Karl Marx verdrängte Karl May.
Zu DDR-Zeiten war das 1928 eröffnete Karl May Museum in Bamberg im Exil. Heute ist es zurück gekehrt und bietet ein tolles Ausflugsziel für kleine und große Indianer und Cowboys! Federschmuck, Tomahawks und Friedenspfeifen.
Willkommen in der Welt der Abenteuerromane des meistgelesenen deutschsprachigen Schriftstellers. Es muss nicht immer Goethe sein!
Er wurde in fast 50 Sprachen übersetzt, hat über 200 Millionen Bücher verkauft und das Bild der Deutschen in Ost und West von Indianern, Cowboys und dem Wilden Westen geprägt. Karl May (1842-1912) ist selbst nur selten weit über Dresden und Radebeul hinausgekommen und doch steht er wie kein Zweiter für Abenteuer, Entdeckungen, Reisen und Neugier. Anders als sein US-amerikanischer Gegenpart im Genre Abenteuerromane Jack London (1876-1916) hat er nicht am eigenen Leib erlebt, was und worüber er geschrieben hat. Karl May, geborener Carl Friedrich May, veröffentlichte im Alter von 32 Jahren seine ersten Erzählungen. Zuvor war er als einziger überlebender Sohn einer sehr kinderreichen Weberfamilie in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. Er wurde Kleinkrimineller, verbrachte Jahre im Zuchthaus und strickte und verstrickte sich zunehmend in die eigene Biographie zwischen Wirklichkeit und Fantasie. Dieser Erfindungsreichtum, die Verschlagenheit und Kreativität sollten ihm auch bei seiner Schriftstellerei zu Gute kommen.

Am Grab von Karl May
Bei unserem Ausflug mit dem Reisebus begeben wir uns heute nach Radebeul, an den Ort der Villen und Weingüter. Nur zwei drei Kilometer vom Elbufer und dem nahen Dresden entfernt, hat Karl May 1895 die Villa in Oberlößnitz-Radebeul erstanden. 1896 hat er den Schriftzug Villa Shatterhand anbringen lassen. Um zwar nicht die Weiten der Prärie zu erkunden, aber um immerhin ein wenig in der Natur zu sein, erwarb er im Folgejahr ein weiteres Grundstück und legte sich einen Obstgarten an. Ob er und seine zweite Frau Klara selbst gepflücktes Obst am Wegesrand gegen einen kleinen Obolus feilgeboten haben ist nicht überliefert. Aber diese Kassen des Vertrauens sind in Radebeul noch immer beliebt. Besucher und Touristen können hier gegen Spenden oder Festpreise lokale Gartenprodukte erwerben. Vielleicht entdecken wir eine solche bei einem kleinen Stadtteilspaziergang. Für den Reisebus kann es nämlich notwendig sein, etwas länger und in weiterer Umgebung nach einem Parkplatz zu suchen. Falls Sie dabei sogar südlich der Eisenbahnlinie landen, die von Dresden ins über 100 km westlich gelegene Leipzig führt, können Sie gleich den Friedhof Radebeul-Ost besuchen. Hier finden Sie das unter Denkmalschutz stehende Grabmal von Karl May, zu dem er sich während einer Orientreise an der Schwelle vom 19. Jahrhundert zum 20. Jahrhundert hat inspirieren lassen.

Silberbüchse und Bärentöter
Da wir uns aber ursprünglich mehr mit dem Leben und den Werken von Karl May beschäftigen wollten, machen wir uns nun geschwind auf zum Karl May Museum oder lassen uns vom Reisebus eben dort in der Karl-May-Str. 5 absetzen. Der Eintritt in das Dienstag bis Sonntag von 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr geöffnete Universum des Winnetou-Erfinders schlägt mit 9 Euro zu Buche; ermäßigt kostet der Eintritt 7 Euro, Kinder bezahlen 3 Euro. Im Museum bieten sich zwei Pfade an, auf die wir uns begeben können. Das Haupthaus, die schon erwähnte Villa Shatterhand reitet einmal kreuz und quer durch das Leben von Karl May. Arbeitszimmer, Wohnzimmer und weitere Räume des Hauses sind so gestaltet, wie sie vor fast einhundert Jahren ausgesehen haben. Mit langen Bücherregalen, orientalischen Möbeln (man denke an Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar) und Bärenfellen.

Indigene Kultur Nordamerikas im Karl May Museum
Die zweite Möglichkeit in die Ausstellung einzusteigen bietet sich an, wenn wir durch den kleinen Garten und das gegenüber liegende und dazugehörige Grundstück laufen. Wir kommen am Herzsee vorbei (ein winziger angelegter Teichtümpel), denken vielleicht daran, wie wir das erste Mal Der Schatz im Silbersee gelesen haben und gelangen zur Villa Bärenfett. Dieses 1928 erbaute Blockhaus sieht nicht nur sehr wildwestmäßig aus, es beherbergt auch Hunderte ethnologische Objekte aus dem 18. bis 20. Jahrhundert. Diese bringen einem die indigene Kultur nordamerikanischer Indianervölker nahe. Außerdem gibt es in den 20er, 30er und 40er Jahren des 20. Jahrhunderts gefertigte lebensgroße Indianerfiguren, Schmuck, perlenbestickte Kleidung und Federarbeiten zu bestaunen. Bis zum Jahr 2028 soll dieses Blockhaus wie das ganze Museum aufwendig saniert und barrierefreier zugänglich gemacht werden. Noch Bedarf es genauer Absprachen und Anfragen bei der Museumsleitung, welche Teile der Häuser ohne Einschränkungen erlebbar sind. Träger ist die Karl-May-Stiftung, die schon 1913 von Karl Mays zweiter Ehefrau Klara ins Leben gerufen wurde und bis heute fortlebt.

