Unser Reisebus fährt uns zum Herrenhaus Blankensee, das auch Sudermannschloss genannt wird.
Während der Schlossbesichtigung erfahren wir Näheres über Hermann Sudermann, bevor wir einen ausgedehnten Spaziergang durch die interessante Parklandschaft unternehmen.
Ein wenig entfernt vom städtischen Getümmel und etwas versteckt im vitalen Brandenburger Nuthe-Nieplitzer Naturpark liegt am stillen Gewässer der den Blankensee mit dem Grössinsee verbindenen Nieplitz ein herrschaftliches Gutshaus – das Schloss Blankensee.
Zu den illustren Berühmtheiten des zweigeschossigen im schmucken Stil des Märkischen Barock erbauten Herrenhauses gehört dessen bekanntester Eigentümer – der Romancier und Dramatiker Hermann Sudermann.
Wer war Hermann Sudermann?
Der im Jahre 1857 im litauischen Matzicken im fernen Ostpreußen geborene Hermann Sudermann zählte zu den arriviertesten Schriftstellern seiner Epoche des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Weil er aus einer minderbegüterten Großfamilie kam, zog es ihn zeitig in das politische und kulturelle Zentrum Preußens – nach Berlin, wo er in den 1880er Jahren als Buch- und Bühnenautor reüssierte. Während jener Jahre prägte Sudermann das kulturelle Leben der boomenden Residenzstadt nicht nur literarisch mit, sondern mit seinem politischen Engagement schaltete er sich auch immer wieder zu aktuellen gesellschaftlichen Fragen ein. Wenngleich Hermann Sudermann heute eher in Vergessenheit geraten ist, trafen seine naturalistischen Werke den damaligen Geschmack des wilhelminischen Publikums, sodass er bereits zu seinen Lebzeiten eine legendäre Koryphäe wurde. Da er ein gut honorierter Schriftsteller seiner Zeit war, konnte er es sich im Jahr 1902 leisten, das herrschaftliche Landgut in Blankensee von dem verschuldeten Gutsbesitzer Viktor von Thümen zu kaufen. In der Abgeschiedenheit der märkischen Idylle war es dem neuen Eigentümer möglich, in dem nach ihm benannten Sudermanschloss seiner schriftstellerischen Tätigkeit nachzugehen, so dass er in Blankensee seine glücklichsten Jahre verbrachte. Erst nach der Jahrhundertwende begann Sudermanns bislang erfolgsverwöhnte Popularität allmählich zu verblassen. Obwohl es ruhiger um ihn geworden war, blieb er weiterhin produktiv. Als Autor des vielmals gelesenen Erzählbandes Litauische Geschichten, eine Reise nach Tilsit konnte er sich als großer Essayist einen steten Platz in der deutschen Literaturgeschichte sichern. Hermann Sudermann starb in seiner repräsentativen Stadtvilla im noblen Berliner Ortsteil Grunewald im Jahr 1928. Noch heute erinnert das mit einigen originalen Möbelstücken, Teilen seiner einstmals umfangreichen Kunstsammlung und wenigen Büchern der Sudermann’schen Bibliothek ausgestattete Gedenkzimmer im Blankenseer Herrenhaus an die brandenburgischen Jahre des ostpreußischen Schriftstellers.
Historie und Architektur des Sudermannschlosses
Das hübsche Barockschloss wurde im Jahr 1701 als sogenannter zweigeschossiger Putzbau mit einem abschließenden Mansardendach und zwei jüngeren niedrigen Flügelanbauten errichtet.
Bemerkenswerterweise lagen zur Zeit seiner Entstehung das barocke Herrenhaus und dessen weitläufiges Landgut noch auf dem Territorium Kursachsens. Erst nachdem der Wiener Kongress im Jahre 1815 die Ländergrenzen Europas neu geordnet hatte, änderte sich auch die politische Administration in Blankensee, wobei der einstige kursächsische Landstrich jetzt an das Königreich Preußen fiel. Folglich verwundert es nicht, dass preußische Sparsamkeit auch den Blankenseer Schlossbau dominiert. Die wenigen an der Hauptfassade befindlichen Schmuckelemente sind der klassische Mittelrisalit mit seinem schmiedeeisernen Balkon und der darüber liegende Dreiecksgiebel, in dem das herrschaftliche Wappen des alten märkischen Adelsgeschlechts derer von Thümen prangt, zu dessen Hab und Gut sowohl das barocke Schloss als auch die brandenburgische Region seit Jahrhunderten gehörten. Die lange Stammreihe begann mit dem im 16. Jahrhundert verstorbenen kurfürstlichen Rat Hans von Thümen, der als Erbherr auf Schloss Blankensee residierte. Bekanntester Vertreter der Familie dürfte der preußische Generalleutnant und Flügeladjutant König Friedrich Wilhelms III. August von Thümen gewesen sein, der aus seinem immensen Vermögen das am Schwielowsee gelegene Schloss Caputh erworben hat.
