Beschlüsse des nach der zweiten, endgültigen Abdankung des Kaisers Napoleon am 22. Juni 1815 erfolgten Wiener Kongresses wurden zahllose europäische Grenzen neu definiert, wobei das bislang zum Königreich Sachsen gehörende Belzig zu Preußen gelangte. Im Jahre 1818 avancierte die im Hohen Fläming gelegene Landstadt zur Kreisstadt des im Regierungsbezirk Potsdam gelegenen Kreises Zauch-Belzig in der Provinz Brandenburg. Aufgrund seines offiziell anerkannten Thermal-Soleheilbads darf Belzig seit dem Jahr 2010 den ihm verliehenen Ehrentitel Bad Belzig führen.
Kursächsische Postmeilensäulen in Sachsens Nachbarterritorien
Die in Bad Belzig befindliche kursächsische Postmeilensäule zählt zu den denkmalgeschützten Postsäulen oder Meilensteinen, die im Auftrag des sächsischen Kurfürsten Friedrich August I. – besser bekannt als August der Starke – am Beginn des 18. Jahrhunderts an wichtigen Handelsstraßen und in fast allen Städten im damaligen Kurfürstentum Sachsen aufgestellt wurden. Dabei gibt der steinerne Meilenstein die Entfernungen und die Gehzeiten bis auf eine Achtelstunde genau an.
Weil das einstige Kurfürstentum Sachsen bedeutend umfangreicher als das heutige Bundesland Sachsen war, werden jene Postsäulen auch im Freistaat Thüringen, im äußersten Süden Brandenburgs, in Sachsen-Anhalt und in Polen angetroffen. In der Landstadt Belzig war die wappengeschmückte Postsäule im Jahr 1725 an der gut frequentierten Bahnhofstraße 16 / Ecke Wittenberger Straße, vor dem belebten Bürgerbräuhaus platziert worden.
Allerdings war es an jener Stelle zu einigen Verkehrsunfällen gekommen. Einmal wurde die kursächsische Postmeilensäule am Beginn des 20. Jahrhunderts durch ein Pferdefuhrwerk und einige Jahre später noch einmal durch einen Lastwagen umgefahren. Daraufhin erfolgte in den späten 1960er Jahren eine komplette Restaurierung der Säule. Im Zuge dessen musste das kurfürstliche Wappen nachgebildet werden, weil das hübsche Originalstück abhanden gekommen war.
Ebenfalls befinden sich mittlerweile auch das originale Postament und der Originalschriftblock, der sogenannte Säulenschaft, im Museum der Burg Eisenhardt, die wir uns im kommenden Beitrag näher ansehen wollen. Bei dieser Gelegenheit erfolgte auch eine Umsetzung der Säule unterhalb der Burg, die aber inzwischen wieder rückgängig gemacht wurde.
Kursächsische Postmeilensäulen waren keine singuläre Zeiterscheinung
Die im Kurfürstentum Sachsen befindlichen Postmeilensäulen, die auch die Basis für eine einheitliche Berechnung der Postgebühren schaffen sollten, bildeten keinesfalls eine singuläre Zeiterscheinung.
Bereits aus der weiter zurückliegenden Geschichte sind uns eine stattliche Anzahl von Ländern bekannt, in denen vergleichbare, mit Distanzangaben versehene Säulen an belebten Straßen aufgestellt worden waren. Aus historischer Sicht hatte die Errichtung eines mit Meilensteinen versehenen Straßennetzes in weiten Teilen Deutschlands schon mit den alten Römern begonnen.