Karl Mays größte Schöpfung – Winnetou
Wem verdanken wir eigentlich die unablässige Faszination für Indianer, genau genommen für die indigene Bevölkerung Nordamerikas, die durch den weißen Mann fast ausgerottet wurde? Neben Karl May sind hier zwei Menschen zu nennen, die in jeweils unterschiedlicher Ausprägung für die Sozialisation im Osten und im Westen Deutschlands vor seiner Wiedervereinigung prägend waren. Pierre Brice (1929-2015) wurde in den 60er Jahren durch unzählige Karl-May-Verfilmungen als Winnetou bekannt. In den späten Achtzigern verkörperte er den berühmten Apachen-Häuptling bei den bekannten Karl May Festspielen in Bad Segeberg. Ihm nachfolgen sollte der in Ostdeutschland dank DEFA berühmteste Indianerdarsteller Gojko Mitić (Jahrgang 1940). Als deutsch-serbischer Schauspieler spielte er viele Hauptrollen und fand erst durch das imposante Draußen-Theater nördlich von Lübeck wirklich zu Karl May.

Karl May lesen heißt dicke Wälzer verschlingen
Eine letzte Geschichte wollen wir Ihnen noch mitgeben, bevor Sie den Ausflug vielleicht im griechischen Restaurant Atlantis (300 Meter vom Museum entfernt) ausklingen lassen. Nicht alles bei Karl May ist erfunden, wie es so mancher vorwurfsvoll formuliert. Der Autodidakt führte zwar einen falschen Doktor, hielt sich zunehmend selbst für Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi, aber er war auch ein leidenschaftlicher Theoretiker und gewissenhafter Bücherwurm. Seine Bibliothek zeugt von seinen intensiven Studien zum nördlichen Amerika und dem Orient.

Die dunkle Seite der Welt der Cowboys und Indianer
Im Museum treffen wir auf ein Ölgemälde aus dem Jahr 1936. Es wurde bereits ein Jahr später ausgestellt. Es zeigt die Schlacht am Little Bighorn, ein grausamer Kampf zwischen US-Kavallerie und Indianerstämmen der Sioux und der Cheyenne. Einer der wenigen Kämpfe, welche die damals abschätzig und rassistisch als Rothäute bezeichneten indigenen Ureinwohner Nordamerikas für sich entscheiden konnten. Das verhinderte freilich nicht deren fast völligen Untergang. Sie wurden in Reservate gesperrt und mit Alkohol betäubt. Spielcasinos und sozialer Abstieg standen oft am Ende dieses Marsches nach unten. Entfremdet von der Natur und den eigenen Traditionen, dem Land beraubt und entrechtet. Auch diese Seiten sollten wir nicht vergessen, wenn wir uns ein paar Stunden lang der Wild-West-Romantik hingegeben haben.

Karl May ganz lebendig – jedes Jahr aufs Neue
Wer Karl May Abenteuer mal einen ganzen Tag lang und noch spektakulärer erleben möchte, dem raten wir zu einer baldigen Rückkehr nach Radebeul. Jedes Frühjahr gibt es im nah gelegenen Lößnitzgrund die Karl-May-Festtage. Mit Tipis, Goldschürfen für die Kleinen und einem echten Überfall auf die Eisenbahn. Genau genommen handelt es sich um eine Schmalspurbahn, die von einem Verein erhalten und weitergeführt wird. Wir aber besteigen jetzt erst mal wieder unseren Reisebus und hoffen, dass wir ohne Überfälle durch Indianer oder Cowboys unversehrt nach Hause kommen!
Hinweise
- Karl May Museum
Karl-May-Straße 5
01445 Radebeul - Telefon: 0351-8373010 / E-Mail: info@karl-may-museum.de
- Führungen für Gruppen dauern etwa eineinhalb Stunden, kosten 50€ zuzüglich Eintritt und werden für maximal 15 Personen angeboten; bei größeren Gruppen kann die Gruppe geteilt werden und zeitversetzt starten
- Das griechische Restaurant Atlantis liegt ganz in der Nähe; mit Biergarten und gut überlappenden Öffnungszeiten zu den Schließzeiten des Karl May Museums. Von 17.00 Uhr bis 22.30 Uhr bekommen Sie hier täglich Gyros, Rind, Lamm und mediterrane Salate. Freitag bis Sonntag ist sogar zusätzlich von 11.30 Uhr bis 14.30 Uhr geöffnet. Gruppen können unter 0351-8301006 reservieren. Die Adresse lautet: Maxim-Gorki-Str. 2 in 01445 Radebeul
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Wer sich die Frage nach dem Lesen des Artikels noch ernsthaft stellt, dem können wir dann auch nicht mehr wirklich weiterhelfen. Auf geht es in die Welt von Winnetou und Old Shatterhand!