Zwei herrschaftliche Treppen des Schlosses
Lediglich die an der Hauptfassade des Barockschlosses Blankensee befindliche Freitreppe ist repräsentativer gestaltet. Eine mit vier entzückenden Putti geschwungene Balustrade lenkt unseren neugierigen Blick in Richtung des Eingangsportals. Auf diese freundliche Weise begrüßt, treten Besucher und Gäste gerne in das aparte Herrenhaus ein. Ebenso schlicht ist die zur Parkseite liegende Gartenfront des Gutshauses konzipiert worden. Ihre einzige Zierde bildet die stilvolle und hufeisenförmig ausgeführte Treppe, die während der warmen Sommermonate von blühenden Rosen umrankt wird. Durch die ausladende Flügeltür gelangen wir über die rückwärtige Schlosstreppe hinab in die ausgedehnte Parkanlage, der ein Rasenrondell mit einer antiken Skulptur vorgelagert ist, die die Frühlings- und die Getreideblüte symbolisierende Göttin Flora verkörpert.
Hermann Sudermann gestaltet sich seinen Schlosspark persönlich
Ein weiteres Attribut des imponierenden Herrenhauses Blankensee ist der sich daran anschließende 35.000 Quadratmeter große Schlosspark, an dessen planerischer Konzeption kein geringerer als der große preußische Gartenarchitekt Peter-Joseph Lenné beteiligt gewesen sein soll. Den eigentlichen Reiz der weiten Parklandschaft machte hingegen die manische Sammelleidenschaft des Schriftstellers Sudermann aus. In den mehr als zwanzig Jahren, die der vermögende Autor das Schloss bewohnte, hatte er sich von seinen ausgedehnten Reisen nach Paris, Italien, in den Vorderen Orient, nach Ceylon und Ägypten zahlreiche Marmorskulpturen, Statuen und Vasen mitgebracht, die er zur Ausschmückung in seinem Park aufstellen ließ.
Deswegen können die Parkbesucher an vielen Stellen die diversen Kunstwerke der Sudermann’schen Sammelleidenschaft entdecken und damit hautnah nachempfinden, welche Lebensqualität das Refugium einstmals besaß, das sich der ostpreußische Schriftsteller mit seiner persönlich gestalteten Gartenanlage geschaffen hatte.
Thematisch gliederte Sudermann seine Parklandschaft in verschiedene landschaftliche Motive, wobei der italienische Garten einen herausgehobenen Platz einnimmt. An dieser Stelle ist die herrliche Statue der römischen Pomona, der Göttin der Baumfrüchte, zu nennen, die sich in einem Pavillon befindet. Seitlich wird der Garten von Säulen flankiert, auf denen klassische Büsten antiker Kaiser und Philosophen stehen. An der Nordseite des Parks erhebt sich eine Marmorbank, von der wir aus auf eine künstliche Theaterwand mit in Nischen platzierten Figuren schauen. Einen weiteren Höhepunkt des Blankenseer Schlossgartens bildet der achtsäulige Rundbau, ein allseitig geöffneter Monopteros, dessen zahllose Pendants in den weitläufigen Parkanlagen des Barocks und des Klassizismus als ein beliebtes architektonisches Gestaltungselement dienten.
Schloss Blankensee heute
Heute wird das abseits der Großstadt in urwüchsiger Natur gelegene Herrenhaus Blankensee nicht nur routiniert als Hotel und Restaurant geführt, sondern dessen modern möblierte Räume werden auch für Seminare, Ausstellungen und Veranstaltungen genutzt. Ebenso ist das frühere Sudermann’sche Schloss für Familien- und Firmenfeiern, Jubiläen, runden Geburtstagsfesten sowie für Hochzeiten mit bis zu 80 geladenen Gästen aufgrund seines kulturhistorischen Flairs das ideale Etablissement. Neben dem designten und bequem eingerichteten Hochzeitszimmer für das junge Brautpaar stehen zwei Einzel- und vierzehn individuell ausgestattete Doppelzimmer zur Disposition. Ein besonderer Service ist eine behindertengerechte Suite, die über einen an der Außenfassade angebrachten Lift erreicht wird. Zudem ist es möglich, bis zur Tagesdämmerung zu feiern und einen pittoresken Sonnenaufgang über dem nahen Blankensee zu genießen. Darüber hinaus können an dem unter Naturschutz stehenden märkischen See in der herbstlichen Jahreszeit wahre Heerscharen von quicklebendigen Graugänsen betrachtet werden.
Hinweis
Schloss Blankensee ∙ Blankenseer Dorfstraße 1 ∙ 14959 Trebbin OT Blankensee
Anreise mit dem Reisebus oder mit dem PKW in cirka einer Stunde südlich von Berlin.
Lesenswert
Fischer, Angelika & Bernd Erhard Fischer: Blankensee – Sudermanns Schloß und Park. Eine Spurensuche. Berlin 1991