Auf dem Forum Romanum stand der goldene Meilenstein – Vorbild für die kursächsischen Postmeilensäulen
Auf den Befehl des ersten Kaisers Augustus hatten die Römer im Jahr 20 v. Chr. auf dem Forum Romanum, dem administrativen und kulturellen Zentrum ihres Imperiums, eine mit Bronze verkleidete und mit Gold überzogene Marmorsäule errichtet. Diese Marmorsäule war der Meilenstein Null, Ausgangspunkt aller kaiserlichen Straßen. Auf ihr waren Entfernungen zwischen den einzelnen Provinzstädten mit der römischen Hauptstadt eingraviert. Damit konnten Reisende Distanzen nach Osten bis an den Euphrat bestimmen oder Reisetage bis nach Germanien und Britannien hinauf zählen. An sämtlichen Römerstraßen standen in Abständen 2-3 Meter hohe Marmorsäulen. Sie geben Auskünfte zum kaiserlichen Bauherren, den Abschluss der Errichtung und die Entfernungsangaben vom Ort der Anfangszählung an. In diesem Zusammenhang weist der Buskompass-Autor auf einen antiken Meilenstein hin, der vor dem wehrhaften Haupttor, der Porta Praetoria, des Kohortenkastells Castra Vetoniana unweit der oberbayerischen Gemeinde Pfünz im heutigen Landkreis Eichstätt positioniert wurde.
Noch viele Jahrhunderte später dienten die römischen Meilensteine als nachahmenswerte Vorbilder für die kursächsischen Postsäulen. Ebenso leitete sich von den antiken Säulen auch die nicht ganz korrekte Bezeichnung der kursächsischen Postmeilensäulen her, die allerdings häufiger die Form eines Obelisken, einer antiken Herme, eines sogenannten Pfeilerschafts, oder einer Stele aufweisen. Gleichermaßen variierte das vielgestaltige Baumaterial der sächsischen Postsäulen nach den regionalen Gesteinsarten, zu denen häufig Elbsandstein, aber auch Lausitzer Granit gehörten. In ihrem Aufbau setzten sich alle kursächsischen Postmeilensteine aus sieben einzelnen Teilen – wie dem Sockel, dem Postament und der Postamentbekrönung sowie aus einer Zwischenplatte, dem Schaft, dem kurfürstlichen Wappen und der oberen Säulenspitze – zusammen.
Pfarrer Zürner vermisst Kursachsen neu – seitens kurfürstlicher Order ist er für die Errichtung der Postmeilensäulen verantwortlich
Der auch auf dem Gebiet der Kartographie arbeitende Pfarrer Adam Friedrich Zürner hatte im Jahr 1711 eine erste Spezial-Landt-Charte der zukünftigen Garnisonstadt Großenhain im heutigen Landkreis Meißen als kolorierten Kupferstich erstellt, die er seinem kunstsinnigen Souverän, August dem Starken, zueignete. Der auf diese beeindruckende Weise auf Zürner aufmerksam gewordene sächsische Landesvater erteilte jenem zunächst den Auftrag, das Dresdener Umland mit dessem lieblichen Elbtal neu zu vermessen und kartographisch zu erfassen.
Da Zürners fundierte Qualifikation und dessen professionelle Arbeiten überzeugten, wies ihn August der Starke im Jahr 1713 zur präzisen Landesaufnahme des gesamten Kurfürstentums an. Im Verlauf der sorgfältigen Vermessung Kursachsens hatte der versierte Zürner feststellen müssen, dass zahllose ältere und vormals aus Holz gesetzte Meilensäulen bereits angefault oder umgefallen waren. Da mitunter auch die Entfernungen unpräzise oder nur geschätzt angegeben worden waren, legte der selbstbewusste Kurfürst kurzerhand fest, dass die zukünftigen Postsäulen besser in Stein aufgestellt werden müssen. Allerdings sollten noch einmal acht Jahre ins Land gehen, bevor der das Königreich Polen in Personalunion mit regierende August der Starke im Jahr 1721 die kurfürstliche Order zur Setzung von Steinernen Säulen für die Ämter Dresden, Meißen und Großenhain verfügte. Zürner regte derweil ein einheitliches Maßsystem an, das ab dem Jahr 1722 verbindlich eingeführt wurde.
August der Starke lässt eine Denkschrift in Umlauf bringen und muss ein kurfürstliches Machtwort sprechen
Eine aus 24 Punkten bestehende Denkschrift wurde verbreitet, die die gesamte Bevölkerung Kursachsens über die praktischen Zweckdienlichkeiten aufklären sollte, die sich aus der Aufstellung der steinernen Postsäulen ergeben würden. Weil es dennoch immer wieder zu örtlichen Schwierigkeiten und lokalen Protesten der Anwohner im Zuge der Positionierung der neuen Postmeilensäulen gekommen war, erließ der durchsetzungsstarke Landesfürst am 24. Juli 1722 ein dringliches Dekret, mit dem sämtliche Ämter aufgefordert wurden, die nötigen Arbeiten unverzüglich in die Wege zu leiten. Da die bereits gesetzten Postsäulen, für deren Errichtung die einzelnen Gemeinden finanziell selbst aufkommen mussten, aus Aversion über die hohen Kosten verunreinigt, ramponiert oder zerstört worden waren, erließ August der Starke ein weiteres und schärferes Edikt. Darin teilt er mit, dass jegliche mutwillige Beschädigung der kurfürstlichen Säulen mit strenger Festungs-Haft oder harter und exemplarischer Strafe geahndet werden wird.
Widerstand lohnt sich mitunter – Oberlausitzer Stände vereint im Kampf gegen die kursächsischen Postmeilensäulen
Der härteste Widerstand gegen die Platzierung der kursächsischen Postsäulen ging von den Oberlausitzer Ständen aus, die die fortgesetzte Aufstellung der Säulen konsequent ablehnten. Ihr beharrlicher Kampf wurde mit einem Teilsieg belohnt, wobei sie durchsetzen konnten, dass lediglich an den bedeutenden Poststraßen einige Meilensteine gesetzt wurden. Von diesem salomonischen Kompromiss angetan, ließ August der Starke seine steinernen Postsäulen im gesamten Land nur noch an wichtigen Hauptstraßen und Postrouten errichten.
Unter dem Sohn August des Starken, Kurfürst Friedrich August II., wurde die letzte kursächsische Postmeilensäule aufgestellt – Rettungsankäufe bewahrten Postsäulen vor der Demontage
Die letzte kurfürstliche Postmeilensäule war kurz nach dem Tod des einzigen legitimen Sohns Augusts des Starken, Friedrich August II., im Jahr 1763/64 in dem an der Unstrut gelegenen Freyburg im heutigen sachsen-anhaltinischen Burgenlandkreis gesetzt worden. Damit wurden in der Zeit von 1721/22 bis 1763/64 circa 1200-1300 Postmeilensäulen errichtet. Nicht nur in Folge der Instandsetzung und der Optimierung von zahllosen Straßen und Kommunen, sondern auch aufgrund der natürlichen Verwitterung reduzierte sich die durchgehende Präsenz der kursächsischen Säulen beträchtlich. Andererseits konnten in Folge von sogenannten Rettungskäufen durch gutbetuchte Gemeinden und einzelne Bürger ab der Mitte des 19. Jahrhunderts viele Postmeilensäulen vor der bedenkenlosen Demontage bewahrt werden. Heimatkundlich interessierte Landsleute setzten schließlich durch, dass jene geschichtlich relevanten Postmeilensäulen zu guter Letzt als schützenswerte Verkehrsdenkmäler anerkannt wurden. Heute können ungefähr 200 Postmeilensäulen im Freistaat Sachsen und in dessen angrenzenden Bundesländern aufgesucht werden. Möge auch der kursächsischen Postmeilensäule im brandenburgischen Bad Belzig noch weitere 300 Jahre beschieden sein, damit sich nachfolgende Generationen ebenfalls an ihrer Existenz erfreuen können.
Hinweis
Kursächsische Postmeilensäule ∙ Bahnhofstraße 16 / Wittenberger Straße ∙ 14806 Bad Belzig, Landkreis Potsdam-Mittelmark
Lesenswert
Forschungsgruppe Kursächsische Postmeilensäulen (Hrsg.), in: Lexikon Kursächsische Postmeilensäulen, Berlin 1989